Das Eckgrundstück des für 2024 geplanten Null-Emissionshauses der HafenCity Hamburg GmbH ist für Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, „ein einzigartiger Ort, der sich von anderen in der HafenCity „deutlich unterscheidet“. © Heinle Wischer und Partner, freie Architekten
Null-Emissionshaus: Trickst die Behörde?

Die 54. Sitzung der Stadtentwicklungskommission debattierte über das Null-Emisssionshaus, den HafenCity Bebauungsplan 18 und nicht veröffentlichte Gutachten. Ergebnis: Fragen über Fragen

Ein besonderer Ort, ein einzigartiger Ort. Ein Ort, der „sich deutlich unterscheidet“ von der Blockrandbebauung in der HafenCity, so SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf aus der Hamburgischen Bürgerschaft. „Soll diese Einzigartigkeit so bleiben?“, fragte er die Vertreter:innen der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Oder solle dort die übliche Blockrandbebauung entstehen, allerdings jedoch noch drei Meter höher als üblich? 
Foto oben: Das Eckgrundstück des für 2024 geplanten Null-Emissionshauses der HafenCity Hamburg GmbH ist für Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, „ein einzigartiger Ort, der sich von anderen in der HafenCity „deutlich unterscheidet“. © Heinle Wischer und Partner, freie Architekten

„Soll diese Einzigartigkeit des Orts so bleiben?“, fragte SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Dirk Kienscherf die Vertreter:innen der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Oder soll es Blockbebauung werden? (siehe rot markierter Bereich? © Fotofrizz Kuhn | HafenCity Hamburg
„Soll diese Einzigartigkeit des Orts so bleiben?“, fragte SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Dirk Kienscherf die Vertreter:innen der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Oder soll es Blockbebauung werden? (siehe rot markierter Bereich? © Fotofrizz Kuhn | HafenCity Hamburg

Die Frage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten traf ins Zentrum der Diskussion bei dieser 54. Sitzung der Kommission für Stadtentwicklung, in der über die öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs HafenCity 18, B-18, abgestimmt werden sollte. Fragen waren u.a.: Braucht es vor dem Heizkraftwerk in der Straße Am Dalmannkai tatsächlich einen 7.200 Quadratmeter großen Neubau für die HafenCity Hamburg GmbH (HCH)? Und muss der über die Grundstücksgrenze in den Straßenraum hineinragten und eine Etage höher sein als die umliegende Wohnbebauung am Dalmannkai? 

Dr. Andreas Kleinau, HCH-Geschäftsführer und Projektverantwortlicher für das Null-Emissionshaus: „Wir glauben, dass wir mit dem Gebäude Qualitäten für unsere Arbeit schaffen, die sonst nicht so verfügbar sind.“ © Heinle Wischer und Partner, freie Architekten
Dr. Andreas Kleinau, HCH-Geschäftsführer und Projektverantwortlicher für das Null-Emissionshaus: „Wir glauben, dass wir mit dem Gebäude Qualitäten für unsere Arbeit schaffen, die sonst nicht so verfügbar sind.“ © Heinle Wischer und Partner, freie Architekten

Gegen den Neubau hatte es zuvor in der öffentlichen Plandiskussion erheblichen Widerstand aus der Nachbarschaft gegeben. Es wurde u.a. eingewandt, dass die Belichtung der Wohnungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite sich verschlechtere und das Umspannwerk im Keller des Gebäudes gesundheitsschädlichen Elektrosmog produziere. Der Umweltverband NABU hatte zusätzlich auf die schützenswerten Bäume auf dem Gelände, die geschützten Haussperlinge und das Austernfischerpaar hingewiesen, das auf dem Dach des Heizkraftwerks brütet. 

Der künftige Chef der HafenCity Hamburg GmbH, Dr. Andreas Kleinau, und für den Bau verantwortlich, wurde in der Sitzung von der Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann (Die Linke) gefragt, ob denn aufgrund des veränderten Arbeitens nach der Corona-Pandemie auch bei der HCH mehr Homeoffice geplant sei? Ja, zwanzig Prozent weniger Arbeitsplätze vor Ort würden gebraucht werden, antwortete Kleinau. Von den geplanten sieben Etagen wolle die HCH wie geplant nur drei nutzen. 

Ist das Konzept der Biodiversität Nutzerorientiert für die Anwohner:innen umgesetzt? Architektin Iris neitmann: „Eine partiell begrünte, städtische Fläche soll für Büroflächen neu und vollständig über 90 m Länge überbaut werden. C02-Bindung? Hitzevorsorge? Schnelle Aufnahme und Speicherung von Regenwasser? Attraktiv und nachhaltig? © Iris Neitmann
Ist das Konzept der Biodiversität Nutzerorientiert für die Anwohner:innen umgesetzt? Architektin Iris neitmann: „Eine partiell begrünte, städtische Fläche soll für Büroflächen neu und vollständig über 90 m Länge überbaut werden. C02-Bindung? Hitzevorsorge? Schnelle Aufnahme und Speicherung von Regenwasser? Attraktiv und nachhaltig? © Iris Neitmann

