Konzert. Am 27. Oktober gibt der Hamburger Musiker Axel „Aki“ Bosse aus Anlass seines neunten Albums „Übers Träumen“ ein Releasekonzert im Großen Saal der Elbphilharmonie
Nicht etwa in einer hippen Hotelbar will Axel „Aki“ Bosse über sein neuntes Album – „Übers Träumen“– sprechen, sondern in den Räumlichkeiten der privaten Hilfsorganisation Dein Topf, die auf St. Pauli nahe der Reeperbahn Bedürftige mit Lebensmitteln und warmen Mahlzeiten versorgt. Der Musiker aus Hamburg hat einen guten Draht zu dieser Initiative. Im vergangenen Jahr zum Beispiel rief er seine Fans dazu auf, zu seinem Konzert in der Barclays Arena haltbare Lebensmittel mitzubringen und am Dein-Topf-Stand abzugeben. Im Gegenzug hat er Karten für ein Wohnzimmerkonzert in Hamburg verlost.
Foto oben: Axel Bosse über sein Lied „Schlaf bei mir“: „Da treffen sich zwei übermüdete, überforderte Leute und geben sich irgendwie Kraft. Als sie dann zusammen im Bett liegen, habe ich sie plötzlich in den Orbit abheben lassen. Danach wusste ich: Ich möchte gern über das Träumen schreiben.“ © Sarah Storch
Doch jetzt sollen eigentlich die neuen Songs des 43-Jährigen im Mittelpunkt stehen, nicht sein soziales Engagement. Die Initialzündung für seine Platte hat das Lied „Schlaf bei mir“ gegeben, es schwingt sich von einer Pianoballade zu einem sphärischen Stück auf: „Da treffen sich zwei übermüdete, überforderte Leute und geben sich irgendwie Kraft. Als sie dann zusammen im Bett liegen, habe ich sie plötzlich in den Orbit abheben lassen. Danach wusste ich: Ich möchte gern über das Träumen schreiben.“
So entstanden Titel wie „Ich tagträume“. Nicht ohne Grund hat Bosse diese minimalistisch instrumentierte Nummer mit der Autorin, Filmemacherin und Aktivistin Düzen Tekkal aufgenommen: „Die Zeit ist einfach reif dafür, dass weiblich gelesene Menschen ihre Sicht der Dinge erzählen.“ Düzen Tekkal erinnert sich an ihre Kindheit, an Träume, die zunächst im denkbar schärfsten Kontrast zu ihrer eigenen Realität standen. Schließlich bringt sie den „German Dream“ ins Spiel. „Als Düzen ein Kind war, hielten sie und ihre Familie Deutschland für eine absolute Traumwelt“, sagt Bosse. „Bis sie dann tatsächlich im Land ihrer Träume waren. Dort wurde ihr ,German Dream‘ in vielerlei Hinsicht enttäuscht, teilweise hat er sich aber auch erfüllt.“ Fragt man den Musiker, was er persönlich mit dem „German Dream“ verbindet, antwortet er: „Ich wünsche mir, dass sich alle auf Augenhöhe und mit Fairness begegnen.“
Während es hier eher um Zukunftsträume geht, träumt sich Bosse mit der lässig groovenden Nummer „Kreuzbergmädchen“ zurück in die Vergangenheit – zu jener Zeit, als er in Berlin wohnte. Wenn er singt „Du kommst vom Jenseits in die S-Bahn jedes Mal“, weiß man: Die Protagonistin lebt nicht mehr. Die Trompete spielt in diesem Lied Sven Regener: „Er meinte: ,Wir lassen dein Kreuzbergmädchen noch einmal von dir wegtanzen.‘“ Nicht zum ersten Mal hat sich der Element-of-Crime-Sänger mit Bosse zusammengetan. Schon auf dessen zweitem Album „Guten Morgen Spinner“ steuerte Sven Regener für „Frankfurt Oder“ einen Bläsersatz bei: „Von ihm habe ich immer viel gelernt.“
Abgesehen davon, dass die Zusammenarbeit mit diesem Musikerkollegen für Bosse stets etwas Besonderes ist, möchte er aber noch mehr über „Kreuzbergmädchen“ loswerden: „Dieser Song handelt von Tod und Vergänglichkeit.“ Mit dieser Aussage verweist er nicht bloß auf eine Verstorbene, sie bezieht das Thema Gentrifizierung in Berlin mit ein: „Ich habe in Friedrichshain gewohnt. Wenn ich jetzt in diesem Stadtteil oder in Kreuzberg bin, wird mir klar: Viele Läden gibt es gar nicht mehr. Ich erkenne kaum noch etwas wieder. Vor allem stören mich diese Glasbauten, die Berlin so verschandeln.“
Indes stößt sich Bosse nicht an jeder Neuerung. Von der Hamburger Elbphilharmonie ist er begeistert – trotz all der Hindernisse wie Kostenexplosion, die es im Vorfeld zu überwinden galt. Darum wird er in diesem Haus ein Release-Konzert geben. Exakt an jenem Tag, an dem sein Album erscheint: am 27. Oktober. Begleitet wird er auf jeden Fall vom Kaiser Quartett, das für die Streicherpassagen auf „Übers Träumen“ verantwortlich zeichnet. Vielleicht wird ihm auch die Sängerin Lea zur Seite stehen. Mit ihr singt er die melancholische Ballade „Nur noch ein Lied“, die sich mit dem letzten Lebensmoment beschäftigt. Im tanzbaren „Salzwasser“ steuert der Rapper Alligatoah seinen Sprechgesang bei.
Gerade bei diesem Stück verzerrt Autotune die Stimmen. Deshalb könnte man denken, die meisten Lieder seien sehr elektronisch. Dieser Eindruck täuscht allerdings. „Ich hatte noch nie so viele echte Instrumente auf einem Album“, stellt Bosse klar. „Nur das Schlagzeug wurde nicht im Studio eingespielt. Teils wurde es zusammengeschnitten, ansonsten habe ich Siebzigerjahre-Drum-Machine-Programming oder Moog-Synthesizer genutzt.“
So kriegt der Song „Hanna“ den passenden Beat. Man begegnet einer Frau, die sich während ihres All-inclusive-Urlaubs unter all den Leuten, mit denen sie nichts anzufangen weiß, ziemlich einsam fühlt: „Ich kann Hannas Verzweiflung gut nachvollziehen“, sprudelt Bosse hervor. „Wenn ich allein weggefahren bin, habe ich manchmal ebenfalls gedacht: Hier finde ich einfach keine Verbündeten. Drei Tage Einsamkeit hätten vielleicht auch gereicht.“ Dagmar Leischow
Info
Axel Bosses Album „Übers Träumen“ erscheint am 27. Oktober. An diesem Tag tritt er um 20 Uhr im Großen Saal der Elbphilharmonie auf. Das Konzert ist ausverkauft, eventuell gibt es Restkarten an der Abendkasse. Und am Fr., 10. Mai 2024, 20 Uhr, gastiert der Musiker in der Sporthalle. Karten und weitere Informationen unter: www.fkpscorpio.com