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David Stoop, MdB-Kandidat der Linkspartei für Hamburg-Mitte: „Wir sind keine Don Quijotes, die gegen imaginäre Windmühlen kämpfen, sondern eher Robin Hoods, die es den Reichen nehmen und allen zugutekommen lassen wollen.“ © Privat
»Auf Vermögen zugreifen«

David Stoop, stellvertretender Fraktionschef der Linkspartei in der Hamburger Bürgerschaft, kandidiert in Hamburg-Mitte für Berlin

Bundestagswahl am
So., 26. September 2021

Herr Stoop, was treibt einen 37-Jährigen Bürgerschaftsabgeordneten der Linkspartei nach Berlin? Das ist ganz einfach. Bei den Haushaltsverhandlungen in der Hamburger Bürgerschaft wurde uns ständig vorgehalten, dass unsere finanziellen Forderungen nur mit einer Vermögensteuer möglich sei, worüber die Entscheidung aber im Bund getroffen würde. Unser Handeln in Hamburg als Bürgerschaft wie als Linksfraktion hat also Grenzen und deswegen möchte ich im nächsten Bundestag mit für die Einführung der Vermögenssteuer kämpfen – und auch für die Wiedereinführung des Mietendeckels, denn bezahlbare Mieten wären mein zweiter Schwerpunkt bei einer möglichen Arbeit in Berlin.
Foto oben: David Stoop, MdB-Kandidat der Linkspartei für Hamburg-Mitte: „Wir sind keine Don Quijotes, die gegen imaginäre Windmühlen kämpfen, sondern eher Robin Hoods, die es den Reichen nehmen und allen zugutekommen lassen wollen.“ © Privat

Die SPD will doch auch eine Vermögenssteuer. Wo unterscheiden Sie sich? Wir sind froh, dass inzwischen auch die SPD für eine Wiedererhebung der Vermögenssteuer ist, die sie selbst hat ruhen lassen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht u.a. wegen Bemessungsgrundlagen für Immobilienbesitz aus den 50er Jahren eine Neuregelung gefordert hatte. Das hat die SPD nicht getan, sondern es einfach bislang ausgesessen. Wir fordern neben der Wiedereinführung der fortlaufenden Besteuerung von einem Prozent auf große Vermögen obendrauf noch eine einmalige Vermögensabgabe für Superreiche, die die Mittel u.a. für Corona-Hilfen und wegfallende Steuern durch die Pandemie erbringen soll und die dann gestaffelt zurückgezahlt werden kann. 

David Stoop, Stellvertretender Fraktionschef Die Linke und ihr Haushaltssprecher in der Bürgerschaft: „Also, die Vermögensbesteuerung macht erstens weniger Schulden möglich, da man die Einnahmen erhöht von denen, die es haben. Das größte Schuldenmachkonzept kommt von der FDP, weil die die Steuern senken wollen, ohne zu erklären, wie sie es finanzieren wollen und ausschließlich auf das von ihnen selbst prognostizierte Wirtschaftswachstum setzen.“ © Privat
David Stoop, Stellvertretender Fraktionschef Die Linke und ihr Haushaltssprecher in der Bürgerschaft: „Also, die Vermögensbesteuerung macht erstens weniger Schulden möglich, da man die Einnahmen erhöht von denen, die es haben. Das größte Schuldenmachkonzept kommt von der FDP, weil die die Steuern senken wollen, ohne zu erklären, wie sie es finanzieren wollen und ausschließlich auf das von ihnen selbst prognostizierte Wirtschaftswachstum setzen.“ © Privat

Da sind Sie ja mitten im Wahl-Wespennest: Wähler:innen, unabhängig von Einkommen und Vermögen, mögen keine zusätzlichen Belastungen und bestrafen das in der Regel mit einem Nicht-Kreuz auf dem Wahlzettel. Warum dieses Thema? Wer wird denn belastet und wer nicht? Wenn der Staat sich Einnahmen verschaffen kann, schmeißt er die ja nicht in die Elbe, sondern das kommt vielen Menschen durch sinnvolle Ausgaben zugute. Wir stellen doch eine sehr hohe Konzentration von Vermögen auf Wenige fest. Die 45 reichsten Familien besitzen genau so viel wie die unteren 50 Prozent der Bevölkerung …

… das war doch immer ähnlich in den vergangenen Jahrzehnten … Ja und nein, denn nach dem 2. Weltkrieg haben sich die Steigerungen der Löhne zeitweise dem Produktivitätswachstum angeglichen und das fällt durch die Globalisierung wie auch durch die Pandemie wieder sehr stark auseinander. Deshalb konnten die Milliardär:innen in der Krise ihre Vermögen deutlich steigern. Auf diese gesteigerten Vermögen muss zugegriffen werden, um das Notwendige für die Gesellschaft zu finanzieren. 

