Ein aufgeräumter Jürgen bruns-Berentelg beim „Treffpunkt HafenCity“ im Oberhafen im Sommer 2018. ©Jonas Wölk
„Ich rechne immer mit dem Schlimmsten“

Foto: Ein aufgeräumter Jürgen Bruns-Berentelg beim „Treffpunkt HafenCity“ im Oberhafen im Sommer 2018. © Jonas Wölk

Jürgen Bruns-Berentelg über störrische Bauherren, strategische Weitsicht und die Innovationskraft der HafenCity Von Wolfgang Timpe

Herr Bruns-Berentelg, zu Beginn etwas Persönliches. Sie haben sich seit längerem eine schlanke Silhouette erarbeitet und einige in der HafenCity wollen Sie bei einem großen Premium-Fitness-Anbieter auf dem Überseeboulevard gesichtet haben. Stimmt das? Das stimmt. Bei den großen Schaufenstern ist es unvermeidbar, ab und zu auch mal erkannt zu werden (lacht)

Was war der Anlass, sportlich etwas für sich zu tun? Erstens lässt es sich sehr gut mit den sehr flexiblen Arbeitszeitbedingungen in der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH vereinen. Anders als bei anderen Sportarten kann man morgens um sechs oder abends um 21 Uhr spontan eine Trainingsstunde  wahrnehmen. Diese Flexibilität habe ich hier vor allem durch die Nähe, weil ich vom Büro nur kurz über die Straße gehen muss. 

Und wie haben Sie sich motiviert?Abgenommen habe ich einige Kilo im vergangenen Jahr im Urlaub. Und das Gewicht halte ich jetzt durch den Sport im Studio.

Sie treiben Sport in der HafenCity. Wohnen Sie auch hier?Nein, da wäre mir die persönliche  Distanz zur Arbeit zu gering (lacht). Ich müsste vor oder nach der Arbeit zu viele „Alltagsmissionen“ in der HafenCity erfüllen, wenn die Menschen mich erkennen und glauben, dass ich Ihnen direkt helfen könnte. Und ab und zu muss auch ich schlafen.

Sie sind seit Februar 2003 Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH. Hätten Sie sich damals träumen lassen, dass die HafenCity nach über 16 Jahren ein Lebensprojekt für Sie wird?Ich habe mir das nicht vorstellen können, da zum Start der HafenCity die Rahmenbedingungen relativ schwierig waren. Ich war einer der wenigen, die immer an den Erfolg geglaubt haben, weil ich auch an meine Fähigkeit geglaubt habe, trotz der New-Economy-Krise 2000/2001 das Vertrauen der Bauherren in die HafenCity zu gewinnen und auch ihren öffentlichen Wert für Hamburg darstellen zu können – obwohl es zu Beginn lange Zeit nur Sandhaufen gab. Mittlerweile hat die Entwicklung der HafenCity  zu einem vorzeigbaren Ergebnis geführt. 

Schulcampus HafenCity, Lohsepark: „Ein Schulgebäude, das eine nachbarschaftliche öffentliche Nutzung beinhalten wird.“ © Initiative Schulcampus Lohsepark

Woher nahmen Sie die Chuzpe zu sagen: Das schaffe ich?Weil damals das Vertrauen der Bauherren in das Projekt HafenCity nur eingeschränkt vorhanden  war, standen wir zu Beginn vor einer immobilienwirtschaftlichen Problemlage.  Die HafenCity  war damals als Wohnstandort nicht akzeptiert und sie war der Inneren Stadt als Bürostandort unterlegen. Und so kam es nicht darauf an, Stadtentwicklung zu beherrschen, oder mit Bewohnern sprechen zu können, sondern mit potenziellen Bauherren und sie mit den Rahmenbedingungen der künftigen Entwicklungen so vertraut zu machen, dass sie über ihren eigenen Schatten springen konnten und gesagt haben: „Wir sind bereit, uns in der HafenCity zu engagieren. “

Was war wichtig am Anfang der HafenCity? Dass mein Vorgänger Bernd Tiedemann  auswärtige Bauherren gewinnen konnte, etwa aus Stuttgart, zum Beispiel für die heutige Kühne Logistics University am Großen Grasbrook, damals noch die Deutschlandzentrale von SAP. Oder er sich  für die ersten acht kleineren Objekte am Sandtorkai acht verschiedene Bauherren ausgesucht hat. 

