Nicole C. Unger, Vorstandsmitglied des City Management Hamburg: „Warum fahren denn nicht längst kleine, autonome, zukunfts­orientierte E-Busse in der Innenstadt mit hoher Frequenz in einer Art Ringlinie, bei der Besucher:innen unkompliziert jederzeit ein- und aussteigen können (Hop-on und Hop-off)?“ © Wolfgang Timpe
»Die City ist das Herz Hamburgs«

Exklusivgespräch. Nicole C. Unger, Innenstadt-Fan und Inhaberin der NCU Immobilien Concept GmbH, über City-Kultur, Willy-Brandt-Straße und HafenCity

Frau Unger, Sie sind eine erfolgreiche Netzwerkerin, sitzen seit Jahren in den maßgeblichen Ausschüssen der Innenstadt wie auch in Gremien der Handelskammer und in den Strategierunden der Politik und steuern als Vorstandsmitglied des City Management Hamburg das Image der Innenstadt mit. Warum ist die City so ins Taumeln gekommen, doch nicht nur durch den Internethandel, oder? Nein, nicht nur durch den Internethandel. Dazu kam dann erstens noch die Pandemie, die wie ein Brandbeschleuniger für die Probleme des Einzelhandels gewirkt hat. Und zweitens sind die Zeiten vorbei, in denen man ausschließlich zum Shoppen in die City kommt. Wenn Sie in anderen Großstädten Deutschlands oder Europas sind, gehen Sie doch nicht nur shoppen und fahren wieder zurück. Sie übernachten, gehen in spannende Res-taurants und Bars, besuchen interessante Ausstellungen, Museen oder Kulturevents, Konzerte. Die Menschen wollen nicht nur einkaufen, sondern besondere Dinge erleben und an einzigartigen Plätzen sitzen. Bei einer attraktiven Aufenthaltsqualität entspannt genießen, Freunde und Bekannte treffen und Neues erleben. Darum besuchen die Menschen die Innenstädte. Nur Einkaufen, das hat uns Corona endgültig gezeigt, lockt niemanden vom Sofa, das kann man online erledigen. 
Foto oben: Nicole C. Unger, Vorstandsmitglied des City Management Hamburg: „Warum fahren denn nicht längst kleine, autonome, zukunfts­orientierte E-Busse in der Innenstadt mit hoher Frequenz in einer Art Ringlinie, bei der Besucher:innen unkompliziert jederzeit ein- und aussteigen können (Hop-on und Hop-off)?“ © Wolfgang Timpe

»Man kann die Willy-Brandt-Straße an den zentralen drei bis vier Querungspunkten von der Innenstadt in die HafenCity und umgekehrt jeweils einspurig in beide Richtungen zurückbauen, und die frei werdenden Flächen der Willy-Brandt-Straße sollten dann städtebaulich attraktiv und landschaftsplanerisch grün gestaltet werden. Das könnte schöne urbane Aufenthaltsflächen und -qualitäten ergeben. Die Straße muss dazu einladen, sie zu überqueren.«
Nicole C. Unger zur Verbindung von HafenCity und Innenstadt

Wie kann denn ein großes Quartier wie die Innenstadt kollektiv diese Wünsche der Kundinnen und Kunden missachtet haben? Nun, erst einmal sind wir alle wieder froh, dass die Innenstadt etwa seit Ostern langsam wieder die Frequenzen erreicht, die wir vor Corona hatten. Auch der Tourismus erholt sich gerade wieder spürbar, nach dem Cruise-Days-Wochenende mit seinen Kreuzfahrtschiff-Events war die Innenstadt noch Anfang dieser Woche ungewöhnlich voll. Menschen bleiben gerne länger, um Neues zu erleben. Das müssen wir alle immer wieder für unsere Hamburger:innen wie für die Menschen aus der Metropolregion um uns herum ermöglichen. Dazu kommt: Das Zurückkommen aus dem Homeoffice ist nicht nur für den Einzelhandel wichtig, sondern genauso für den Dienstleistungssektor. In der Innenstadt arbeiten über 200.000 Menschen in Büros, bei Ärzten und Anwälten oder in der Gastronomie.

