Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing über den innovativen Stadtteil Grasbrook, den Befreiungsschlag an der Willy-Brandt-Straße und die wachsende HafenCity
In Wilhelmsburg, diesem ruppig-schönen Stadtteil im Süden Hamburgs, ist der wichtigste Mann für die bauliche und städteplanerische Zukunft der Stadt zu Hause: Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor. Hier, in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, sitzt seit vier Jahren der Baumeister der Stadt in einem schlicht ausgestatteten Büro mit großem Schreibtisch für viele Aktenstapel und einem unprätentiösen runden Konferenztisch, geöffnet hin zu einer halbrund geschwungenen, großzügigen Fensterfront. Trotz seines supereng getakteten Terminkalenders gibt Franz-Josef Höing seinem Gegenüber jederzeit das entspannte empathische Gefühl, gerade das wichtigste Thema zu sein. Seine innere Balance und ruhige Ausstrahlung können täuschen, der Mann kann auch Kante: „Zu strategischen Fragen wie etwa der Weiterentwicklung des Hafens werden wir uns natürlich auch mit unserer Expertise einbringen.“ Lernen Sie den Stadt- und Stadtteilmacher mal kennen:
Foto oben: Oberbaudirektor Franz-Josef Höing zur Motto-Frage „2025 – kann Hamburg Zukunft?“ der HafenCity Zeitung: „Diese Stadt hat über lange Zeit einen inneren Kompass bewiesen. Sie hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie die richtigen Antworten auf fordernde Fragen hat – und diese auch umsetzt.“ © Catrin-Anja Eichinger
Herr Höing, wir haben der Doppelausgabe Dezember/Januar unserer HafenCity Zeitung eine Motto-Frage gegeben: „2025 – kann Hamburg Zukunft?“. Was sagt der Oberbaudirektor dazu? Diese Stadt hat über lange Zeit einen inneren Kompass bewiesen. Sie weiß, was sie will. Sie hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie die richtigen Antworten auf fordernde Fragen hat – und diese auch umsetzt. Derzeit sind erneut einige große Projekte in Planung, angefangen vom Grasbrook über die Magistralen und den Stadteingang Elbbrücken bis hin zur ‚Science City‘ in Bahrenfeld. Und natürlich sind auch die Zukunft des Hafens und die Weiterentwicklung der Stadt als Wissenschaftsstandort Themen, mit denen wir uns befassen. Insofern kann man der Stadt selbstverständlich attestieren, dass sie Zukunft hat und Zukunft kann.
Wo sehen Sie als Oberbaudirektor Ihre Rolle bei der Entwicklung des Hafens? Unsere Behörde wird in zentralen Zukunftsfragen für die Stadt gut eingebunden und dort, wo es um bauliche Fragen geht, haben wir sicherlich die federführende Rolle. Zu strategischen Fragen wie etwa der Weiterentwicklung des Hafens werden wir uns natürlich auch mit unserer Expertise einbringen.
Natürlich sind auch die Zukunft des Hafens und die Weiterentwicklung der Stadt als Wissenschaftsstandort Themen, mit denen wir uns befassen. Insofern kann man der Stadt selbstverständlich attestieren, dass sie Zukunft hat und Zukunft kann.“
Franz-Josef Höing
Im Hafen gibt es harte Brocken. Fühlen Sie sich kampffähig mit dem Hafenunternehmer-Präsidenten Gunther Bonz? Kampffähig muss man nicht sein. Es gibt unterschiedliche Blickwinkel und jeder hat seine Rolle, deshalb sollte man immer bereit sein, auch die Perspektive des jeweils anderen anzunehmen. Ich bin da ganz gelassen und freue mich auf kommende Gespräche.
Im kleinen Architektur-Mobiliar der Innenstadt wurde gerade die knapp 40 Jahre alte blaue Cremonbrücke abgerissen, vor rund 2,5 Jahren die City-Hochhäuser. Geht Hamburg schluderig mit seinen architektonischen Preziosen um? Die Brücke ist für sich genommen eine interessante Brücke, aber auch ein Kind ihrer Zeit, weil sie für eine autogerechte Stadt steht. Für mich ist wichtig, dass wir den ‚Gesamtraum Stadt‘ und hier u.a. den Hopfenmarkt wieder in den Fokus nehmen und den Bezug zwischen der Kern-Innenstadt, der Cremoninsel und die Verbindung zur HafenCity wieder herstellen. Wir wollen den Hopfenmarkt so gestalten, dass er als Platz und als Ort mit Aufenthaltsqualität wieder wahrnehmbar wird. Die Cremonbrücke hat bisher den Zugang auf den Hopfenmarkt mit einem großen Brückenfuß verstellt. Insofern ist ihr Abriss auch ein bisschen ein Befreiungsschlag, obwohl das Blaue Wunder natürlich ein Stück Hamburger Baukultur dargestellt hat.
