30. Open-Art-Schau: Kippt das Klima?

Überseeboulevard. Am 26. September eröffnet die 30. Open Art mit 50 großformatigen ­Bildern der Schau »Grad0 jetzt – Die Reise zum Klima« des Greenpeace-Fotografen Markus Mauthe. Sie vereinen Schönheit und Schrecken. Bericht und Interview:

Das Great Barrier Reef hat sich den Titel als eines der sieben Weltwunder wahrlich verdient. Es ist das größte tropische Korallenriff der Welt. Zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung in der HafenCity sind über 90 Prozent der Korallen von Korallenbleiche betroffen, und es ist völlig offen, ob die Natur die Chance zur Regeneration bekommt – oder ob die nächste Hitzewelle alle Heilungskräfte zunichtemacht. Das sind Fakten, die zu so einem schönen Foto dazu erzählt werden müssen, um aufrichtig zu bleiben“, sagt der Fotograf, Filmemacher und Umweltaktivist Markus Mauthe exklusiv zu seinem Aufmacherfoto auf der Titelseite dieser September-Ausgabe der HafenCity Zeitung. 
Foto oben: Die Chance zur Regeneration? Das Great Barrier Reef vor Australiens Küste. © Markus Mauthe

Amazonas-Feuer. Dokumentarfotograf Markus Mauthe: „Seit über 50 Jahren zerstört der Mensch die tropischen Regenwälder, um dort Wildnis in Agrargebiete umzuwandeln. Das ist in vielerlei Hinsicht eine der tragischsten Verhaltensweisen unserer Spezies – und für mich als Fotograf immer einer der am schwersten zu ertragenden Arbeitsbereiche.“ © Markus Mauthe

Ob Dokumentarbilder wie das Feuer-Rodungsfoto aus dem Amazonas oder das harmonische Stillleben eines Eisbergs mit einem Sonnenstrahl in Grönland: Die Aufnahmen des Natur- und Umweltfotografen Mauthe, der im brasilianischen Bundesstaat Bahia an der Kakaoküste des Mata-Atlântica-Tropenwaldes lebt, lassen niemanden kalt. Seit 35 Jahren reist Mauthe um die Welt, um mit seinem Kamera- und Film-Auge die einzigartigen Schönheiten der Natur und die Zerstörungen der Natur durch den Menschen zu dokumentieren. Diese Spannung zwischen der ursprünglichen Natur und den hässlichen Folgen der Zivilisation auszuhalten, wird für Mauthe „zugegebenermaßen immer schwieriger“, so der Fotograf exklusiv im Interview „7 Fragen an …“ mit der HafenCity-Zeitung (siehe Seite 6). „Durch die Arbeit mit der Kamera wurde die Natur so etwas wie die Liebe meines Lebens. Leider musste ich dieser Liebe auch mehr als 30 Jahre beim Sterben zusehen.“

Bangladesch, Industriestadt. Fortschrittskritiker Markus Mauthe: „In der Hafenstadt und Sonderwirtschaftszone Chittagong in Bangladesch manifestiert sich die düstere Seite der Globalisierung in ihrer ganzen Drastik. Hier treffen alle negativen Auswirkungen zusammen, die in unserer globalisierten Welt außer Kontrolle geraten sind. Für mich ein Symbolbild, wie Fortschritt nicht aussehen sollte.“ © Markus Mauthe

Von dieser schönen und schrecklichen Zerrissenheit erzählen eindrucksvoll die 50 großformatigen Outdoor-Bilder der 30. Open-Art-Ausstellung „Grad0 jetzt – Die Reise zum Klima“ des Greenpeace-Fotografen Markus Mauthe auf dem Überseeboulevard der HafenCity. Sie sind rund um die Uhr in allen Lichtschattierungen des Tages öffentlich wahrzunehmen. Für Dr. Claudia Weise, Quartiersmanagerin Überseequartier Nord, „ermöglicht uns Markus Mauthe Einblicke in die Schönheit und Verletzlichkeit unserer Erde in Zeiten der weltweiten Klimakrise und des Artensterbens“. Mit seinen „eindringlichen und berührenden Fotografien“ dokumentiere er die „Tragweite der Klimakrise an diesen Kipppunkten und mache sichtbar, welche Folgen daraus entstehen, so Quartiersmanagerin Weise. 