David Stoop ist Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter der Fraktion Die Linke. Der 37-Jährige ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Haushalt, öffentliche Unternehmen, Gewerkschaften und Europa. David Stoop studierte Sozialwissenschaften, Englisch und Deutsch an der Uni Köln und im britischen Durham. Gebürtig aus Oberberg im Bergischen Land ist er u.a. Angestellter im ver:di-nahen Bildungswerk Deutsche Angestellten Akademie (DAA), wo er sich im Betriebsrat engagierte. In Hamburg begann sein politischer Weg als Bezirksvorstand der Linken in Mitte, dann war er Landesvorsitzender bis 2020 und ist jetzt im Fraktionsvorstand in der Bürgerschaft.

Damit haben Sie ein klassisches Linksparteithema, das der Partei jedoch in Bund und Ländern keine Wahlerfolge beschert hat. Warum setzen Sie darauf? Das stimmt, in den Umfragen stehen wir für die Bundestagswahl noch nicht da, wo wir hinwollen, da ist noch Luft nach oben. Das liegt jedoch nicht an der Forderung nach einer Vermögenssteuer oder einem Mietendeckel, zu der es in der Bevölkerung eine Zustimmung um die 70 Prozent gibt. Zurzeit stehen andere Themen stärker im Fokus. Fakt ist aber, dass zum Beispiel die CDU die Schuldenbremse wieder einführen und keine Steuern erhöhen will. Also muss bei sinkenden Steuereinnahmen und den weiteren Kosten der Pandemie kräftig gespart werden. Das heißt doch: Wir bekommen künftig wie in Hamburg schon angekündigt mit sozialen Kürzungshaushalten zu tun, also zum Beispiel Personalstillstand oder -abbau in der wachsenden Stadt Hamburg. Das ist der falsche Weg für uns Linke und für mich. Die großen Vermögen sind da und wir müssen darauf zugreifen. 

Sie sind ja Haushaltsexperte Ihrer Fraktion in der Bürgerschaft. Immer mehr Schulden machen ist doch kein Konzept? Also, die Vermögensbesteuerung macht erstens weniger Schulden möglich, da man die Einnahmen erhöht von denen, die es haben. Das größte Schuldenmachkonzept kommt von der FDP, weil die die Steuern senken wollen, ohne zu erklären, wie sie es finanzieren wollen und ausschließlich auf das von ihnen selbst prognostizierte Wirtschaftswachstum setzen. Wir müssen uns zweitens von der Schuldenbremse verabschieden, weil wir jetzt gegen den Klimawandel investieren sowie eine Verkehrs- und Energiewende hinbekommen. Das sind massive Investitionen in die Zukunft und zukünftige Generationen, die notwendig sind. Die Frage ist doch: Hinterlassen wir den Kindern und Enkeln ein gewisses Maß an Schulden oder eine Infrastruktur, die zur Klimakatastrophe führt. Diese Investitionen werden sich mittel- und langfristig rechnen. Dann kann man Flutkatastrophen wie jetzt in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern verhindern. Wir müssen unsere Infrastruktur ökologisch und klimafest machen, zumal wir ja zurzeit extrem günstige Zinsen haben. 

Dann müssten Sie mit dem Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks in Hamburg hochzufrieden sein? Nicht ganz zufrieden. Es gibt zwar zwei ausgewiesene autofreie Zonen und Investitionen ins Radwegenetz, was wir im Prinzip richtig finden, aber anders als die Grünen denken wir die Verkehrswende vom Ende her. Man muss Verkehrsthemen mit sozialen Themen zusammendenken. Erstaunlicherweise fordern wir zusammen mit der CDU das 365-Euro-Ticket für Hamburg, ein günstiges Ticket für den Gesamtverbund, damit mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr aus ökologischen Gründen nutzen können und umsteigen, müssen wir es ihnen auch sozial ermöglichen. 

Mitwelchem Thema wollen Sie überzeugen? Mein Herzensthema ist die gewerkschaftliche Schiene. Da ist mit der Ausweitung der Leiharbeit, die Tariflöhne unter Druck gesetzt hat, wie auch die Dauerverlängerungen von befristeten Verträgen schon seit Rot-Grün vieles in die falsche Richtung gelaufen. Das korrigiert die SPD nur alibihaft. Wir wollen Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen abschaffen, weil sie in der Praxis nur dazu dienen, Löhne zu drücken. 

Sie hätten auch Lehrer werden können. Warum Politiker mit Gewerkschafter-Leidenschaft? Für mich gehören Politik und Gewerkschaft ganz enge zusammen, weil es neben den Unternehmensthemen bei betrieblicher Mitbestimmung eben in den Gewerkschaften vor allem auch um gesellschaftliche soziale Themen geht. 

Sind Sie ein politischer Don Quijote, der privat Rocker ist und Heavy Metal liebt? Wir sind keine Don Quijotes, die gegen imaginäre Windmühlen kämpfen, sondern eher Robin Hoods, die es den Reichen nehmen und allen zugutekommen lassen wollen. Und ja, ich stehe auf harte Musik. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

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