Bekommt die Cremonbrücke eine Nachfolgerin oder wird es zur Verbindung vom Hopfenmarkt in die HafenCity eine neue Querung über die dort achtspurige Willy-Brandt-Straße geben? Ja, die Willy-Brandt-Straße bekommt eine ebenerdige Querung. Da der Verkehr auf und rund um den Hopfenmarkt so dominant ist, dass dieser als Platz momentan nicht mehr gesehen wird und benutzt werden kann, wirkt er quasi wie ein Dienstboteneingang der Stadt. Das wollen wir ändern und den Platz in einem wettbewerblichen Verfahren zeitnah aufwerten. Über die gesamte Gestaltung der Platzoberflächen hinaus gibt es die Idee eines „archäologischen Fensters“, das die bedeutenden Funde unterhalb der Kirche St. Nicolai sichtbar macht. Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass wir den gesamten Autoverkehr von der Willy-Brandt-Straße verbannen können, der wird uns noch eine ganze Zeit lang begleiten.
Der neue Stadtteil Grasbrook hat’s da einfacher, wird komplett neu entwickelt. Er soll nach Wunsch der HafenCity Hamburg GmbH eine Blaupause für grünes, urbanes und nachhaltiges Wohnen und Arbeiten in einem Großstadtquartier werden. Wie sieht das neue Wohnen künftig dort aus? Beim Stichwort Blaupause bin ich immer vorsichtig. Ich glaube nicht, dass man Dinge, die sehr spezifisch für diesen Stadtteil entwickelt worden sind, auf andere Quartiersentwicklungen übertragen kann. Das Wohnen auf dem Grasbrook wird alles andere als konventionell sein, sondern ziemlich neu für Hamburg. Es ist eben nicht der klassische Block, der dort gebaut wird. Wir haben es mit groß geschnittenen Baufeldern zu tun, auf denen die einzelnen Häuser versetzt auf Lücke gebaut werden. Die Häuser selbst sind imposant in ihren Abmessungen, sowohl in ihrer Höhe als auch in der Tiefe, das ist in Hamburg bislang beispiellos. Es ist ein neuer Maßstab, den wir auf dem Grasbrook einführen. Einerseits dicht und hoch, andererseits schaffen die Lücken zwischen den Bebauungen eine optimale Belichtung in den Erdgeschossen sowie unterschiedliche Blickbeziehungen – nicht nur in den Innenhof, sondern auch zwischen den Häusern in den Park hinein zum Beispiel. Auch die Straßen werden besser belichtet, weil immer wieder Sonnenstrahlen durchfallen können.
Aber der Block-Eindruck herrscht in den bisherigen Entwürfen vor. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sehr ungewöhnliche Gebäude sein werden. Es gibt spezifische Haustypologien, insbesondere entlang der Elbe vis à vis der HafenCity, die einerseits einen spektakulären Blick haben und andererseits viel Lärm von den Elbbrücken abbekommen. Dafür haben wir einen neuen Haustypus entwickelt, der in der Ausrichtung der einzelnen Fassaden sehr genau auf die Erfordernisse, die sich aus dem Lärmschutz ergeben, eingeht.