Grönland-Eisberg. Sehnsuchtserzähler Markus Mauthe: „Der vielleicht schönste Augenblick auf allen Recherchereisen zu diesem Projekt. An ­einem ansonsten grauen und mit Niederschlägen durchzogenen Tag findet ein einzelner Sonnenstrahl für wenige Sekunden seinen Weg auf den Eisberg mit dem Torbogen. Für Sekunden ist die ganze Welt in Balance. Ein eindrückliches Erlebnis für die Sinne, das mich als Fotograf und Aktivist mit Kraft ­beschenkt und den Glauben stärkt, dass es nie zu spät sein wird, sich für unseren tollen Planeten einzusetzen.“ © Markus Mauthe
Senegal, Salzbecken. Drohnenfotograf Markus Mauthe: „Wie Edelsteine funkeln die einzelnen Becken im Sonnenlicht. Bis zu 30 Kilometer dringt Meerwasser den Flusslauf des Salou hinauf ins Landesinnere des Senegal, was dort den Abbau von Salz ermöglicht. Mit dem Einsatz von Drohnen hat sich das Spektrum der dokumentarischen Fotografie praktisch unendlich erweitert, und es macht große Freude, Formen und Farben der Erde aus der Vogelperspektive einzufangen.“ © Markus Mauthe
Teersand-Abbau, Kanada. Bildkomponist Markus Mauthe: „Ästhetisch wunder­schön, doch moralisch der absolute Horror. Das Foto zeigt ein Giftschlammbecken aus ­Alberta in Kanada, wo einer milliardenschweren Industrie nach wie vor erlaubt wird, aus Sand Teer herauszupressen. Wohlgemerkt nachdem man zuvor Wälder vernichtet und ­Muttererde abgetragen hat. Auf riesigen Flächen. Mit verheerenden Folgen für das Klima und die Wasserkreisläufe vor Ort.“ © Markus Mauthe

Das Bild „Teersand-Abbau“ aus Kanada (rechts) veranschaulicht die Zwiespältigkeit schöner Fotografie und realer Umweltzerstörung. Markus Mauthe: „Ästhetisch wunderschön, doch moralisch der absolute Horror. Das Foto zeigt ein Giftschlammbecken aus Alberta in Kanada, wo einer milliardenschweren Industrie nach wie vor erlaubt wird, aus Sand Teer herauszupressen. Wohlgemerkt nachdem man zuvor Wälder vernichtet und Muttererde abgetragen hat.“ Wolfgang Timpe

Info Weitere Informationen zur 30. Open-Art-Ausstellung „Grad0 jetzt– Die Reise zum Klima“ auf dem Überseeboulevard ab 26. September bis Frühjahr 2025 unter: www.überseeboulevard-nord.de sowie unter www.echt-hafencity.de

Selbstporträt von Fotograf Markus Mauthe: „Glück ist für mich, in der Natur zu sein, die Elemente zu spüren und meine Kinder heranwachsen zu sehen – trotz aller Miseren in der Welt.“ © Markus Mauthe

Der Fotograf, Filmemacher und Umweltaktivist über Klimawandel, Kitsch und Katastrophen

Herr Mauthe, Sie nennen sich Fotograf, Filmemacher und Umweltaktivist. Ist Ihre Greenpeace-Aktivität denn ein Beruf? Als Handwerksberuf habe ich die Fotografie gelernt. Das Filmemachen ist praktisch die persönliche Evolution meiner Tätigkeiten, um nicht zu stagnieren. Der Umweltaktivist entwickelte sich aufgrund meiner Erleb­nisse als Zeitzeuge draußen in der weiten Welt. Wer mit offenen Augen reist, dem können die Probleme der Welt nicht entgehen, und wer mit dem Herzen unterwegs ist, dem können sie nicht egal sein. Greenpeace ist seit vielen Jahren mein Partner in der Ausübung meines Berufes. 