Und was fehlt der City, dass sie, schon vor Corona, in die Krise kam? Es fehlen eindeutig kulturelle Attraktionen wie etwa das Naturkundemuseum, das man – was wir schon länger fordern – unbedingt in der zentralen Hamburger Innenstadt wieder ansiedeln muss. Wir brauchen kulturelle Attraktionen und immer wieder auch wertige Veranstaltungen, die einen Besuch der Innenstadt attraktiv machen. Die großen Erfolge der temporären Aktionen wie die Banksy-Ausstellung im Untergeschoss des Kaufhofgebäudes oder unsere Straßenkunst mit den übergroßen Bronzeaffen in der Mönckebergstraße sowie die Hamburger Sommergärten haben die City künstlerisch inhaltlich ins Gespräch gebracht und für Frequenz gesorgt. Natürlich fehlen uns im Zentrum auch Bereiche der Hamburger Wissenschaft und Universität, wodurch das Quartier für junge Menschen ein Anziehungspunkt wäre und auch andere vielfältigere Nutzungen nach sich ziehen würde. In anderen Großstädten sind wissenschaftliche und kulturelle Angebote im Zentrum und nicht in außen liegenden Stadtteilen. Ich erinnere gerne daran, dass wir mal sehr weit waren, ein Haus der digitalen Welten in Verbindung mit einer Zentralbibliothek ebenfalls in der Innenstadt am Eingang der Mönckebergstraße anzusiedeln. 

Unternehmerin und Innenstadtmanagerin Nicole C. ­Unger: „Der Elbtower ist ein gutes Aufbruchssignal für mehr ­Internationalität.“ © Wolfgang Timpe
Unternehmerin und Innenstadtmanagerin Nicole C. ­Unger: „Der Elbtower ist ein gutes Aufbruchssignal für mehr ­Internationalität.“ © Wolfgang Timpe

Aber der Einzelhandel hat auch selbst verursachte Probleme? Nein, nicht der Einzelhandel generell. Man darf nicht vergessen, dass nach wie vor zwei Drittel des Umsatzes im Einzelhandel aus dem stationären Handel kommen. Die Menschen wollen erlebbar einkaufen und lieben das haptische, die Präsentation der Ware. Wenn Sie, wie auf der Mönckebergstraße, mit Karstadt, Karstadt Sport, Galeria Kaufhof und C&A auf 500 Metern vier Kaufhäuser haben, die das gleiche Angebot haben, funktioniert das inzwischen schon lange nicht mehr, wie sich dann ja leider gezeigt hat. 

Alle – Innenstadtgrundeigentümer sowie Bürgerschaft und Senat – haben erkannt, dass es Hamburg schlecht geht, wenn die Innenstadt hustet. Was ist für Sie die wichtigste Maßnahme, um die City wieder attraktiv für alle Hamburger:innen und Gäste zu machen? Das Allerwichtigste ist, dass die Innenstadt mit allen Mobilitätsangeboten unkompliziert und gut zu erreichen ist. Wir haben im digitalen Zeitalter anno 2022 immer noch große analoge Hinweistafeln, mittlerweile werden die freien Plätze in den Parkhäusern darauf angezeigt, aber auf dem Weg dahin behindern die City-Besucher:innen viel zu viele Baustellen, sie stehen im Stau und landen dann auch häufig nicht in der Innenstadt, sondern in den Randbezirken. Dass dann manche Parkhäuser heute circa acht Euro die Stunde kosten und die Kunden schon mal 40 bis 50 Euro für einen längeren Besuch in der Stadt los sind, ist kein Angebot, sondern führt zum Abwinken und sorgt für Ärger. Warum haben wir in Hamburg nicht digitale Leitsysteme, wo ich in mein Handy oder das Navi mein Ziel eingebe und dann durch KI, durch kluge Software, direkt zur nahegelegensten Parkmöglichkeit entspannt geführt werde? Das ist keine Zauberei, sondern gibt es in anderen Großstädten auch.

Nicole C. Unger ist Inhaberin der 2009 von ihr gegründeten NCU Immobilien Concept GmbH und kümmert sich im Auftrag von Grundeigentümern um die Vermietung, Verwaltung, Betreuung und Vermarktung von Gewerbeobjekten. Sie vertritt – vornehmlich in der Innenstadt – die Interessen der Eigentümer für zwölf Büro- und Einzelhandelsimmo­bilien und ist dadurch in die Gründung und Umsetzung der Business Improvement Districts (BID) in der City, der sogenannten BID-Initiativen, stark eingebunden, wie zuletzt beim BID Ballindamm und aktuell beim BID Rathausquartier, sowie bei der Umsetzung der in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindenden Hamburger Sommergärten. Ihr Know-how bringt die Immobilien­expertin auch als stellvertretende Vorstandsvorsitzende des City Management Hamburg sowie des Trägerverbunds Projekt Innenstadt e. V. und in diversen Lenkungsausschüssen mit Behörden und Politik ein.
Die Managerin (52) wuchs in Ostwestfalen, im Kreis Minden-Lübbecke, auf und machte eine Ausbildung zur Hotelkauffrau, ehe sie 1989 nach Hamburg kam und bei unterschiedlichen Projektentwicklern und Immobiliengesellschaften in der Gewerbe­immobilienbranche Fuß fasste und dann 2009 mit der NCU ihr eigenes Unternehmen gründete. Nicole Christina Unger ist geschieden, lebt in Hamburg-Eppendorf, und ihre 25-jährige Tochter Louica lebt und arbeitet in London.