FRANZ-JOSEF HÖING ist Stadtplaner und seit vier Jahren Oberbaudirektor in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg. Der 56-Jährige übernahm die Aufgabe von seinem Vorgänger Jörn Walter, der das Amt 18 Jahre lang ausübte und bei dem Höing vier Jahre lang als persönlicher Referent gearbeitet hat. Der Münsterländer, geboren in Gescher / Nordrhein-Westfalen, studierte Raumplanung an der Universität Dortmund und war dann Assistent am Institut für Städtebau und Raumplanung der Technischen Universität Wien. Nach Stationen in Bremen als Senatsbaudirektor (2008-2012) und in Köln als Dezernent für Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr (2012-2017) übernahm er am 1. November 2017 die Aufgabe in Hamburg. Franz-Josef Höing wohnt in Hamburg-St. Georg. „Ich fände es gut, weil nachhaltige Architektur schlichtweg andere Häuser hervorbringt, wenn der Stadtteil Grasbrook eine andere neue Architektursprache befördern kann.“ © Catrin-Anja Eichinger
Die Verdichtung ist in Hamburg Programm, weil die Stadt jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen bauen will. Ja, eine sinnvolle Dichte ist Programm. Der Grasbrook hat aber auch eine schöne Großmaßstäblichkeit mit der Nähe zum Fluss und den weiten Blicken, die eher eine dichte Bebauung erlaubt als es an anderen Orten in der Stadt angemessen umgesetzt werden kann. Deshalb eignet er sich auch nicht – wie schon erwähnt – als Blaupause.
Wird die Lebensqualität dort besser als heute im Baakenhafen? Der Baakenhafen hat eine eigene Logik und durchaus Lebensqualität – beim Grasbrook wird es aber schlichtweg anders sein. Auch hier ging es nie darum, die HafenCity zu kopieren. Der Grasbrook ist ein eigenständiger neuer Stadtteil, architektonisch gibt es die Idee eines sogenannten ‚hölzernen Stadtteils‘. Was wir geplant haben, unter anderem die Holzfassaden der Gebäude, hat etwas sehr Nahbares, es ist fast wie ein Lächeln, es strahlt Wärme und Haptik aus. Mir ist wichtig, dass wir nicht nur über Bruttogeschossflächen und die Anzahl von Wohneinheiten reden. Ich fände es gut, wenn der Stadtteil auch einen architektonischen Beitrag leistet, nicht nur im optischen Sinne, sondern weil nachhaltige Architektur schlichtweg andere Häuser hervorbringt und eine andere, neue Architektursprache befördern kann.
Führt die Vorgabe des Senats zu verdichtetem Wohnen und zum Bau von 10.000 Wohnungen im Jahr zu gebremster Architekten-Fantasie? Eindeutig: nein. Es ist gut, einen städtebaulichen Rahmen zu definieren und innerhalb dieses Korridors gibt es genügend Freiheiten, sich architektonisch auszuprobieren. Daran habe ich keinen Zweifel. Eine klare städtebauliche Grundhaltung ist unter anderem das Erfolgsrezept der HafenCity gewesen. Das haben wir für den Grasbrook übersetzt, mit anderen Haustypologien, aber mit einer klaren Handschrift.
Wie viel neue Lebensqualität kann mit dem Wohnen auf dem Grasbrook entstehen? Es gibt dort keine schlechten Lagen, das ist schon erstaunlich! Jede Lage ist extrem interessant, das gilt sowohl für das Hafentorquartier, wo Moldau- und Saalehafen zusammentreffen, als auch für die Lagen am großen Park oder zu den großzügigen Innenhöfen hin. Es gibt nur erste Reihen, das finde ich spektakulär.
Haben Sie Glück, dass auch die U4-Bahn von der Station Elbbrücken aus jetzt über die Norderelbe auf den Grasbrook und in den Hafen verlängert wird? Nun, das hat ja nichts mit Glück zu tun, sondern ist von langer Hand geplant worden. Es war immer klar, dass ein neuer Stadtteil dort nur Erfolg haben kann, wenn er leistungsstark an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist. Und jetzt denken wir in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen darüber nach, die U-Bahn sogar noch weiter in Richtung Wilhelmsburg zu führen.
Die Hafenunternehmen, vertreten u.a. durch ihren Verbandschef Gunther Bonz, meckern, dass die Auflieger-Schiffe auf der Norderelbe weg und der Hafenlärm (u.a. die Autoverladung der Grimaldi Lines) reduziert werden müssen. Können Hafenwirtschaft und Wohnen in direkter Nachbarschaft überhaupt zu neuer Lebensqualität führen? Wir haben uns mit der Hafenwirtschaft auf die jetzt zur Verfügung stehenden Fläche geeinigt und das ist völlig in Ordnung so. Es ist eine nennenswerte Größenordnung, die uns jetzt auf dem Grasbrook für den Bau von Wohnungen zur Verfügung steht. Wir haben dafür mit einem großen Aufwand und einer Vielzahl von beteiligten Planerinnen und Planern und Behörden in den vergangenen drei Jahren ein Konzept entwickelt. Daraus ist ein kluges, substanzielles Planwerk mit einem bemerkenswerten Reifegrad entstanden. Man braucht nicht viele Worte, um das Konzept auch Nicht-Planern zu erklären, weil sich das Wichtigste von selbst versteht, wie zum Beispiel der große Park in der Mitte des Stadtteils. Das versteht jeder sofort als Qualität. Das heißt, das städtebauliche Koordinatensystem des neuen Stadtteils ist sehr überzeugend.
