Die pointierte US-Künstlerschau „Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol“ im neuen Bucerius Kunst Forum am Alten Wall
„3 Fragen an …“: HCZ-Autorin Dagmar Leischow sprach mit Museumsleiterin Dr. Kathrin Baumstark
Norman Rockwell? Dieser Name sagt wohl hierzulande allenfalls Lana-Del-Rey-Fans etwas, weil die US-Sängerin ihr jüngstes Album „Norman Fucking Rockwell“ nannte. Somit ist dieser Künstler der große Unbekannte in der Ausstellung „Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol“ im Bucerius Kunst Forum am Alten Wall.
(Foto oben: Jackson Pollock: Painting B, um 1950; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark Schenkung The Joseph and Celia Ascher Collection, New York; © Pollock-Krasner Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2019)
Würde diese Schau in den USA stattfinden, dann würde man die Dinge indes völlig anders sehen. In seiner Heimat war der Illustrator, der als Chronist Amerikas galt, ein Star. Berühmt gemacht haben ihn vor allem seine Titelblätter für die Saturday Evening Post. „Ich male das Leben so, wie ich es mir wünsche“, pflegte der Künstler zu sagen. Diese Philosophie brachte ihm durchaus auch Gegenwind ein. Er würde den amerikanischen Lebensstil zu sehr idealisieren, bemängelten einige.
Daraus zu schlussfolgern, Rockwell, dessen Werke jetzt zum ersten Mal in Deutschland gezeigt werden, sei vollkommen unkritisch gewesen, wäre jedoch falsch. Allein sein Bild „Picasso vs. Sargent“ von 1966 spricht Bände. Es greift die Frage auf, welche Kunst einen höheren Stellenwert hat – moderne oder traditionelle Malerei. Für Rockwell liegt das im Auge des Betrachters, präziser: Es hängt vom Alter des Museumsbesuchers ab. Für gewöhnlich hat die junge Generation zur Kunst halt einen etwas anderen Zugang als die ältere.
Solche Reflexionen haben Walt Disney vermutlich nicht so sehr beschäftigt. Mit Zeichentrickfilmen wie „Schneewitchen und die sieben Zwerge“ oder „Bambi“ rührte er die Menschen weltweit. Seine Zeichnungen und Storyboards eröffnen die Ausstellung, sie hängen an mintgrünen Wänden.
„Diese Pigmente, diese Farben, diese Formen“
Ein Pastellblau unterlegt Rockwells Kunst, Warhols Exponate lässt ein zartrosa Untergrund strahlen. „Ich habe mich vom Miami der 50er Jahre inspirieren lassen“, sagt Kathrin Baumstark, „von Cadillacs.“ Die künstlerische Leiterin des Bucerius Kunst Forums hat die Schau selbst kuratiert (s. Interview r.). Einzig Jackson Pollock präsentiert sie in einem White Cube: „Er bekam eine weiße Kathedrale.“ Diese bringt besonders eines ihrer Lieblingsbilder namens „Reflection of the Big Dipper“ („Reflexion des Großen Wagens“) zur Geltung: „Ich finde, man kann es stundenlang betrachten – diese Pigmente, diese Farben, diese Formen.“
Dieses Werk zählt zu den berühmten „Drip Paintings“, für die Pollock Farbe auf die am Boden liegende Leinwand tropfen ließ. Diese Technik stand ganz offensichtlich für Andy Warhols „Yarn Paintings“ von 1983 Pate.
Sie sind nicht so populär wie etwa seine Marilyn-Monroe-Siebdrucke. Die fehlen zwar in Hamburg, dennoch setzt die Kuratorin hauptsächlich auf Altbekanntes wie die Suppendosen, das Dollarzeichen oder Liz Taylor. All diese Motive wurden unendlich reproduziert. Denn Warhols Bilder sollten nicht einzigartig sein, er wollte mit ihnen in erster Linie Geld verdienen. Kathrin Baumstark bringt seine Maxime folgendermaßen auf den Punkt: „Warhol hat alle Grenzen der Kunst eingerissen.“
Was aber verbindet ihn mit Disney, Rockwell und Pollock? „Diese vier Pioniere haben das Bild Amerikas geprägt. Sie waren Geschichtenerzähler.“ Für Kathrin Baumstark vermittelten sie althergebrachte Werte wie Freiheit, Gleichheit und Demokratie: „Dafür stand Amerika einst. Vielleicht wird es eines Tages wieder dafür stehen.“ Dagmar Leischow
3 Fragen an …
Dr. Kathrin Baumstark
über den Umzug, die Arbeit in den neuen Räumen und ihre Zukunftsvisionen
1 Frau Baumstark, seit Juni sind Sie künstlerische Leiterin des Bucerius Kunst Forums und mit 36 Hamburgs jüngste Museumsdirektorin. Waren Sie immer schon ehrgeizig? Nein. Keiner studiert mit dem Gedanken Kunstgeschichte, Karriere zu machen. Man muss einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und eben auch den richtigen Job finden. Ich habe nicht so viele Talente. Aber das Kuratieren vereint alles, was ich kann. Ich habe einen Blick dafür, wie Bilder gehängt werden sollten. Ich schreibe gern Texte. Zudem macht es mir wahnsinnigen Spaß, als künstlerische Leiterin mit einem tollen Team zu kooperieren.
2 Welche Richtung wollen Sie mit dem Bucerius Kunst Forum in Zukunft einschlagen? Ich will gar nicht so viel anders machen als mein Vorgänger Franz Wilhelm Kaiser. Einfach weil ich denke, dass sich dieses Haus einen guten Ruf erarbeitet hat. Mir ist es wichtig, weiterhin auf kleine, konzentrierte Ausstellungen zu setzen, die die Leute wirklich mitnehmen. Jede Schau soll eine spannende Geschichte erzählen.
3 War das in den neuen Räumlichkeiten eine Herausforderung, als Sie „Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol“ kuratiert haben? Im alten Bucerius Kunst Forum hätten wir diese Ausstellung überhaupt nicht realisieren können, uns hätte für die 170 Exponate der Platz gefehlt. Ich hatte ja schon die Ehre, die erste Ausstellung „Here we are today“ kuratieren zu dürfen. Da habe ich mich für einen White Cube entschieden, alles war sehr clean. Nun gibt es pudrige Wandfarben, das sieht ganz anders aus. Dadurch erleben die Besucher einen Wow-Effekt. Dagmar Leischow
Dr. Kathrin Baumstark ist Kunsthistorikerin und künstlerische Leiterin des Bucerius Kunst Forums.