Man kann auch den ÖPNV nutzen. Ja, und der öffentliche Nahverkehr Hamburgs ist nicht schlecht. Aber Zukunft für die City könnte anders gehen. Warum fahren denn nicht längst kleine, autonome, zukunftsorientierte E-Busse in der Innenstadt mit hoher Frequenz in einer Art Ringlinie, bei der Besucher:innen unkompliziert jederzeit ein- und aussteigen können (Hop-on und Hop-off)? Eine solche Linie könnte zum Beispiel vom Stephansplatz über den Hauptbahnhof, Rathausmarkt, Domplatz und später den Elbtower bis zum Überseeboulevard, dem neuen Überseequartier, der Elbphilharmonie in der HafenCity und dann sogar noch zum Rödingsmarkt inklusive Wallanlagen mit dem Johannes-Brahms-Platz und der Laeiszhalle führen. Dann bliebe der in der Tat viel zu starke Autoverkehr bzw. der Parkplatzsuchverkehr am Rande, und die gute Erreichbarkeit der Innenstadt wäre unter anderem auch für den Individualverkehr aus den Hamburger Stadtteilen und der Metropolregion gewährleistet. Dazu gehört eben auch, dass man Kultur auf die Straßen und Plätze bringt. Wir veranstalten jetzt wieder an drei Tagen auf dem Jungfernstieg zusammen mit dem Filmfest Hamburg und der Staatsoper unser Binnenalster Filmfest. Dieses Jahr streamen wir sogar „Carmen“, die Eröffnungsproduktion der neuen Spielzeit der Staat-oper, live auf unsere Binnenalster-Leinwand. Das bringt unterschiedlichste Menschen in die City. Dann wird auch mal auf dem Jungfernstieg getanzt, und wir bringen ein Publikum zur Oper, das sonst keine Oper sehen würde. Das macht eine lebendige Innenstadt aus. Die Innenstadt ist das Herz Hamburgs. 

Bürgermeister Peter Tschentscher hat mit der Architektin und Stadt­planerin Prof. Elke Pahl-Weber aus Berlin eine Innenstadtkoordinatorin berufen. Hilft das? Ja, alle Innenstadtakteure haben sich so eine herausgehobene Koordinatorenstelle gewünscht. Die Expertise, die Unabhängigkeit und der gesunde Blick von außen von Frau Pahl-Weber sind eine gute Voraussetzung für schnellere und zielorientierte Kommunikation und Umsetzungen.  

Was muss sie als wichtig­ste Eigenschaft mitbringen? Starke Ellenbogen? Aus Berlin, wo alles noch viel komplexer ist als hier, kennt sie sich mit politischen Hierarchien aus und ist hier bei der Wohn- und Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt und dem Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher höchstmöglich angebunden. Und ja, starke Ellenbogen wird sie definitiv haben müssen.

HafenCity-Besucherin Nicole C. Unger: „Es ist ein komplett neuer Stadtteil, der noch einmal zehn bis 15 Jahre brauchen wird, bis er alle notwendige Infrastruktur und Urbanität aufweisen kann. Mir persönlich ist die HafenCity noch nicht lebendig genug. Wohl fühle ich mich in der Elbphilharmonie und im Restaurant Coast by East am Grasbrookhafen mit seiner wunderbaren Terrasse und den Sonnenuntergängen.“ © Wolfgang Timpe
HafenCity-Besucherin Nicole C. Unger: „Es ist ein komplett neuer Stadtteil, der noch einmal zehn bis 15 Jahre brauchen wird, bis er alle notwendige Infrastruktur und Urbanität aufweisen kann. Mir persönlich ist die HafenCity noch nicht lebendig genug. Wohl fühle ich mich in der Elbphilharmonie und im Restaurant Coast by East am Grasbrookhafen mit seiner wunderbaren Terrasse und den Sonnenuntergängen.“ © Wolfgang Timpe

