Visualisierung I: Geplanter Elbtower vom Kleinen Grasbrook aus gesehen mit Hubschrauber auf 245 m Höhe. © Privat
Ist der Elbtower noch zu stoppen?

Eine zivilgesellschaftliche Initiative von Architekten und Pfarrer Frank Engelbrecht von der Hauptkirche St. Katharinen will ein radikales Nachdenken erreichen, ja, sogar einen Baustopp des 245 Meter hohen „Elbtower“-Wolkenkratzers mit 64 Stockwerken am Stadteingang Elbbrücken bewirken

Die jüngst erteilte Baugenehmigung für den 245 Meter hohen Elbtower am U- und S-Bahnhof Elbbrücken in der HafenCity hat nicht nur die von der Nachricht überraschten Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft aufgeregt, sondern auch bei Architekten und engagierten Bürgern der Zivilgesellschaft wie Pfarrer Frank Engelbrecht von der Hauptkirche St. Katharinen eine neue Diskussion zum Großprojekt in Hamburg losgetreten.
Foto oben: Visualisierung I. Geplanter Elbtower vom Kleinen Grasbrook aus gesehen mit Hubschrauber auf 245 m Höhe. © Privat

Pfarrer Frank Engelbrecht, einer der Erstunterzeichner der kritischen „7 Thesen zum Elbtower“: „Aus unserer Sicht stehen wir aktuell vor der großen Herausforderung, die Rede von der ,Zeitenwende‘ nicht nur militärisch zu denken, sondern wenigstens gleichzeitig mit konkreten Schritten zu mehr ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und Stärkung von Demokratie für ein resillientes Gemeinwesen Ernst zu machen. Der Elbtower als neues Wahrzeichen für Hamburg setzt dafür nach unserer Überzeugung deutlich die falschen Signale. Deshalb bedarf es für das Projekt dringend einer fundierten gesellschaftliche Debatte mit der Frage, wohin wir steuern wollen und welche Signale wir in Hamburg setzen wollen.“ 

Dazu heißt es in der Präambel des Thesenpapiers, das in „Sorge um Hamburgs Stadtentwicklung, Vorbildfunktion und Gesellschaft“ erstellt wurde: „Wir, die Unterzeichner dieser Erklärung, machen uns Sorgen um unser hanseatisches Hamburg, dessen Stadtbild mit einer symbolischen Stadtkrone und dem Charakter einer amphibischen Stadt noch sichtbar ist. Deswegen verlangen wir, dass alle Baumaßnahmen den Geist der Europäischen Stadt in der Freien und Hansestadt Hamburg mitsamt dem darin enthaltenen ausgeprägten Bürgersinn und einer erkennbaren lokal-regionalen Verortung würdigen und weiterentwickeln.“ 

Die Erstunterzeichner der sieben Elbtower-Thesen, die Architekten Gerhard Bolten, Christian Kottmeier, Dirk Meyhöfer und Volker Roscher sowie Pfarrer Frank Engelbrecht, formulieren – hier kompakt zusammengefasst – unter sieben Schlagworten:

I. STADTGESTALT UND STADTKRONE Hamburgs kennen bisher keine Gebäude über 150 Meter Höhe. Der Entwurf des Elbtowers ist eine radikale Abkehr von jahrhundertelang ausgeübtem hanseatischen Lebensgefühl und Baukultur der Europäischen Stadt. Hamburg ist topographisch und historisch in die Familie der nordeuropäischen Metropolen einzuordnen, wie sie aus den historischen Hansestädten hervorgegangen sind. …

Visualisieren g II: Geplanter Elbtower vom Kleinen Grasbrook aus gesehen mit Hubschrauber auf 245 m Höhe. © Privat
Visualisierungg II: Geplanter Elbtower vom Kleinen Grasbrook aus gesehen mit Hubschrauber auf 245 m Höhe. © Privat

II. STÄDTEBAU UND PANDEMIE. War der Turm 2018 (vielleicht) noch der folgerichtige städtebauliche Abschluss der Hafencity nach Osten, gibt es nach der Pandemie keine Argumentationskette mehr für ein Schneller, Höher, Weiter: Die Notwendigkeit einer bescheidenen und wirtschaftlichen Lebensweise ist überdeutlich geworden. …

III. DER KLIMAWANDEL fordert Konsequenzen im Hinblick auf Bauweisen, Baumaterial und Bautechnik ein: lowtech statt hightech. Damit müssen wir jetzt sofort beginnen und nicht in irgendeiner fernen Zukunft. Im Klartext: Wir befinden uns in einem dieser berühmten „Zeitfenster“, das Handeln ermöglicht, ja erzwingt. …

IV. ÖFFENTLICH UND PRIVAT. Alle Gebäude mit stadtprägender ikonographischer Bedeutung sind in der langen Bautradition Hamburgs bisher als öffentliche Gebäude in Erscheinung getreten. Dass diese „Commons“ – also Ikonen des Gemeinwesens in Politik, Kultur und Glauben – das Stadtbild der Kaufmannsstadt prägen, ist ein Schatz, den wir für die Versinnbildlichung der Demokratie unserer Stadt gar nicht hoch genug schätzen können. Das muss so bleiben! …

V. VERFAHREN. Hamburg hat einen Anspruch auf Mitbestimmung von Projekten dieser Größenordnung und baulich energetischen und klimatischen Dimension. Die Minimalforderung ist Transparenz der Planungs- und Bauprozesse. Die sehen wir hier im fassbaren Maßstab nicht gewährleistet. …

VI. FINANZIERUNG und die betroffenen öffentlichen Budgets müssen überprüfbar sein. Bis heute ist es nicht gelungen für Bauwerke über 80 Meter Höhe eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit nachzuweisen.

VII. LEGITIMATION. Ein Bauwerk von dieser Dimension darf nicht von auf Zeit gewählten Amtsträgern allein, sondern muss von der Stadtbevölkerung insgesamt legitimiert werden. … Mehr Demokratie wagen! Lokale Kompetenzen ausschöpfen und mehren!

In den kommenden Wochen sollen weitere öffentliche Veranstaltungen wie u.a. ein Konzert mit integrierter Diskussion über das Thesenpapier die Diskussion um den Elbtower befeuern. Dass der Elbtower nach dem bisherigem Verlauf des Bauprozesses und der geplanten Gesamtinvestition des Investors Signa Real Estate bei Erfüllung der Forderungen der Hamburgischen Bürgerschaft als Voraussetzung für die Realisierung des Baus, der Wolkenkratzer am Stadteingang Elbbrücken noch verhindert werden kann, scheint fraglich. Eine zeitgemäße Diskussion schadet der Stadt- und Architektur-Kultur in Hamburg in gar keinem Fall. Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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