HafenCity Hamburg-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg: „Ich habe den Markt zumindest manchmal für intelligenter gehalten, als er sich dann dargestellt hat.“ © Thomas Hampel

______________________________________________________________________________ZUR PERSON …
Prof. Jürgen Bruns-Berentelg ist seit 2003 Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, die von der Stadt mit
der Entwicklung der HafenCity betraut ist. Vorher war der 67-Jährige in leitenden Positionen bei britischen, amerikanischen und deutschen Immobilienunternehmen. Er hat Geografie, Biologie und Immobilienökonomie studiert. 
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Warum war das wichtig?Weil alle acht erzählen konnten, dass man in der HafenCity erfolgreich Projekte entwickeln kann. Das hat wirtschaftliche und bauliche Qualität  im Wettbewerb in die HafenCity gebracht und Vertrauen im Markt erzeugt. Nicht unwichtig war, dass ich nicht aus der Verwaltung, sondern aus der Immobilienbranche kam und man mir zutraute, deren Sorgen zu verstehen und, genauso wichtig, dafür auch Lösungen zu finden, die der Stadt nicht schaden. Das war eine klassische Win-Win-Situation und Erfolgsvoraussetzung in den Anfangsjahren der HafenCity. 

Und warum war, neben Ihrer Ausbildung an der European Business School in Immobilienökonomie, ein studierter Geograf und Biologe besonders geeignet?Weil man zum Beispiel als Geograf in der Lage ist, nicht in Grundstücken, sondern größer räumlich zu denken, was im Stadtentwicklungskontext immer dazu gehört. Außerdem ist es gut, technische und naturwissenschaftliche Voraussetzungen zu beherrschen, ohne vom Fach zu sein.

„Wir müssen mit der HafenCity Hamburg GmbH die Zukunftsoptionen von Hamburg schaffen und zwar langfristig.“

Prof. Jürgen Bruns-Berentelg

Inwiefern?Es wäre aus meiner Sicht schädlich gewesen, juristisch zu beschlagen zu sein oder zu sehr den Ingenieur spielen zu wollen …

… weil Sie dann zu viel Hindernisse gesehen hätten?Vielleicht. Aber vor allem, weil die Entwicklung der HafenCity als ein Innenstadtprojekt in Zentraleuropa kein einziges Vorbild hat. Es wurde in dieser Innenstadtlage und in dieser Nutzungsmischung kräftig an der Erwartungsschraube gedreht, die man nicht mit einem engen Berufsprofil erfüllen konnte.

Warum?Weil man sich ständig die Frage stellen muss: was könnte man besser machen? Was könnte man anders machen? Gedanklich muss man einen Zielkorridor haben, in dem man sich bewegt, der nie aufgegeben wird, aber immer mit neuen Lösungen zur schrittweisen besseren Umsetzung eines Projektes führt. Das ermöglicht es, die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge zu unternehmen. Dabei hat der Aufsichtsrat zu Beginn immer wieder mitgeholfen.

Jürgen Bruns-Berentelg über den Amerigo-Vespucci-Platz am Baakenhafen / Elbbrückenquartier: „Der Platz wird gestalterisch eine große Besonderheit aufweisen, da er von etwa neun Meter Höhe auf rund vier Meter Höhe an das Wasser heranführen wird. Diese schiefe Ebene wird an zwei Seiten durch relativ hohe Gebäude eingefasst und auf der Ostseite, am Kopfende, wird es ein künstlerisches Projekt geben, das für diesen neuen Ort in der HafenCity, im Elbbrückenquartier, prägend sein wird. 

