Jahrespressekonferenz 2021 der HafenCity Hamburg GmbH. Der im Oktober 2021 scheidende Chef Prof. Jürgen Bruns-Berentelg übergibt seinem Amtsnachfolger ein grünes Großstadterbe – für die Zukunft
Wie es sich für Corona-Zeiten gehört, kam der Satz des Tages auf der Jahrespressekonferenz 2021 der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) erstens digital als Videostream an die Öffentlichkeit und zweitens so beiläufig wie nur irgend möglich nach einem über einstündigen Vortrag: „Dies ist meine letzte Jahrespressekonferenz als Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH. In sieben Monaten wird mein Nachfolger Dr. Andreas Kleinau, der schon seit sechs Monaten als Mitglied der Geschäftsführung mitarbeitet, den Vorsitz übernehmen.“ Dieses eher leise, erste offizielle Tschüss von Jürgen Bruns-Berentelg alias „Mr. HafenCity“ – sein nach 18 Jahren erfolgreicher Stadtentwicklung erworbener Medientitel – kam en passant und mit größtmöglichem hanseatischen Understatement daher und wirkte in der Gesamtpressekonferenz zugleich wie ein: „Man geht ja doch nie so ganz“. Wird Bruns-Berentelg sich doch in unterschiedlichen Rollen oder Aufgaben im dann siebzigjährigen Unruhestand als wissenschaftlich grundierter Stadtplanungsmacher und Verwaltungsfachmann auch künftig zu Wort melden.
Foto oben: Klimaneutral geplanter Stadtteil Grasbrook: Dichte, nach innen lärm- und emissionsgeschützte Bebauung für 3.000 Wohnungen und 16.000 Arbeitsplätze mit Innenhöfen, begrünten Dächern und klimafördernden Grünfassaden (1); großzügige Parkanlage mit Sportplatz und ebenerdigem Schulhof (2); wassernahe Gewerbe-, Outdoorsport- und Freizeitnutzung unterm 500 m langen Solar-Glasdach am Moldauhafen (3); schwebende U4-Bahnstation „Grasbrook“ mit darunterliegender eigenständiger Radfahrer- und Fußgängerbrücke (4); extrem breite begrünte „Veddeler Brücke“ für Fußgänger und Radfahrer für die gegenseitige Direktanbindung von der Veddel und dem Grasbrook (5). © moka-studio / herzog de Meuron | Vogt
Dabei war Jürgen Bruns-Berentelg, als er 2003 die Führung der HCH übernahm, kein grüner Stadtentwicklungsvisionär. Doch der Klimawandel, die Nachhaltigkeits-DNA heutiger Generationen und die eigene persönliche Weiterentwicklung in 18 Amtsjahren haben immer öfter aus dem – durch Masterplan und Stadt vorgegebenen – HafenCity-Autostadt-Saulus den grün-verdichtenden Nachhaltigkeits-Paulus werden lassen. Persönliche Stadtentwicklung von „BB“ wie er im eigenen Unternehmen respektvoll kommuniziert wird.
Und eins will der Noch-Chef „Mr. HafenCity“ auch nicht unterschlagen wissen: sieben Monate ist er noch im Amt. Und die will er ganz offensichtlich noch nutzen, um der Stadt, dem Senat, den Bürgern und der künftig neu aufgestellten HafenCity Hamburg GmbH unter Neu-Chef Andreas Kleinau wichtige nachhaltige Leitlinien der Stadtentwicklung für Gesellschaft, Stadt und Klima ins Stammbuch zu schreiben. Motto: Die Großstadt wird immer mehr Menschen auf engstem Raum Wohnen, Leben und Arbeiten bieten müssen. Und zugleich muss die Großstadt auf den unveränderbar vorgegebenen, begrenzten Flächen größtmögliche grüne Lebensqualität und modernste Arbeitsumfelder entwickeln. Die Stadt als Bruns-Berentelgsches Nachhaltigkeits- und Zukunftslabor: vorwärts und verdichten.