Derzeit laufen viele kulturelle Zwischennutzungen in der City, etwa im früheren Karstadt-Sport-Haus, das als „Artstadt“ bis Ende 2022 durch Fördermillionen der Stadt neue Besucher:innen anziehen soll. Ein richtiges Instrument? Sicherlich. Es ist gut, solche Zwischennutzungen auf den Weg zu bringen und jungen Galerien und Künstlern die Möglichkeit zu geben, sich und ihre Arbeiten an ungewöhnlichen Orten unkompliziert zu präsentieren. Das habe ich bei der Neugestaltung des Kaufmannshauses auch erfolgreich praktiziert, indem sich dort im Atrium junge Designer:innen, die eine normale Ladenfläche nicht hätten mieten können, präsentiert haben. Gut finde ich, dass sich jetzt mit der Hamburg Kreativ Gesellschaft eine Organisation aus einer Hand um solche Zwischennutzungen kümmert, wodurch man man Projekte mit vielen Parteien, vom Grundeigentümer über Mieter und Behörden bis zu den Künstlern, professionell abstimmen kann und auch dadurch ein attraktives Angebot schafft.

Alle rufen zurzeit nach mehr Wohnen in der Innenstadt, weil es dann auch abends lebendig sei. Ist das realistisch, und kann es genug Wohnraum in der City geben? Endlich wird das überhaupt möglich, da alle Neubauprojekte in der Innenstadt auch Wohnen beinhalten müssen. Das sind zwar bescheidene Zahlen, denn zu den heute rund 2.000 Wohneinheiten kommen nur rund 800 neue dazu. Aber ein Anfang ist gemacht, und das an attraktiven Standorten: das Deutschlandhaus, die Passage am Gänsemarkt, das frühere Commerzbank-Areal an der Domstraße oder das Allianz-Areal am Großen Burstah. Das sind alles positive Entwicklungen, die zu einer attraktiven Belebung der Hamburger Innenstadt beitragen. 

Ein großer Wettbewerber für die Innenstadt ist das künftige Westfield-Überseequartier in der HafenCity, das im Frühjahr 2024 eröffnen will. Fürchten Sie das Mixed-Use-Quartier mit seinen attraktiven Flagship-Stores, etwa der Lifestyle-Marke Breuninger? Nein, und am Ende wird es eine Bereicherung für Hamburg und auch für die City sein. Wir müssen uns jedoch nichts vormachen. Der Kunde kauft ein Teil nur einmal, entweder im Überseequartier oder in der City. Der Wettbewerb wird da sein und er wird hart sein. Keine Frage. Zara geht jetzt ins Überseequartier und schließt die zweite Filiale neben der Mönckebergstraße in der Poststraße. Diese Herausforderungen des Marktes müssen wir annehmen und unsere Alleinstellungsmerkmale herausheben. Mich stört, dass das Überseequartier mit seinem Management alles allein entscheiden kann, ob sie Musik-, Sport- oder Kulturveranstaltungen machen. Die Innenstadt muss für jede Veranstaltung für jede Bank oder jeden Baum usw. unendlich viele Anträge bei unterschiedlichsten Behörden und beim Bezirksamt stellen und Sondernutzungsgebühren bezahlen, ehe wir loslegen können. Dieser Wettbewerbsnachteil muss dringend aufgehoben werden. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, neben vielen anderen baulichen Maßnahmen, derer es zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt noch bedarf.

Die HafenCity wird zusammen mit der klassischen City von der Bürgerschaft und ausweislich des Masterplans als die Innenstadt Hamburgs am Wasser, an Binnenalster und Elbe, begriffen. Was muss passieren, damit sich die Verbindungswege zwischen beiden Quartieren verbessern? Fast alle sprechen immer nur über die sogenannte Domachse, vom Jungfernstieg über die Bergstraße zur Domstraße über die Willy-Brandt-Straße in die HafenCity. Das reicht nicht. Wir brauchen, damit die Menschen entspannt und attraktiv zwischen den beiden Quartieren hin und her flanieren können, mehrere gut funktionierende und attraktive Verbindungen. Zum Beispiel kann man über den früheren Katharinenweg, den wir mit dem BID Rathausquartier als Fußgängerzone in der Kleinen Johannisstraße planen, über die Brodschrangen, der Neubebauung am Ness, über die Willy-Brandt-Straße, vorbei an der St. Katharinen Kirche in die HafenCity. Auch eine Achse über den Alten Wall, Rödingsmarkt, Baumwall zur Elbphilharmonie könnte sehr attraktiv sein. Nicht zu vergessen die oben schon erwähnte Ringlinie. 