Was war die wichtigste richtige Entscheidung?Eine U-Bahn in die HafenCity zu bauen war eine ganz zentrale Entscheidung., weil sie die Erreichbarkeit der HafenCity ermöglicht hat. Die HafenCity war so nicht nur auf dem Papier eine Erweiterung der Innenstadt, sondern durch die U-Bahn wurde es manifestiert. Eine zentrale Entscheidung in der Regierungszeit der CDU. Von da an waren Bauherren ansprechbar, in den Bürobau in der HafenCity zu investieren. 

Was war für den Wohnungsbau von zentraler Bedeutung?Dass wir zum Beispiel die Freiheit bekamen, in der Kommission für Bodenordnung ab 2005 mit niedrigen Festpreisen eine radikale Abkehr von der Preismaximierung zu erreichen und damit auch Genossenschaften und Baugemeinschaften gewinnen konnten. Ab 2010 bzw. 2011 war es uns aufgrund der entsprechenden Senatsbeschlüsse für die gesamte Stadt dann möglich, auch in der HafenCity geförderten Wohnungsbau zu integrieren. Erst dadurch konnten wir die so wichtige soziale Durchmischung der HafenCity nachhaltig angehen. 

Sie betonen oft die strategische Notwendigkeit der Nutzungsmischung, eine gesunde Balance von vernünftigen bezahlbaren Ladenmieten bei gleichzeitiger Marktnachfrage hinzubekommen. Waren Sie mal verunsichert, wenn etwa auf dem Überseeboulevard oder Am Kaiserkai Gewerbeflächen leerstanden oder Mieter viel Geld versenkt haben, und schon bald wieder schließen mussten?Nein, ich war nicht verunsichert. Ich habe natürlich gesehen, dass die Umsätze bei weitem nicht so waren, wie die beteiligten Bauherren und Mieter es eigentlich hätten darstellen müssen. Das hat mir für die Mieter oft sehr Leid getan, die zum Teil viel Geld verloren haben. Wir versuchen immer, Bauherren zu günstigen Mieten zu bewegen. 

Leer stehende Ladenflächen signalisieren, dass es nicht immer klappt. Ärgerlicherweise. Weil diese Ladenflächen z.T. mit unrealistischen Mietpreisen unterlegt  worden sind, nicht nur weil das Konzept nicht passte oder die Nachfrage nicht da war. 

Was haben Sie als HafenCity Hamburg GmbH daraus für Schlüsse gezogen?Wir sind zum Beispiel im Nördlichen Überseequartier dazu übergegangen vorzugeben, dass 80 Prozent der Mietflächen nicht über 15 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Wir haben bestimmte geforderte Nutzungen in Ausschreibungen mit Höchstmietpreisen belegt. Das geben wir für die nächsten zehn Jahre vor. Und damit gibt es dann eine ausreichende Sicherheit für denjenigen, der kommt, auch mal unternehmerische Durststrecken überstehen zu können. Oder wir haben auch  in der östlichen HafenCity festgelegt, dass das Quartier einen großen Lebensmitteleinzelhändler braucht, der für die kommenden zehn bis 15 Jahre nicht mehr als 15 Euro zahlen muss, um erfolgreich sein zu können. Das waren für uns strategische Anpassungsprozesse, weil der Markt es eben nicht von alleine geregelt hat. Ich habe den Markt zumindest manchmal mit seinen Selbstregulierungskräften überschätzt und für intelligenter gehalten, als er sich dann tatsächlich dargestellt hat. 

Wo spüren die Bauherren das?Wir nehmen das in die Ausschreibungen mit auf und setzen es dann in Verträge um, die das nichtkooperative Verhalten von Marktteilnehmern deutlich reduziert. 

Aber Sozialist sind Sie deswegen nicht geworden?Überhaupt nicht. Aber manchmal muss man Rahmenbedingungen für Wettbewerb setzen, der vernünftig ist und von allein nicht entsteht. Denn gleichzeitig gibt es ja oftmals nur eine begrenzte Nachfrage für bestimmte Angebote im Stadtteil und deshalb muss man eine vernünftige Basis legen, damit nicht falsche Erwartungen entstehen. 