Für den überwiegenden Teil der Bürofläche müssen also später Mieter gefunden werden. Während andere Unternehmen schrumpfen und auf Büros verzichten, ist der Bedarf an Baugrund für das „Null-Emissionshaus“ seit Mai um 50 Prozent gewachsen, von 1.500 auf 2.100 Quadratmeter. Das brachte Sudmann zur Nachfrage, warum die HCH denn nicht eine der vielen freien Gewerbeflächen in der HafenCity miete, das sei, so die Abgeordnete, bei inzwischen üblichen 15 Euro Kaltmiete sicherlich viel preiswerter als ein Neubau. Kleinau antwortete: „Wir glauben, dass wir mit dem Gebäude Qualitäten für unsere Arbeit schaffen, die sonst nicht so verfügbar sind.“ Die Vertreterin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sprach von einer „passgerechten“ Lösung, sozusagen den Maßanzug für die HafenCity Hamburg GmbH statt des Modells von der Stange. 

Ihren Maßanzug hat die HCH schon im April bei einem Architekturwettbewerb gefunden: das sogenannte „Null-Emissionshaus“ des Büros Heinle, Wischer und Partner. Bäume und Hecken rund um das Kraftwerk sollen verschwinden, dafür sollen an drei Gebäudeseiten Pflanzen nach oben ranken, und das Dach wird zu einem Drittel begrünt. Auf dem Rest der Dachfläche steht eine Solaranlage. 

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling bekam keine zufriedenstellenden Auskünfte von der BSW zu Emisssionsfragen. Wie viel Strahlung die Nachbarn und die Kitas in der Umgebung also pro Tag durch den Trafo für Kreuzfahrtschiffe im Keller des Gebäudes  ausgesetzt sein werden, weiß zurzeit niemand. © Thomas Hampel | HafenCity Hamburg
Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling bekam keine zufriedenstellenden Auskünfte von der BSW zu Emisssionsfragen rund um den Landstromanschluss im Keller des Gebäudes.. Wie viel Strahlung die Nachbarn und die Kitas in der Umgebung also pro Tag durch den Trafo für Kreuzfahrtschiffe ausgesetzt sein werden, weiß niemand. © Thomas Hampel | HafenCity Hamburg

Kopfschütteln gab es bei der Sitzung darüber, dass die Stadtentwicklungsbehörde entgegen dem Transparenzgesetz die technischen Gutachten zu Licht, Lärm, Verkehr oder Wind vor der Sitzung weder den Abgeordneten noch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hatte. Und so mussten die Behördenvertreter:innen immer wieder Nachfragen der Bürgerschaftsabgeordneten zu den Gutachten beantworten. 

Wie sich dabei zeigte, waren offensichtlich viele Einwände der Nachbarschaft in der Öffentlichen Plandiskussion begründet. In den unteren Stockwerken des gegenüberliegenden Wohngebäudes am Dalmannkai wird beispielsweise die nach der Din 5034 vorgeschriebenen einen Stunde Sonnenlicht am 17. Januar nicht erreicht. Der Behördenvertreter freute sich deshalb darüber, dass die Norm im vergangenen Monat abgeschafft und durch den Bezug auf eine EU-Norm ersetzt worden sei. Die verlange vier Stunden Sonnenlicht am 20. März – und das werde eingehalten. Um das zu erreichen, mussten aber die obersten beiden Etagen „optimiert“ und weiter zurückgesetzt werden. 

Im Keller des Gebäudes ist ein Umspannwerk geplant, also ein Trafo für die Landstromversorgung der Kreuzfahrtschiffe. Zum dadurch entstehenden Elektrosmog stellte die CDU-Abgeordnete Anke Frieling Fragen. Die Antwort: Um zu ermitteln, ob der Trafo später genehmigungsfähig ist, wurde ein Gutachten zur elektromagnetischen Strahlung angefertigt. Das Gutachten, das die Dauerbelastung für die Menschen nach dem „Hamburger Vorsorgewert“ ermittelt, hatte die Behörde aber nicht in Auftrag gegeben. Wie viel Strahlung die Nachbarn und die Kitas in der Umgebung also pro Tag durch den Trafo ausgesetzt sein werden, weiß zurzeit niemand. Trotzdem, so drängte Kleinau, solle schnell der Bebauungsplan in Kraft gesetzt werden, um Fördergelder für den Landstromanschluss beantragen zu können. 

Doch so flott wird es mit der Auslegung des Bebauungsplans nicht gehen. Denn die Abgeordneten von CDU und Linken wollten nicht einen Entwurf durchwinken, ohne die Gutachten zu kennen, auf denen er basiert. Und so wird nun bei der nächsten Sitzung Mitte Oktober weiterdiskutiert. Vielleicht auch über die Frage, ob das wahre „Null-Emissionsgebäude“ das ist, das gar nicht erst gebaut wird. Jonas Meyer

Mehr Informationen unter Null-Emissionshaus

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