Und wie wollen Sie das achtspurige Ungetüm Willy-Brandt-Straße überwinden? Das ist die zentrale Frage. Eine Untertunnelung dieser Verkehrsader halte ich absehbar für nicht umsetz- und finanzierbar, und Brücken sind wohl auch keine Lösung, die von Menschen wirklich angenommen wird.

Die mal vom Oberbau­direktor angedachte ­Variante mit Zebrastreifen ist bislang auch nicht ausprobiert worden. Dafür ist die Straßenbreite wohl etwas zu überdimensioniert … 

Inwiefern? Die Hafenquerspange sollte endlich zu Ende gebaut und damit Hamburg von dem unsäglichen (Lkw-)Durchgangsverkehr entlastet werden. Dann kann man die Willy-Brandt-Straße an den zen-tralen drei bis vier Querungspunkten von der Innenstadt in die HafenCity und umgekehrt jeweils einspurig in beide Richtungen zurückbauen, und die frei werdenden Flächen der Willy-Brandt-Straße sollten dann städtebaulich attraktiv und landschaftsplanerisch grün gestaltet werden. Das könnte schöne urbane Aufenthaltsflächen und -qualitäten ergeben. Die Straße muss dazu einladen, sie zu überqueren. Ähnlich wie wir es jetzt mit dem Ballindamm gemacht haben, wo wir die Parkräume im grünen Mittelstreifen herausgenommen haben, mehrere Querungsmöglichkeiten und eine weitere Ampel am Brandsende geschaffen haben und damit das Trennende und Abweisende zwischen Innenstadt-Laufwegen und der Binnenalster weitgehend aufgehoben ist. 

Offenbar wollen auch Sie eine autoarme Innenstadt. Sind Sie eine Grüne? Ganz sicher nicht. Wir brauchen den Individualverkehr in der Innenstadt, aber modern und zeitgemäß fließend organisiert. 

Also würden Sie am Jungfernstieg wieder Autos zu­lassen? Ja, denn die Verbindungsachsen mit Neuer Wall, Große Bleichen, Gänsemarkt und Ballindamm sind wichtige Verbindungsachsen für den Innenstadtkern. Der Jungfernstieg sollte auf der Gebäudeseite für mehr Aufenthaltsqualität, Grünflächen, Gastronomieflächen entsprechend gestaltet werden. Die Sperrung des Jungfernstiegs für den Individualverkehr und das Aufstellen von Blumenkästen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bringen keine höheren Frequenzen in die Innenstadt – im Gegenteil. Außerdem gehört das Auto zum urbanen Leben und in eine lebendige Innstadt dazu.

Apropos Verkehr. Alle liebten die buslose Zeit in der Mönckebergstraße, jetzt rollen sie wieder. Schade? Ich kann mir die Flaniermeile ohne Autos vorstellen – aber so, dass für Einzelhändler, Anlieger und Dienstleister keine Nachteile entstehen. Mir reicht auch schon, wenn wir die Menge der Busse reduzieren. Früher fuhren 1.200 Busse täglich durch die Mönckebergstraße. Ein Unding. Es sollten, wenn überhaupt, nur noch wirklich wichtige Buslinien aus den Stadtteilen und der Metropolregion dort fahren. Mindestens 50 Prozent weniger. Und da bin ich wieder bei der Idee mit den Ringlinien im Innenstadtkern.

Sind Sie eigentlich in der HafenCity unterwegs, und was gefällt Ihnen dort und was nicht? In der HafenCity bin ich dienstlich und privat unterwegs, bin oft in der Elbphilharmonie und nutze die Angebote an Ausstellungen und auch der Gastronomie. Sie ist gelungen und wird gut angenommen. Doch es ist ein komplett neuer Stadtteil, der noch einmal zehn bis 15 Jahre brauchen wird, bis er alle notwendige Infrastruktur und Urbanität aufweisen kann. Mir persönlich ist die HafenCity noch nicht lebendig genug. Wohl fühle ich mich in der Elbphilharmonie und im Restaurant Coast by East am Grasbrookhafen mit seiner wunderbaren Terrasse und den Sonnenuntergängen.

Freuen Sie sich auf den Elbtower als Counterpart zur Elbphilharmonie und städtebaulichen Abschluss der HafenCity? Ich finde ihn super als internationale Landmark, u. a. mit dem Fünf-Sterne-Hotel der Nobu-Gruppe von Robert De Niro, und eine Bereicherung für Hamburg, das so gerne Tor zur Welt ist, aber im Bereich internationale Klasse wie auch beim etwas provinziellen Flughafen haben wir noch Nachholbedarf. Der Elbtower ist ein gutes Aufbruchssignal für mehr Internationalität. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

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