Sie zeigen die schönen Seiten ursprünglicher Natur und die hässlichen unserer Zivilisation. Wie halten Sie die Spannung selbst aus? Das wird zugegebenermaßen immer schwieriger. Durch die Arbeit mit der Kamera wurde die Natur so etwas wie die Liebe meines Lebens. Leider musste ich dieser Liebe auch mehr als 30 Jahre beim Sterben zusehen. Das ist, je älter ich werde, immer schwerer zu ertragen. Zumal man nicht das Gefühl hat, dass die Menschheit im Allgemeinen bereit ist, ihren Kurs zu ändern und nachhaltiger zu agieren. Was mir guttut, ist der Kontakt zu jungen Aktivisten, die noch in voller Kraft stehen und mit ungeheurem Optimismus am Wandel arbeiten. 

Warum ist für Sie der Klimawandel menschengemacht? Diese Frage impliziert, dass es noch Menschen gibt, für die das nicht der Fall ist. Darin liegt das Problem. Es gibt keinerlei Zweifel mehr daran, dass wir Menschen unsere Lebensgrundlagen in atemberaubender Geschwindigkeit zerstören. Die Klimakatastrophe ist durch praktisch nahezu 100 Prozent der Wissenschaft bestätigt, genauso wie das Artensterben. Entwicklungen, die sich gegenseitig verstärken und unsere bis zu zehn Milliarden Brüder und Schwestern vor eine mehr als ungewisse Zukunft stellen werden. Bei mir kommt zu all den einsehbaren Meldungen in den Medien noch meine persönliche Lebenserfahrung. Mein Bildarchiv ist voll von Beweisen und meine Seele getrübt voller trauriger Erinnerungen.

Sie sind seit 35 Jahren rund um den Erdball unterwegs. Wo ist für Sie der schönste Ort, an dem Sie mal sesshaft werden möchten? Da habe ich großes Glück gehabt. Ich lebe schon mit meiner Familie an dem für mich schönsten Ort der Welt, in den Regenwäldern des Mata-Atlântica-Tropenwaldes an der Kakaoküste im brasilianischen Bundesstaat Bahia. Ich habe hier vor 13 Jahren eine vom Aussterben bedrohte Äffchenart fotografiert und bin bei der Besitzerin der Kakaofarm Almada hängen geblieben. Das war eines der besten Ereignisse meines Lebens. 

Was ist für Sie denn Glück? In der Natur zu sein, die Elemente zu spüren und meine Kinder heranwachsen zu sehen – trotz aller Miseren in der Welt. Fragen: Wolfgang Timpe

Markus Mauthe ist Fotograf, Filmemacher und Umweltaktivist. Der 55-Jährige stammt aus Friedrichshafen am Bodensee. Schon als Kind hatte er einen Traum, der ihn bis heute antreibt: die Erde in ihrer wunderbaren Vielfalt zu entdecken und mit der Kamera zu porträtieren. Bereits mit 17 Jahren reiste er mit dem Zug nach Marokko. Mit 20 durchquerte er Neuseeland mit dem Fahrrad. Seine Liebe zur Naturfotografie war entfacht. 35 Jahre liegt der Beginn seiner Karriere nun zurück. Über 80 Länder hat er bereist und alle Ökosysteme dieser Erde fotografiert. In seinen Veröffentlichungen – ob Live-Reportagen, Bücher oder Filme – liegt ihm eines besonders am Herzen: die Schönheit unseres Planeten zu zeigen und gleichzeitig auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, der Mensch und Natur durch die Klimakrise und das weltweite Artensterben heute ausgesetzt sind.

Seit dem Jahr 2003 setzt er sich zusammen mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace für den Schutz unserer Lebensgrundlagen ein. Jahr für Jahr ist er in Vortragshallen überall im Land unterwegs und begeistert die Besucher mit spannenden Berichten und seinen Fotografien, die er auf Großbildleinwänden präsentiert. Im Frühjahr 2024 startete er seine neue Vortragstour der Live-Reportage »Grad° jetzt – Die Reise zum Klima«, aus der jetzt 50 großformatige Fotografien auf dem Überseeboulevard in der Open Art-­Galerie bis ins kommende Frühjahr zu sehen sind. WT

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