Schließlich ist überall ein bisschen Singapur mit seiner Stadtstaat-Enge und zahlreichen vollbegrünten Fassaden und Recyclingkonzepten – gewünschterweise gerne ab sofort auch verstärkt in Hamburg. Wie der Vortrag von Andreas Kleinau in der Pressekonferenz über die Nachhaltigkeit des „Null-Emissionshauses“ der HCH verdeutlichte, soll es nach dem Willen der Macher der HafenCity Hamburg GmbH von der Grundstücksauslobung an eine „konsequente nachhaltige Planung“ von Bauen und Stadtentwicklung geben, die am Ende mit den neuen Gebäuden und Stadtteil-Projekten „klimaneutrale oder sogar klimanegative“ Bilanzen bietet. Dass diesen Zielen der HCH mehrheitlich kostenorientierte Baufirmen (schnell und preiswert) und renditeorientierte Bauherren (günstig bauen, teuer weiterverkaufen) heute noch existenziell entgegenstehen, beschreibt die Größe der Herausforderung für Mensch und Klima – verursacht doch weltweit u.a das Bauen rund 60 Prozent aller CO2-Emissionen. Auch deshalb ist etwa das Solitär-Hochhaus-Holzbau-Projekt „Moringa“ des Hamburger Unternehmens Garbe im Baakenhafen in Deutschland noch eine Premiere – im Rest des westlichen Europas und der Welt nicht.
Und es ist offenbar kein Zufall, dass sich in den Planungen und Prioritäten der HCH die Hierarchien wie auch die Vielzahl und Breite von Projekten verschoben haben. Steht doch neuerdings die HafenCity inzwischen nach den aktuellen HCH-Meilensteinen der vier „Stadtentwicklungsareale“ (Innovationsstadtteil Grasbrook, Science City Hamburg Bahrenfeld und Billebogen/Stadteingang Elbbrücken) an vierter Stelle – schlüssig. Denn in der inzwischen längst durchgeplanten HafenCity kann man in den kommenden fünf Jahren bis zur geplanten Eröffnung des Elbtowers noch an nachhaltigen Stellschrauben wie Lärm- und Schadstoffemissionen sowie Gebäuderecycling und sozialer Quartiersnachbarschaft drehen, aber klimaneutral im grünen Zukunftssinne kann der Vorzeigestadtteil nicht mehr werden.
Der HafenCity-Chef sieht deshalb generell und u.a. bei den drei neuen HCH-Großprojekten Grasbrook, Science City und Billebogen „neue Denkmöglichkeiten und neue Wege für die nachhaltige, gerechte und resiliente Stadt“. Das mache „in der jetzigen Zeit auch optimistisch für die Zukunft“, so Bruns-Berentelg. Und Co-Geschäftsführer Andreas Kleinau will die bisherige „Innovationskraft“ der HafenCity „nun weiter ausbauen und noch stärker mit den Chancen der Digitalisierung verknüpfen“, so der HCH-Cef in spe. Kleinau weiter: „Mit unserem neuen Unternehmenssitz ,Null-Emissionshaus’ sind wir, nun selbst ein Teil dieses ständig lernenden Innovationsprozesses.“
Die Pläne zur Realisierung des neuen Nachbarstadtteils Grasbrook zwischen Norderelbe und Moldauhafen soll die neuen strategischen Ziele der HCH verdeutlichen. So würde die robuste („resiliente“) Siegerarchitektur der Architekten Herzog & de Meuron dichtes („gerechtes“) Wohnen mit lichtdurchfluteten Standards für 3.000 Wohnungen ermöglichen – Spötter hingegen bezeichnen sie auch gerne als etwa unispirierte neue Blockarchitektur.
Und die sogenannte Freiraumplanung mit konsequenter Fußgänger-, Radfahrer- und E-Mobilitäts-Infrastruktur, mit Gründächern, Grünfassaden, Solarenergienutzung und dichter Baumbepflanzung sowie dem großzügigen Erholungspark am Moldauhafen soll das grüne Nachhaltigkeitspaket sein, das für die Anwohner:innen und die am Ende 16.000 Arbeitsplätze auf dem Grasbrook entwickelt wird. Im Gegensatz zur visionär angedachten Metropole Paris als „15-Minuten-Stadt“ der kurzen autoarmen Wege, soll der Grasbrook wie auch am vollendeten Ende die HafenCity nach Bruns-Berentelg eine „5-Minuten-Stadt“ der kurzen Smart-Mobility-Wege werden.
