Für Kuratorin Kathrin Baumstark vom Bucerius Kunst Forum keine Kapitalismuskritik: „Alfred Krupp hat das Bild tatsächlich so in Auftrag gegeben. Es soll belegen, dass Menschen Stahl bändigen können. Nicht einmal Teufel können sie dabei stören.“ © Heinrich Kley: Die Kruppschen Teufel, um 1912/13,LWL-Industriemuseum – Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur; Foto: LWL-Industiremuseum
Teuflische Zeiten

Wie wollen wir leben und arbeiten? Diese Frage stellt die Ausstellung „Moderne Zeiten. Industrie im Blick von Malerei und Fotografie“ im Bucerius Kunst Forum 

Präsentiert werden noch bis zum 26. September knapp 30 Gemälde plus rund 170 Fotografien von mehr als 100 Künstler:innen. Betritt man den ersten Raum, dann fragt man sich zunächst, ob vielleicht etwas mit der Beleuchtung nicht stimmt. Er wirkt nicht nur wegen der schwarzen Wände, die die Farbe der Kohle symbolisieren, dunkel, fast schon bedrückend. „Ohne Corona hätte ich alles noch enger gestaltet“, sagt Kathrin Baumstark. Die künstlerische Leiterin des Bucerius Kunst Forums hat die chronologisch geordnete Schau gemeinsam mit Ulrich Pohlmann kuratiert.
Foto oben: Für Kuratorin Kathrin Baumstark vom Bucerius Kunst Forum keine Kapitalismuskritik: „Alfred Krupp hat das Bild tatsächlich so in Auftrag gegeben. Es soll belegen, dass Menschen Stahl bändigen können. Nicht einmal Teufel können sie dabei stören.“ © Heinrich Kley: Die Kruppschen Teufel, um 1912/13,LWL-Industriemuseum – Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur; Foto: LWL-Industiremuseum

Während ihrer Führung merkt man, wie sehr sie für das Thema brennt. Anfangs seien die Gemälde und Fotos reine Auftragsarbeiten der Industrie gewesen, erzählt sie. Carl Ferdinand Stelzner etwa dokumentierte 1844 mit seinen Aufnahmen den Bau des Altonaer Bahnhofs. Andere Fotografen und Maler bekamen Aufträge von Alfred Krupp, der sich Bilder für Marketingzwecke zunutze machte. Hugo van Werden zum Beispiel lichtete „Die Krupp’sche Gussstahlfabrik“ 1864 für ein achtteiliges Panorama ab. Heinrich Kley wiederum malte um 1912/13 das Gemälde „Die Krupp’schen Teufel“. Wenn man es sich anschaut, scheint daraus harsche Sozialkritik zu sprechen. Die riesigen Teufel wirken wie ein Symbol für die Kapitalisten, die die hart schuftenden Arbeiter ausbeuten. Das sei allerdings ein Trugschluss, stellt Kathrin Baumstark klar: „Alfred Krupp hat das Bild tatsächlich so in Auftrag gegeben. Es soll belegen, dass Menschen Stahl bändigen können. Nicht einmal Teufel können sie dabei stören.“

Peter Kettmann: Vordere Abschlussbleche, aus der Serie: Eine Woche lang Volkswagenwerk, Wolfsburg 1953, Münchner Stadtmuseum, Stiftung F. C. Gundlach, Hamburg
Fotograf Peter Keetman verbrachte 1953 für seine gleichnamige Serie „Eine Woche im Volkswagenwerk“ (Ausschnitt), um die Montage des Käfers zu begleiten und produzierte zeitgenössische Kunst. © Peter Kettmann: Vordere Abschlussbleche, aus der Serie: Eine Woche lang Volkswagenwerk, Wolfsburg 1953, Münchner Stadtmuseum, Stiftung F. C. Gundlach, Hamburg

Ein weiterer Höhepunkt der Schau sind zwei Werke von Georg Friedrich Zundel: „Bildnis eines Schlossers“ von 1901 sowie „Streik“ von 1903. Diese beiden Bilder, die sich auf den Menschen konzentrieren und ihn beinahe lebensgroß darstellen, nehmen ganz offensichtlich die Neue Sachlichkeit vorweg. Anfang des 20. Jahrhunderts kritisierten immer mehr Künstler die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus. Hans Balutscheks „Arbeiterinnen“ etwa steht 1900 beim Verlassen der Fabrik die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben.

Nach 1945 regierte dann die sogenannte Subjektive Fotografie mit einer experimentell-abstrakten Bildsprache. Peter Keetman verbrachte 1953 für seine gleichnamige Serie „Eine Woche im Volkswagenwerk“, um die Montage des Käfers zu begleiten. Von dort ist es nur ein Katzensprung zur zeitgenössischen Fotografie, für die sich der Raum wieder öffnet. In diesem White Cube finden sich unter anderem die weltbekannten „Hochofenköpfe“ (1979-86) von Bernd und Hilla Becher. Besonders berührend ist Taslima Akthers Serie „Death of a Thousand Dreams“ von 2013, sie verweist auf den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch. Auf einer Aufnahme sieht man ein totes Paar, der Mann hält die Frau im Arm – dieses Foto wurde zum Bild des Jahres gekürt. Ähnlich eindringlich ist Thomas Ruffs „Maschine 0946“, die am Ende der Schau völlig für sich hängt und Maschinen wie Soldaten darstellt. Ohne Zweifel ist Automatisierung für diesen Fotografen nicht positiv grundiert. Dagmar Leischow
INFO Weitere Infos unter www.buceriuskunstforum.de

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