Die HafenCity informierte über das Südliche Überseequartier, die Sportstätten, über Elbtower und Elbdome sowie die Gemeinschaftshäuser
Die HafenCity wächst und wächst und wächst. Ihre Markenzeichen sind Baugruben und Baukräne. Am Ende des Baustellenbooms werden im Quartier rund 45.000 Menschen arbeiten und 15.000 Menschen wohnen – schon heute bevölkern 14.000 arbeitende und 4.000 wohnende Menschen den Stadtteil. Die HafenCity ist eine pulsierende Kleinstadt, die sich ständig ausdehnt, und für die Menschen, die hier alltäglich leben, viele handfeste Alltagsprobleme mit sich bringt.
Welche das sind, davon konnten die 200 Besucher in der jüngsten Informations- und Diskussionsveranstaltung für Bewohner und Beschäftigte in der HafenCity im Kesselhaus am Sandtorkai einen umfassenden Eindruck gewinnen. Mit 65 Präsentationsfolien informierte Jürgen Bruns-Berentelg, der Vorsitzende der Geschäftsführung der HafenCity GmbH, in einem zweieinhalbstündigem Themenmarathon mit Vortrag und Diskussion über die aktuellen Entwicklungen. Hier die wichtigsten Projekte im Überblick.
Südliches Uberseequartier:
Wie unter einem Brennglas zeigen sich alle Probleme von Fortschritt und Lebensqualität zurzeit an Europas größter Baustelle in der HafenCity, dem Südlichen Überseequartier. Dort ist das Ende der Baugrundvorbereitung mit 500.000 Kubikmeter Aushubvolumen absehbar und am 22. Mai findet die Grundsteinlegung statt und auch der Vermietungsstart beginnt dann. „Das ist unser größtes Großprojekt“, bilanziert HafenCity-Chef Bruns-Berentelg, der in seinem engeren Vertrautenteam kurz und herzlich „Doppel B“ genannt wird.
Man muss kein Prophet sein: Das Südliche Überseequartier wird eine Zerreißprobe für die Anwohner und für die Wirtschafts- und Lebensqualitätsentwicklung der HafenCity. Einerseits fürchten die Anwohner, und das zeigten alle Diskussionsbeiträge, auch von Vertretern der Stadtteil-Initiativen von Netzwerk Hafencity e.V. bis HafenCity-Forum, vor allem die befürchtete Dauerbelastung durch den Anlieferverkehr für Gewerbe und Einzelhandel. Die Sorge vor einem Dauerverkehrskollaps und der Umweltbelastung eines extensiven Anlieferverkehrs konnte der HafenCity-Geschäftsführer nicht zerstreuen, aber er warb unermüdlich für Verständnis und Vertrauen. Für Bruns-Berentelg ist das Südliche Überseequartier „kein Shoppingcenter“, sondern ein „attraktiver Urbanitätstreiber“ mit zahlreichen Kulturflächen und -angeboten und einem Kreuzfahrtterminal-Nachbarn sowie vor allem einem umfangreichen und vielfältigen Erdgeschoß-Einzelhandel. Fest steht: Es wird gebaut und, so geplant, im Januar 2022 der „veredelte Rohbau des Kreuzfahrtterminals“ übergeben und im Oktober 2022 sollen der Einzelhandel, die Gastronomie und die Entertainmentbereiche eröffnen. Es wird aufregend, streitbar und spannend bleiben rund ums Südliche Überseequartier.
Sportstätten:
Das zweite große Thema waren die künftigen Sportstätten im Gebiet des Oberhafens mit einem kleineren 9er-Fußballfeld für Kicker bis 12 Jahren (geplante Fertigstellung 2021) und ihren Fußball-Ligen- und Vereinswettbewerben sowie auch Handball- und Leichtathletikmöglichkeiten. Nicht nur der Vertreter der Fußballinitiative Störtebeker SV forderte eine „feste Dauereinrichtung von mehreren Bolzplätzen“ für eine lebendige Stadtteilkultur in der HafenCity. Und auch der Wunsch der sportiven Bewohner nach einem so genannten 11er-Fußballfeld für Kicker, auf dem Erwachsene professionell offizielle Kicker-Wettbewerbe und Vereinsmeisterschaften veranstalten können, wird die Macher der HafenCity weiter energisch verfolgen. Bruns-Berentelg versprach entfernungstechnisch „zumutbare Flächen außerhalb der HafenCity“ aktiv zu suchen und analysieren zu lassen.
Dass sich ein solches 11er-Fußballfeld in der HafenCity realisieren lässt, hat er ausgeschlossen. Durch den „knapp vorhandenen Platz“ und die vielen „einengenden Wasserwege“ im Oberhafen hätte man zu viele attraktive Hallen im Oberhafen abreißen und die Sportstätten zum Teil über Wasser bauen müssen. Das habe man, auch aus Kostengründen, wieder verwerfen müssen. Doch das Thema Sportstätten wie auch das Thema Anlieferverkehr Südliches Überseequartier zeigen: Die Spannungen zwischen nachhaltigen Wünschen der Anwohner und den pragmatischen Businessanforderungen eines Stadtteils im Wachsen bleiben. Sie können auch nicht wegmoderiert werden.