Erfreut waren die Bauherren sicher nicht?Wir haben bei dem einen oder anderen Schmerzen ausgelöst, aber sie konnten sich darauf verlassen, dass zum Beispiel ein Frischemarkt im Baakenhafen entsteht, der nicht noch einmal genau so an den Elbbrücken entsteht. 

Wir würden Sie Ihre Rolle in diesen Prozessen beschreiben? Sind Sie gütiger Fürst oder strenger Chef?Jeder noch. Wir haben die Aufgabe, ein Schumpeterscher Unternehmer zu sein, aber für staatliche Aufgaben (Joseph Alois Schumpeter war einer der wichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts).

Also nicht Sonnenkönig à la „der Staat bin ich“ … eine vollkommen falsche Vorstellung, die Bürokratie mit einem absolutistischen Staatsbild verbindet. Unsere Aufgabe ist  das Zusammenfügen von Infrastruktur, Grundstücksentwicklung und Schaffung von Innovationen. Gleichzeitig müssen wir die privaten Marktteilnehmer davon überzeugen, dass sie in diesem von uns geschaffenen Rahmen erfolgreich sein können. Das ist wie eine Bündelung des Kollektivguts, des Gemeinguts Stadt. In diesem Sinne sind wir Schumpeterscher Unternehmer für die Stadt Hamburg.

Aber die Stadt erzielt schon gerne ordentliche Grundstückspreise …wir sind mit unseren Ergebnissen zufrieden. Aber unsere  Rolle ist nicht, die Grundstückspreise zu maximieren, sonst gäbe es keine Genossenschaften, Baugemeinschaften oder geförderten Wohnungsbau in der HafenCity. Und wir finanzieren damit die Infrastruktur, die Parks, Plätze und Promenaden. 

Was hat Sie in 16 Jahren HafenCity wirklich überrascht?Es hat sich bewährt, dass wir den Fortschritt der HafenCity mit großer Beharrlichkeit und strategischer Weitsicht betrachtet haben und so von den schnelllebigen Marktentwicklungen abkoppeln und trotz der Finanzkrisen auch noch einigermaßen im Zeitplan bleiben konnten. 

Und was hat sie richtig geärgert?Nichts. In meinem Beruf und der Stadtentwicklungsaufgabe HafenCity müssen Sie immer mit dem Schlimmsten rechnen. Es gibt immer ein großes Maß an Unsicherheit und Risiko. Sie müssen mental darauf eingestellt sein, dass das, was schief gehen kann, auch schiefgeht. Dann sind Sie gedanklich immer schon beim nächsten Schritt und suchen Lösungen. 

Ist das der naturwissenschaftliche Anteil Ihrer Persönlichkeit, wie bei der Bundeskanzlerin, die die Lösungen B und C zu einer Art Marke ihres Handelns gemacht hat?Auch in der Stadtentwicklung muss man Dinge immer vom Ende her denken. Das Stadtleben beginnt erst, wenn alle Gebäude stehen. 

Wie künftig auch für das umstrittene Projekt vom Schulcampus HafenCity im Lohsepark. Die nachträglich geplante Wohnbebauung durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sowie der Schulbehörde erzeugt bei den Anwohnern Widerstand, die für die Erhaltung der heutigen Freiflächen zur öffentlichen Nutzung sind. Wie bewerten Sie die Situation?Das ist ein normaler Prozess, der am Ende zu vernünftigen Entscheidungen führen muss. Ich bin sicher berufsbedingt nicht der Meinung der Initiative Schulcampus und sehe am Ende sehr  gute fachliche Argumente für den Wohnungsbau. Nicht zu vergessen sind bei der Bewertung die zahlreichen Sport- und Freizeitflächen im Oberhafen in der direkten Nachbarschaft, die gebaut werden. Die Sportstätten wie auch die Erdgeschossräumlichkeiten des Schulcampus werden öffentlich genutzt werden können. Das steht fest.