Wohnen, Blockbebauung und Mieten: Im verdichteten Wohnen im Baakenhafen der HafenCity, kostet eine 80-qm-Wohnung je nach Förderart zwischen 1.040 und 1.620 Euro im Monat (13 bis 19 Euro/qm). Wird Wohnen in Innenstadtlagen trotz öffentlicher Förderungen immer teurer und unbezahlbarer? Auch im Baakenhafen gibt es geförderten Wohnraum mit günstigen Mieten, zum Beispiel der GWG Hamburg oder der SAGA. Abgesehen davon existiert keine ‚Lex Grasbrook‘, es gilt das, was in der ganzen Stadt gilt: Dass wir in jedem neuen Wohngebiet ein Drittel geförderten Wohnungsbau bereitstellen – nach jüngsten politischen Verabredungen werden auf dem Grasbrook sogar 35 Prozent aller Wohnungen, die dort gebaut werden, geförderte Wohnungen sein.
Sie gelten nicht gerade als Fan von Hochhäusern. Mit dem Elbtower bekommt Hamburg ein 245 Meter hohes Leuchtturmprojekt, das den Stadteingang und alle Blickrichtungen im Hamburger Osten dominiert. Wie stehen Sie zum Olaf-Scholz-Vermächtnis? Als Vermächtnis von Olaf Scholz ist mir das gar nicht so präsent, für mich ist es einfach der Elbtower. Man nutzt hier den Rückenwind der HafenCity und entwickelt den Standort Elbbrücken gleich mit. Ich finde überzeugend, dass mit der neuen U- und S-Bahn-Station plötzlich ein hochzentraler Standort entstanden ist, der früher äußerst peripher und unbehaust war. Jetzt hat er eine Lagegunst und Zentralität bekommen, die es sonst fast nirgends in der Stadt gibt. Und er hat – wie ich das vorhin schon für den Grasbrook gesagt habe – eine andere Maßstäblichkeit als viele andere Lagen in der Stadt.
Die Häuser selbst sind imposant in ihren Abmessungen, sowohl in ihrer Höhe als auch in der Tiefe, das ist in Hamburg bislang beispiellos. Es ist ein neuer Maßstab, den wir auf dem Grasbrook einführen. Einerseits dicht und hoch, andererseits schaffen die Lücken zwischen den Bebauungen eine optimale Belichtung in den Erdgeschossen sowie unterschiedliche Blickbeziehungen – nicht nur in den Innenhof, sondern auch zwischen den Häusern in den Park hinein zum Beispiel.“
Franz-Josef Höing über den Grasbrook
Inwiefern? Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass aus meiner Sicht nicht an jeder freien Stelle ein überdimensioniertes Hochhaus stehen muss. Das ist mir meist zu vordergründig und oft verfehlt es auch seinen beabsichtigten Zweck. Es gibt allerdings einige Stellen in der Stadt, die sich dafür anbieten und der Ort, an dem der Elbtower stehen wird, ist so eine. Aber schon der Stadteingang Elbbrücken in die innere Stadt ist kein Gewitter an Hochhäusern, sondern kann perspektivisch drei um die 80 Meter hohe Gebäude haben. Am Stadteingang Elbbrücken sehen wir, wie viel Potenzial dieser Raum hat. Das ist spannend, weil in den kommenden Jahren weitere Bedarfe entstehen und die Stadt weiterwachsen wird. Die Frage ist: Wo geschieht das? Man spürt plötzlich, wie zentral diese vernachlässigten Lagen sind, wie viele Flächen wir aktivieren können und wie gut es auch ist, Rothenburgsort aus seiner isolierten Lage zu befreien und stärker mit den Entwicklungen am Brandshof im Projekt Billebogen zu verknüpfen. All dies nehmen wir in unserem ‚Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken‘ auf, den wir erst kürzlich vorstellt haben.