Das zeigte auch ein im Großen und Bauganzen eher kleines Thema einer Anwohnerin, die jedoch vielen aus der Seele sprach: Warum gibt es anno 2019 keine Möglichkeiten für Glas-Container-Entsorgung in der HafenCity? Das begründete Bruns-Berentelg sachlich mit Platzmangel (auch im Untergrund) und inakzeptabler Lärmbelästigung für die Anwohner. Das aber hilft nicht, bei aller sachlichen Argumentation, den hier Lebenden, die nun mal nachhaltig und Umwelt- und Resourcen-schonend wohnen und arbeiten wollen. Gerade im Kleinen, im Alltäglichen, das zeigte die Kesselhausveranstaltung auch wieder einmal, muss das große Werden in der HafenCity noch Erwachsen werden. Denn eins wird, Fahrbahnkennzeichnung für Radwege zum Beispiel hin oder her, auch ein weiterer Brennpunkt in der HafenCity bleiben: die kaum vorhandenen Radwege und die viel zu klein und zu gefährlich ausgelegten Fahrradstreifen-Kennzeichnungen auf den Straßen.
Östliche HafenCity:
Aufregung gab und gibt es auch um die neuen Leuchtturmprojekte, die Architektur- und Entertainment-Höhepunkte, mit dem Bürohaus Elbtower und der Multifunktionshalle Elbdome, der Mini-Barcley-Card-Arena am Wasser. Ende März (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) will die Bürgerschaft endgültig über Bau oder Nichtbau des Elbtowers entscheiden. Man wünscht sich Mut zur Einzigartigkeit und kein städtisches Kleinklein – gerade am zentralen Einfahrtspunkt für Hamburg an den Elbbrücken.
Sprung über die Elbe:
Eindrucksvoll war die Präsentation der herausfordernden Projekte mit dem neuen Entwicklungsviertel Billebogen nördlich der Elbbrücken und die bauliche und konzeptionelle Erschließung vom Grasbrook, das ehemals geplante Olympiagelände. Nackte Zahlen drücken die Ambitionen am deutlichsten aus: So soll der Billebogen 10.000 weitere Arbeitsplätze und 2.000 Bewohner beherbergen; und auf dem Grasbrook sollen 16.000 Arbeitsplätze und Platz für 6.000 Bewohner geschaffen werden.
Gemeinschaftshäuser:
HafenCity-Hamburg-Geschäftsführer Bruns-Berentelg konnte seinen Stolz darüber, dass die drei Gemeinschaftshäuser im Grasbrookpark, Lohsepark und Baakenpark realisiert werden, nicht verhehlen. „Ich freue mich, dass sie endlich kommen.“ Mit Mehrzweckräumen, Cafés oder Kiosk sowie Werkstatt-, Lager- und Mehrzweckräumen ausgestattet, sollen sie nichtkommerzielle, öffentliche Treffpunkte und Begegnungsstätten werden (s. Bericht S. 9). Am 8. April werden die Sieger des Architektenwettbewerbs mit 65 Einreichungen für die drei Häuser bekanntgegeben und im Sommer werden die spannendsten Entwürfe im Kesselhaus präsentiert.
Zwischendurch wurde es auch mal zackig im Kesselhaus. Da fragte doch glatt ein frecher Anwohner, warum die HafenCity denn mit der vierspurigen Versmannstraße Stadtplanung von vorgestern mache. Er bezog sich auf eine Stadtplanungsserie in der HafenCity Zeitung, in der der Wissenschaftler Dr. Andreas Sonntag „mit klugem Blick von außen“ die Verkehrspolitik der HafenCity anhand der Versmannstraße als antiquierte Autostadtpläne der grauen Vorzeit analysiert habe. Da wurde der inzwischen auch etwas erschöpfte Bruns-Berentelg wieder quicklebendig. „Blicke von Außen sind manchmal sehr begrenzt innovativ“, antwortete der HafenCity-Chef. Um dann ganz sachorientiert, aber nicht ohne Erregung nachzuschieben: „Wir, die Hafen-City, brauchen keine vierspurige Versmannstraße. Aber wir müssen die Auflagen erfüllen und die Verkehrserschließung der Inneren City sicherstellen.“ Auch Chefs müssen manchmal Zwänge ertragen – und vor allem die Bewohner.
Wolfgang Timpe
KOMMENTAR
Mehr Mut!
Überall in der HafenCity wird gebuddelt und gebaggert, brummt die Bauwirtschaft und die Stadt profitiert von der Vermarktung von Grundstücken und Geschossflächen für Investoren und Bauherren. Und das ist gut so. Wer nicht wächst, verkümmert. Doch ein einfaches Immer mehr, immer höher, immer weiter ist noch kein Allheilmittel für ein gelungenes Miteinander im Stadtteil.
Die Diskussionen um den Anlieferverkehr zum Südlichen Überseequartier oder um großflächige Sportanlagen im Viertel zeigen: Gerade ein wachsender junger Stadtteil braucht politische und stadtplanerische Führung, die im Zweifel auch im Stadtteilinteresse mal nicht an Gewinnmaximierung und geschmeidige Investorenförderung denkt.
Die HafenCity taugt nicht für politische Symbolpolitik. Ruhig noch mehr Mut für noch großzügigere öffentliche, grüne Flächen. Denn die immer noch junge HafenCity kann nur gesund wachsen und sich weiter zu einem lebendigen Quartier entwickeln, wenn die Menschen Raum bekommen – nicht nur der Beton. Die gelungene gläserne U4-Station schlägt den richtigen Ton an: selbstbewusste Städteplanung und einzigartige Qualität. Es geht doch. Wolfgang Timpe