Was können Sie zusichern?Erstens wird es ein Schulgrundstück von 9.000 qm und eine ebenerdige Schulhoffläche von zirka 4.600 qm geben, die auch öffentlich zugänglich sein wird. Zweitens wird es ein Schulgebäude geben, das eine nachbarschaftliche öffentliche Nutzung mit einer festen Vereinbarung über die Zugänglichkeit beinhalten wird. Damit das funktioniert, wird es ein von unserem Quartiersmanagement begleitetes  Management geben. Und damit werden die Belange der Nachbarschaft in hervorragender Weise abgebildet. Auf der Nordseite des über 11.000 qm großen Grundstücks an der Gedenkortfuge wird die Wohnbebauung auf rund 2.300 qm entstehen. Es wird einer der besten Wohnstandorte in der HafenCity sein, zum Lohsepark hin ohne Verkehrsbelastung gen Westen geöffnet und als Lärmschutz für die wichtigen Spiel- und Parkflächen. 

Ein ambitioniertes Projekt wird auch der Amerigo-Vespucci-Platz im Baakenhafen. Er wird der größte umbaute Platz Hamburgs werden. Was erwarten Sie?Der Platz wird gestalterisch eine große Besonderheit aufweisen, da er von etwa neun Meter Höhe auf rund vier Meter Höhe an das Wasser heranführen wird. Diese schiefe Ebene wird an zwei Seiten durch relativ hohe Gebäude eingefasst und auf der Ostseite, am Kopfende, wird es ein künstlerisches Projekt geben, das für diesen neuen Ort in der HafenCity, im Elbbrückenquartier, prägend sein wird. 

Was soll dort stattfinden?Der Amerigo-Vespucci-Platz wird auf Grund seiner Größe eine hohe Aufenthaltsqualität haben und kann auch für Veranstaltungen genutzt werden – etwa ein großer Weihnachtsmarkt oder andere Veranstaltungen, die andere Plätze in der HafenCity  nicht ermöglichen. Und der Ort wird stark geprägt sein durch den einzigartigen freien Blick nach Westen in den Baakenhafen, auf die grüne Halbinsel und die Stadt. Der Platz wird seine Bestimmung nicht durch die Planung oder das festgelegte Nutzungskonzept finden, sondern in den kommenden zehn Jahren durch die Menschen seine Bestimmung in der Weise finden, wie sie ihn annehmen.

Inwiefern?Das sind offene Fragen. Wird es dort Open-Air-Opernkonzerte oder andere große Veranstaltungen geben?

Kann es zu einer Art modernem Amphitheater in der HafenCity werden?Man könnte es tatsächlich so bezeichnen. Auf der anderen Seite muss man immer mitdenken, dass man dort Richtung Westen auch Wohnungsbau haben wird, also Veranstaltungen nach 22 Uhr nur sehr ausgewählt an 16 Tagen im Jahr zulässig sein. Die Menschen werden im Alltagsgebrauch wesentlich mitbestimmen, was dort für Aktivitäten stattfinden werden. Und gleichzeitig bietet der Ort vielfältigste Anregungen für neue Ideen. Wir treiben das nicht an, sondern lassen das auf den Ort zukommen.

Warum nicht?Weil uns die Erfahrung zum Beispiel mit den Magellanterrassen am Sandtorhafen gezeigt haben, dass die Bewohner  mithelfen und eine ausreichende Wohnqualität ermöglicht bekommen wollen. Deswegen soll und kann es nicht einfach ein großer Veranstaltungsort werden wie auf dem Rathausmarkt, wo keine Wohnungen im direkten Umfeld sind. Er muss sich als Platz für und durch die Menschen entwickeln. Da wollen wir nicht zu viel vorgeben. Es muss eine Balance zwischen den außerordentlichen Möglichkeiten und dem, was die Menschen an Nutzungsqualität für sich zulassen, gefunden werden.

In direkter Nachbarschaft wird es den 245 Meter hohen Elbtower als baulichen Abschluss der HafenCityund den Elbdome als Sportarena geben. Wird die HafenCity größenwahnsinnig?Die HafenCity ist ein Ort, an dem neue Möglichkeiten  geschaffen werden, die die Stadt bislang nicht realisieren konnte. Der Elbdome wird im Schwerpunkt eine Sport-Veranstaltungshalle für etwa 7.000 bis 9.000 Besuchern sein. Wir hätten heute mehrere solcher Hallen, wenn Hamburg Olympia bekommen hätte. Und die Lage an den Elbbrücken  ist entscheidend: Man kommt mit U- und S-Bahn, Bussen, Car-Sharing-Mobilität und privaten Pkw unkompliziert dorthin und es gibt im direkten Umfeld keinen Wohnungsbau. Deswegen muss die Stadt diese Chance ergreifen. Der Elbdome ist nicht nur für die HafenCity, sondern für die Stadt eine einmalige Chance. Das hat nichts mit Größenwahn zu tun. 

Muss denn der Elbtower so hoch in den Himmel wachsen?Die Höhe des Elbtowers hat nichts mit dem Konzept der Ausschreibung zu tun. 

Warum?Die städtebauliche Frage ist: Welche Qualität muss ein Hochhaus haben, damit es an der zentralen Stelle an der Einfahrt nach Hamburg eine nachhaltige ästhetische Wirkung erzeugt. Ich hätte mir persönlich auch ein lediglich 180 Meter hohes Gebäude vorstellen können. Doch der Elbtower will an dieser zentralen Stelle ein ästhetisches Signal setzen. Er ist nicht nur einfach Infrastruktur, sondern bietet später mit 70.000 qm Büro, 14.000 qm öffentlichen Nutzflächen und 16.000 qm Hotel künftig rund 3.000 Menschen Arbeit. 

Das sind sportliche Dimensionen!Ja, das ist ein anspruchsvolles Nutzungskonzept, aber die entscheidende Frage lautet: Wo sollen in Zukunft die Arbeitsplätze in  Hamburg in der Stadt sein? Allein zwischen 2008 und 2016 sind in Hamburg nutzungsbezogen  60.000 neue Büroarbeitsplätze entstanden. Und selbst wenn man annimmt, dass es in Zukunft immer mehr Homeoffice-Arbeitsplätze geben und zugleich der Quadratmeterbedarf am Arbeitsplatz schrumpfen wird, ist klar: Hamburg wird immer stärker als wachsende Stadt, mit wachsender Bevölkerung zu einer Dienstleistungsstadt. Und der künftige Elbtower bietet herausragende Erreichbarkeit für alle mit allen Mobilitätsangeboten und man hat einen Skalierungseffekt mit dem Tower. An einem Standort entstehen sehr viele Arbeitsplätze, die an anderen Stellen Flächen frei halten, die man nicht mit Büros bebauen muss; das ist eine vernünftige Strategie der Bodennutzung. 

Zur Nachbarschaft der östlichen HafenCity. Der Hamburger Süden mit der Veddel und Wilhelmsburg oder auch Rothenburgsort fühlen sich oftmals durch nicht optimale Infrastruktur und die Attraktion des neuen wachsenden Stadtteils HafenCity abgehängt, weil es weniger Attraktionen und sozial deutlich andere Durchmischungen gibt. Produziert die HafenCity aufgrund ihres Erfolgs leider auch Stiefkinder der Aufmerksamkeit?Eindeutig nein. Auch wenn wir den Billebogen, das Eingangstor zur Stadt Hamburg neu fassen, bleiben andere Teile Rothenburgsorts  davon vollkommen unberührt. Die Stadt lebt von Gegensätzen, von den Reibungspunkten. So bleibt der Oberhafen als „Sondervermögen“ im Eigentum der HafenCity Hamburg GmbH, damit der Standort und seine Hallen für die nächsten 25 Jahre und von mir aus auch noch länger erhalten bleiben kann. Und die Menschen in den Nachbarstadtteilen der HafenCity werden  Vorteile durch die HafenCity haben, ohne dass sie wie die HafenCity oder der Grasbrook völlig neu gebaut werden. Zum Beispiel werden das westliche Rothenburgsort und der Hamburger Süden mit der Veddel und Wilhelmsburg wie auch der künftige Grasbrook durch U- und S-Bahn künftig viel besser erreichbar sein. 

Ist verkehrliche Infrastruktur alles?Sie ist von großer Bedeutung, aber natürlich nicht alles. Es wird auch neue Arbeitsplätze für jüngere Menschen in Rothenburgsort und im Süden Hamburgs geben, die standortnah entstehen. So wird zum Beispiel aktuell diskutiert, ob man im Elbdome nicht spezielle Ausbildungsplätze für bestimmte Ausbildungsberufe nur für Rothenburgsort schaffen kann. Dann könnte die Nachbarschaft direkt von einem Elbdome vor Ort profitieren. 

Gibt es weitere geplante Vorteile für die HafenCity-Nachbarn?Man musste zum Beispiel in Rothenburgsort zunächst darauf verzichten, eine weiterführende Schule zu bauen, weil zu wenig Wohnraum entsteht.  Durch den Schulcampus HafenCity wird für Rothenburgsort ein kompletter Jahrgang zusätzlich nur für Rothenburgsort neu gebaut. Wer künftig nach Rothenburgsort zieht, profitiert bei der Schule direkt von der HafenCity. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Synergieeffekten für die Nachbarstadtteile. Es wird am Billebecken eine grüne Uferwegpromenade nur für die Rothenburgsort-Bewohner geben. Gleichzeitig wird man auch die sogenannten Schmuddelecken mit reinen Reifenlagern oder Abstellflächen für rostige Autos verschwinden sehen, und dafür werden neue Standorte für Ruder- und Kanuvereine entstehen. Insofern lebt man in den Nachbarschaften nicht im Schatten der HafenCity, sondern es entstehen auch neue Möglichkeiten – nicht nur für Rothenburgsort, sondern auch für die Veddel, ohne dass die Menschen verdrängt werden. 

Wodurch soll der Optimismus bei den Menschen entstehen?Weil es für die Veddel möglich sein wird, durch die Bebauung des Grasbrooks und den Bau einer neuen U-Bahnhaltestelle einen  besseren Anschluss an Hamburg nördlich der Elbe und die großzügigen Grünanlagen des Grasbrooks zu erhalten. Wichtig wird auch sein, dass es voraussichtlich eine gemeinsame weiterführende Schule für die Veddeler und den Grasbrook geben wird. 

Jetzt sind wir gefühlt ungefähr im Jahr 2028 … ja! Man muss bei einer neu zu bauenden  Stadt in solchen Zeiträumen denken.

Wann wird Ihre Mission erfüllt sein?Nie. Stadt wird ja nicht gebaut, sondern im Sinne der Evolution entwickelt. Deshalb haben wir z.B. das Quartiersmanagement eingeführt, damit die Bewohner und Gewerbetreibenden ihre Ideen weitertragen können, auch wenn die HafenCity Hamburg keine Stadtteil-Verantwortung mehr tragen wird. Diese Möglichkeiten des Bürgerengagements  wollen wir dauerhaft schaffen. Diese soziale und nutzungsbezogene Veränderungsfähigkeit in der Stadt abzubilden, bietet eine große Chance. Würden wir Stadt einfach fertig bauen, wäre ich hier falsch am Platz. Wir müssen die Zukunftsoptionen der Stadt Hamburg  schaffen und zwar langfristig. Das wird dann die Qualität sein, an der ich mich am Ende meiner beruflichen Zeit messen lassen möchte. Das Gespräch führte  Wolfgang Timpe 

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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