Was war in den vergangenen vier Jahren Ihrer Amtszeit die größte Enttäuschung und was die schönste Überraschung? Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich mir die Welt schönrede, aber eine Enttäuschung habe ich tatsächlich nicht erlebt. Es gab ein paar Verfahren, in denen ich mir bei Grundrissen etwas mehr Mut und weniger Traditionelles, Konventionelles gewünscht hätte, aber ich bleibe da zuversichtlich. Die schönste Überraschung ist die neue Überdachung des Dock 10. Dort ist eine schützende und schöne Hülle für die harte Arbeit entstanden – selbstbewusst, filigran und transparent.
Wann kommt denn ein städtebauliches Ausrufe-Zeichen von Ihnen, das handwerklich-selbstbewusst sagt: Das bin ich, Franz-Josef Höing? Ich habe mich wie bei den Magistralen immer dazu bekannt, mich mit Orten zu beschäftigen, die vielleicht nicht so im Fokus standen, und wir werden uns in Zukunft noch viel mehr mit dem Umbau der Stadt beschäftigen. Am Berliner Tor haben wir zum Beispiel auch mit einer Stadtreparatur begonnen. Dort müssen wir alles daransetzen, dass die Quartiere wieder zusammenwachsen und nicht die großen Infrastrukturen so dominant sind, dass die Flächen zu einer inneren Peripherie der Stadt verkommen. Und wir werden in den kommenden Jahren viel diskutieren über den Wiederaufbau der Nachkriegsarchitektur dieser Stadt und der großen Stadterweiterungsgebiete der Fünfziger- bis Siebzigerjahre. Diese Bestände kommen jetzt in die Jahre, da sind viele Fragen offen. Ein Thema, was aus meiner Sicht noch nicht angekommen ist, ist die graue Energie. Wie gehen wir eigentlich mit den Bestandsgebäuden um? Reißen wir sie ab oder gelingt es uns, mit den Beständen intelligent umzugehen? Das ist ein riesiges Thema. Die Bauindustrie wird sich komplett umstellen müssen. Also zusammengefasst: Der Umbau der Stadt, die Beschäftigung mit den 50er- bis 70er-Jahre-Bauten, die Magistralen als Entwicklungsräume und der Blick in die direkten Nachbarregionen um Hamburg herum sind Bausteine der kommenden Jahre.
Glauben Sie, dass sich alternativ zum Beton eine Holzbauindustrie entwickeln wird? Holz ist eine Möglichkeit und ein sinnvoller Baustoff, aber beileibe nicht die Antwort auf alle neuen Fragestellungen der Klimaneutralität am Bau.
Was ist für Sie das tollste und das hässlichste Gebäude der Welt? Die neue Nationalgalerie in Berlin von Ludwig Mies van der Rohe ist schon ein tolles Haus, aber auch nur eines unter vielen.
Nochmal gefragt: „2025 – kann Hamburg Zukunft?“ Wie sagen Sie zum Schluss? Bei allen Veränderungen, die anstehen, ist es meine Überzeugung, dass Hamburg seinen Grundcharakter als offene, grüne Stadt am Wasser nicht verlieren wird. Die Sorge, dass sich die Stadt bis zur Unkenntlichkeit verändern könnte, ist unbegründet. Wir haben nicht nur Veränderungen im Blick, sondern auch das Bewahren und Bei-sich-bleiben. Wir bürsten die Stadt nicht gegen den Strich.
Sind Sie ein klassischer oder ein innovativer Oberbaudirektor? Ich habe schon eher eine traditionelle Vorstellung von Städtebau, und damit meine ich nicht Architektur. Aber die Themen, die wir in den vergangenen Jahren angestoßen haben, waren neue, die bis dato nicht auf der Agenda standen. Deshalb: Ich bin offen und neugierig.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe
Man spürt plötzlich, wie zentral diese vernachlässigten Lagen sind, wie viele Flächen wir aktivieren können und wie gut es auch ist, Rothenburgsort aus seiner isolierten Lage zu befreien und stärker mit den Entwicklungen am Brandshof im Projekt Billebogen zu verknüpfen. All dies nehmen wir in unserem ‚Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken‘ auf.“
Franz-Josef Höing über den Elbtower und den Stadteingang