Ein weiteres Schlagwort spielt künftig in den aktuellen Stadt- und Freiraumplanungen wie auch schon jetzt zum Teil in der Umsetzung in der HafenCity eine Rolle: „Konnektivität“ oder wie es im verquirlten Stadtplanungsdeutsch heißt: die „physische Perforation stadträumlicher Grenzen“. Gemeint ist u.a. die direkte Anbindung von Nachbarschaften und Durchmischung der neu gedachten Stadtteile mit existerenden alteingesessenen Quartieren – auch durch Radfahrer- und Fußgänger-Brücken. Für die HafenCity soll zum Beispiel die Anbindung von Rothenburgsort durch die neue Entenwerder Brücke vom Elbbrückenquartier in den Entenwerder Park führen; die geplante Brücke vom Baakenhöft über die Norderelbe schafft die Verbindung auf den künftigen Grasbrook mit dem Deutschen Hafenmuseum. Völlig neu konzipiert wurde die extrem breite begrünte „Veddeler Brücke“, auf der man von der Nordveddel über die vierspurigen Bahngleise und Stadtautobahnspuren hinweg und unter der künftigen Hochbahnlinie U4 hindurch zum 500 Meter langen Kultur-, Sport- und Gewerbequartier unter einem neuen Glassolardach auf dem Grasbrook gelangt. Nutznießer sollen die jeweiligen Stadtteilbewohner sein und die soziale Durchmischung der Stadtteile erleichtern.
Pilotcharakter hat auch das Schulcampus-Projekt am Lohsepark, das für 1.500 Schüler:innen geplant wird und von Rothenburgsort, Grasbrook/Veddel und der HafenCity als weiterführende Schule genutzt werden soll – und die man über kurze Fahrrad-, Fußgänger- und Smart-Mobility-Wege erreichen kann.
Die HafenCity Hamburg GmbH will mit ihrer grünen Großstadt-Verdichtung und baulichen Nachhaltigkeit von Stadtplanung ihren Teil zur klimaneutralen Stadt Hamburg im Jahr 2040 beitragen – und zur nachhaltigen Lebensqualität in den Quartieren. Mögen Investoren, Bauherren und Politiker mitziehen, denn es ist kostentechnisch ein dickes Brett zu bohren. Hält doch zum Beispiel das Akzeptieren der Deutschen, dass gutes nachhaltiges Essen teuer sein muss, schon seit den 80er Jahren an – und ist immer noch kein Standard. Und altvordere Bauvorschriften behindern nachhaltige Holzbauweise. Wolfgang Timpe
Wachsende Stadt 2021: Die vier Stadtentwicklungs-Großprojekte für ein grüneres und digitaleres Hamburg
Grasbrook
• Fertigstellung der Funktions- und Freiraumplanung bis Sommer 2021
• Erste Maßnahmen zur Flächenfreimachung ab Frühling 2021
• Weiterführung der öffentlichen Beteiligung ab Sommer 2021
• Drucksache Vorbehaltsgebiet und städtebauliches Konzept
• Realisierungsplanung Freiraum / Grünräume; in der Freiraumplanung der öffentlichen Freiflächen sollen Wasserkreisläufe, Stadtklima und Biodiversität Eingang finden
HafenCity
• Baubeginn der Wohnungen im Überseequartier Süd seit Anfang 2021
• Baubeginn der Gemeinschaftshäuser im Mai 2021
• Eröffnung des Amerigo-Vespucci-Platzes am 29./30. Mai 2021
• Vorgezogene Baumaßnahmen Elbtower (B-Planungsstand §33/1)
• Baufortschritt rund um den Amerigo-Vespucci-Platz u.a. mit dem Co-Working-Space Edge und dem Vattenfall-Gebäude
• Präsentation des aktualisierten B-Plans 15, u.a. für das Überseequartier Süd
Billebogen / Stadteingang Elbbrücken
• Abschluss der Rahmen- und Funktionsplanung des Stadteingangs Elbbrücken (u.a. Rückbau der Autobahn-„Ohren“
• Erstellung und Veröffentlichung der B-Pläne
• Entwicklung des städtebaulichen Konzepts Billebecken
• Neue Anhandgaben von Grundstücken/Projekten
• Start von weiteren neuen Beteiligungsformaten für Anwohner und Gewerbetreibende
• Vorbereitungen zum Baubeginn der Entenwerder Fahrrad- und Fußgängerbrücke; geplante Eröffnung 2023/2024
Science City Hamburg Bahrenfeld
• Beginn des wettbewerblichen Verfahrens „Volksparkquartier“ ab Mitte 2021 mit Beteiligung
• Städtebauliche Überarbeitung der Planungen zum Innovationspark Altona
• Eröffnung des Informations-Centers Science City Hamburg Bahrenfeld (SCHB)
• Fortsetzung der Planungen zur Verlegung der Trabrennbahn nach Hamburg-Horn
• Beginn der der Vorplanungen der Erweiterung der S32-Bahnlinie mit neuen Stationen in der SCHB durch die Deutsche Bahn AG und die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende