Der Schauspielhaus-Star Charly Hübner liest am So., 13. September, im Großen Saal der Elbphilharmonie aus Sinclair Lewis‘ „Das ist bei uns nicht möglich“ – im Rahmen des 12. Harbour Front Literaturfestivals
Charly Hübner ist Schauspieler. Der gebürtige Mecklenburger, der mit seiner Frau, der Schauspielerin Lina Beckmann, in Hamburg lebt, machte seine Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Berlin. Er gehört dem Ensemble des Deutschen Schauspielhauses an. Für seine Theaterrollen in „Onkel Wanja“ und „Schuld und Sühne“ wurde der 47-Jährige 2015 mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring geehrt. Einem breiten Publikum wurde er 2006 durch den Film „Das Leben der Anderen“ bekannt. Seit 2010 ermittelt er als brummeliger, mundfauler und zwielichtiger Kommissar Bukow im Rostocker „Polizeiruf 110“. 2015 erhielt er den Grimme-Preis für „Bornholmer Straße“. Warum er so erfolgreich ist, liegt auf der Hand: Dieser 1,92 Meter große Mann hat nicht nur das Herz am rechten Fleck, er ist in jeder Rolle glaubwürdig. Oft gibt er Antihelden. Wenn man ihm zuschaut, berührt einen besonders sein treuherziger Dackelblick – sei es auf der Leinwand, im Fernsehen oder auf der Bühne. Seine Fans finden ihn zugleich bodenständig und cool. Er ist eben einfach ein Pfundskerl.
Foto oben: Schauspieler, „Polizeiruf 110“- und Schauspielhaus-Hamburg-Star Charly Hübner liest beim Harbour Front Literaturfestival 2020 Passagen aus Sinclair Lewis‘ „Das ist bei uns nicht möglich“: „Na ja, es ist ein Buch, das erstaunlich wirkt, da es einem spiegelt, dass auch zu anderen Zeiten darüber geschrieben, gestritten und gebangt wurde, was die Menschheit am besten zusammenhält.“ © Peter Hartwig
Herr Hübner, an welchem Projekt arbeiten Sie gegenwärtig? Wir drehen grad eine neue Episode vom Rostocker Krimi und sind schon kurz vor dem erschreckenden Finale.
Wie fühlt es sich für Sie an, endlich wieder vor der Kamera stehen zu können? Für mich war es gar keine Änderung, da es im laufenden Jahr auch ohne Covid-19 mein erster Dreh gewesen wäre.
Charly Hübner gibt oft den Antihelden. Wenn man ihm zuschaut, berührt einen besonders sein treuherziger Dackelblick – sei es auf der Leinwand, im Fernsehen oder auf der Bühne. Seine Fans finden ihn zugleich bodenständig und cool. Er ist eben einfach ein Pfundskerl.
Wie sah Ihr Alltag während des Lockdown aus? Wir verbrachten bis Anfang Mai die Zeit in Hamburg, dann in Mecklenburg daheim zu fünft mit meiner Schwägerin, die in Zürich arbeitet. Und waren hin und hergerissen zwischen Zeit nutzen und sich neu inspirieren mit Büchern und Filmen und Sorge tragen, wann wir je wieder agieren dürfen. Das motivierte und nervte.
Was hat diese Erfahrung mit Ihnen gemacht? Das Ende meines Herkunftsstaates DDR ist in diesen Tagen neuerlich sehr präsent geworden, da es schon einst lehrte, dass nix für immer ist. So auch nun! Es gibt jetzt ein Vorher und ein Jetzt. Das Nachher werden wir erst in 5 Jahren beschreiben können – bis dahin gilt die alte Nebelregel: Auf Sicht fahren!
Haben Sie heute mehr Zukunftsangst als vor der Pandemie? Nein!
Wie sehr vermissen Sie momentan die Theaterbühne? Extrem! Der Gaukler will gaukeln, und der Theaterraum ist der offenste in einer Splittergesellschaft wie der unsrigen dieser Tage. Im Theater kann man schnell und unmittelbar den ganzen Wust an Gefühlen und Besserwisserei spielend bewegen.
Wie sind Sie damit umgegangen, dass die „Coolhaze“-Premiere im Deutschen Schauspielhaus wegen der Pandemie kurzfristig gekippt wurde? Ich taumelte wie ein Känguru, das bei vollem Speed gegen eine Stahlwand von Richard Serra gehopst ist. Die Eindrücke, die es brauchte, um die Premiere nach vorn zu tragen, liegen wie ein vergessener Schatz irgendwo in mir rum und wollen gespielt werden – geht aber nicht.
Wie wird es wohl sein, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln wieder Theater zu spielen? Das weiß ich nicht – aber Hauptsache wir spielen wieder. Eine Welt ohne Theater ist eine verschlossene Welt. Das ist dann vielleicht für Alleinherrscher schön – aber nicht für alle anderen.
Beim Harbour Front Literaturfestival lesen Sie Passagen aus Sinclair Lewis‘ „Das ist bei uns nicht möglich“. Wie gut passt dieser Roman in die Gegenwart? Na ja, es ist ein Buch, das erstaunlich wirkt, da es einem spiegelt, dass auch zu anderen Zeiten darüber geschrieben, gestritten und gebangt wurde, was die Menschheit am besten zusammenhält.
Mussten Sie an Donald Trump denken, als Sie dieses Buch gelesen haben? Klar. Ich hatte das Gefühl, Bannon oder wer auch immer hat ihm verkürzt erzählt, was da im Buch passiert – zumindest bis zum Wahlsieg der Populistenfigur Windrip – und ihm einfach Copy & Paste empfohlen. Hat ja dann auch geklappt!
Wird Trump die nächste Wahl gewinnen? Das kann ich hier aus der bescheidenen Hamburger Perspektive überhaupt nicht beurteilen.
Sie machen beim Harbour Front Literaturfestival zum zweiten Mal mit Ihrer Frau Lina Beckmann und Rocko Schamoni eine Jörg-Fauser-Lesung. Was reizt Sie an diesem Autor? Fauser war streng, lässig, direkt, sprachgewaltig und in seiner Neugier und Nähe zu den sozial Angezählten und Schwachen ein großherziger Kritiker der allumfassenden merkantilen Gesellschaftsidee.
Was zeichnet Fausers Marlon-Brando-Biografie aus? Der Text ist sprachmächtig, arrogant, lustig, listig und klug – und er lässt sich toll performen.
Was halten Sie von Marlon Brando und seinen Filmen? Marlon Brando war natürlich immer eine herrlich eitle, authentische und störende Inspiration. Aus seiner Zeit heraus hat er immer den Spagat zwischen Gefallsucht, Gereiztheit und Besserwisserei gesucht und blieb als Spieler vor einer Kamera sehr bestimmend und lässig – ob im „Paten“, im „Rebel“, im „Tango“, in „Missouri“ oder in „Apocalypse Now“. Diese Auftritte sind in ihrer herrischen Spiellust allesamt so eindrücklich, dass ich es immer wieder sehen will.
Für mehr Schlagzeilen als Brando sorgt derzeit Lisa Eckhart. Wie stehen Sie dazu, dass das Harbour Front Literaturfestival sie ausgeladen hat? Ich bin kein Kabarett-Gucker. Ich kenne Lisa Eckart nicht, hatte auch bisher keine Zeit, mich ausführlich mit ihrer Arbeit zu befassen und nehme nur zur Kenntnis, dass sie ausgeladen wurde. Das spricht immer erstmal für den oder die Ausgeladene – so eine Ausladung. Wenn eine Kabarettistin Tabus sucht, ist sie in jedem Fall nicht verkehrt im Milieu. Aber da ich ihre Texte nicht kenne und ich Harbour Front als feine Partner erlebe, kann ich gar nichts dazu sagen. Die Fragen stellte Dagmar Leischow.
INFO
• Charly Hübner liest am Sonntag, 13. September, 20 Uhr, im Großen Saal der Elbphilharmonie aus Sinclair Lewis‘ „Das ist bei uns nicht möglich“.
• Mit Lina Beckmann und Rocko Schamoni liest Charly Hübner am Donnerstag, 1. Oktober, 20 Uhr, im Deutschen Schauspielhaus Jörg Fausers „Marlon Brando – Der versilberte Rebell“.
Weitere Informationen unter http://www.harbourfront-hamburg.com