»Dittsche ist ein Volksheld«

Kabarett. Am 15. November tritt Olli Dittrich mit seiner „Dittsche – Live & Solo“-Tournee im Großen Saal der Elbphilharmonie auf. Wie viel Olli steckt in Dittsche?

Erfreulicherweise nimmt es Olli Dittrich mit der Pünktlichkeit sehr genau. Schon vor der vereinbarten Zeit ist er im Büro der Karsten Jahnke Konzertdirektion, die seine „Dittsche – Live & Solo“-Tour­nee veranstaltet, eingetroffen. Rasch zeigt sich: Er zählt nicht zur Sorte introvertierter Künstler. Auch abseits der Bühne ist er durchaus gesprächig. Man merkt im Interview, wie sehr gerade seine Figur Dittsche dem 66-Jährigen ans Herz gewachsen ist.
Foto oben: Musiker, Autor, Schauspieler, Komödiant Olli Dittrich: „Dittsche ist nicht dumm. Er ist ein intelligenter, warmherziger Mensch, der vom Leben vielfach überfordert ist. Er kann sich der Wohlstandsgesellschaft nicht anpassen.“ © Beba Lindhorst

Gehen Sie mit Ihrer „Live & Solo“-Tournee zurück zu Dittsches Anfängen? Ja. Zunächst gab es Mini-Hörspiele, die ich über meinen Anrufbeantworter verbreitet habe. Als ich dann die Chance bekam, im Schauspielhaus in Thomas Hermanns „Quatsch Comedy Club“ aufzutreten, habe ich überlegt: Wie könnte diese Figur aussehen, die man eigentlich nur von meinem Anrufbeantworter kennt? Ich hatte schon ein bestimmtes Bild vor Augen, weil in einer Schlange vor einem Eiswagen tatsächlich mal ein Mann in einem Bademantel vor mir stand. Als er dran war, hat er gesagt: „Einmal Strazilla.“ Das war sehr amüsant. Da wusste ich: Der Bademantel, der bei meinem WG-Kumpel Karsten im Schrank hing, war das perfekte Kleidungsstück für meinen ersten Auftritt als Dittsche. So wie er haben sich im Laufe der Zeit auch viele andere Figuren aus alltäglichen Beobachtungen entwickelt.

Wie viele Bademäntel haben Sie inzwischen verschlissen? Olli Dittrich: „Ich trage immer noch den ersten. Nach zahlreichen Auftritten und Fernsehsendungen ist er am Hals ein bisschen morsch, er wurde schon ein paarmal vorsichtig repariert.“ © Beba Lindhorst

Wie viele Bademäntel haben Sie inzwischen verschlissen? Ich trage immer noch den ersten. Nach zahlreichen Auftritten und Fernsehsendungen ist er am Hals ein bisschen morsch, er wurde schon ein paarmal vorsichtig repariert. Inzwischen gibt es aber einen Ersatzbademantel, ebenfalls aus blau-weiß-grau gestreiftem Frottee. Wenn man ihn neben das Original hänge würde, würde man keinen Unterschied sehen. Insofern habe ich ein Back-up.

Lassen Sie uns über die Figur Dittsche sprechen. Ist er ein sympathischer Verlierer? Das habe ich zumindest schon gelesen. Genau wie Tresenphilosoph. Tatsächlich ist Dittsche jemand aus dem Volk. Natürlich ist er etwas skurril, er hat keine feste Arbeit. Doch ich sage immer: „Dittsche ist nicht dumm.“ Er ist ein intelligenter, warmherziger Mensch, der vom Leben vielfach überfordert ist. Dittsche kann sich der Wohlstandsgesellschaft nicht anpassen. Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Dennoch sucht er sein Glück – wie jeder. Das findet er eben in einem relativ überschaubaren Kosmos von Menschen, mit denen er zu tun hat. Bei Ingo im Grill konnte er triumphieren, weil Ingo ihm zuhören musste und nicht weglaufen konnte. Doch wenn im wahren Leben Probleme auf Dittsche zukommen, stößt er schnell an seine Grenzen. Dann ordnet er die Dinge so, wie er sie eben braucht. Da schlägt man manchmal wirklich die Hände über dem Kopf zusammen. Obwohl das eine tragische Komponente hat, versuche ich das immer mit dem Humor, der die ganze Sache begleitet, auszubalancieren.

Bezieht Dittsche sein Wissen im Wesentlichen aus der „Bild“-Zeitung? Sie ist Mittel zum Zweck. Dittsche sagt oft: „Hat in der Zeitung gestanden.“ Was er schwarz auf weiß kriegt, nimmt er für bare Münze und zieht daraus seine eigenen Folgerungen. Von außen sieht man ganz klar, dass er sich dabei auf Glatteis begibt und einer Täuschung anheimfällt.

Gibt es in unserer Gesellschaft viele Menschen wie Dittsche? Ich bin kein Gesellschaftsforscher. Aber bestimmt finden Sie viele Menschen, die Behauptungen aufsitzen und dem, was in den elektronischen Medien kolportiert wird, Glauben schenken. Stichwort Fake News: Dazu hat das Internet bestimmt massiv beigetragen. Früher mussten Journalisten, Fotografen und auch Musiker ihren Beruf richtig lernen. Heute kann man mit Apps und einem eindrucksvollen Auftritt schon eine ganze Menge erreichen. Wenn jemand eine Sache vehement genug und vermeintlich integer vorträgt, schließen sich die Leute ihm eben an. Ich finde, es ist ein großes Problem, dass Journalismus damit konkurrieren muss.

Zurück zu Dittsche: In der Fernsehsendung hatten Sie im Imbiss verschiedene Gäste. War der Dreh mit Uwe Seeler für Sie der absolute Höhepunkt? Er war auf jeden Fall ein sehr besonderer Gast. Uwe Seeler war der Held meiner Kindheit, meiner Jugend. Als kleiner Butschi wollte ich Fußballer werden. Damals war der HSV einer der großen Vereine und Uwe Seeler wahrscheinlich eine Zeit lang der beste Mittelstürmer der Welt. Ich habe versucht, ihm nachzueifern. Nur hätte ich es als Fußballer nie geschafft, mal mit ihm zusammenzuspielen. Dafür hat es dann im Imbiss geklappt.

Sie haben zwar von einer Fußballerkarriere geträumt, haben aber eine Ausbildung zum Theatermaler gemacht. Wie kam es dazu? Das hat sich so ergeben. Weil meine Mutter Malerin und Grafikerin war, habe ich als Kind zu Hause sehr viel gemalt. Meine erste musische Prägung war eigentlich die Malerei. Tatsächlich war ich ein sehr schlechter Schüler. Ich habe kein Abitur, ich bin vom Gymnasium geflogen, die mittlere Reife habe ich mit Ach und Krach geschafft. Trotzdem gab es ein Fach, in dem ich durchgängig gut war: Kunsterziehung. Als dann in der Realschule in der neunten Klasse das berühmte Berufspraktikum anstand, hat mich meine Lehrerin in den Werkstätten der Hamburgischen Staatsoper angemeldet. Zunächst war ich bei den Theaterplastikern, die letzte halbe Woche kam ich in den Malsaal. Anschließend wurde mir eine Lehrstelle angeboten, das war für mich fast wie sechs Richtige im Lotto.

Bis es Sie selber auf die Bühne gezogen hat? Dieser Wunsch war immer da. Als Junge habe ich sonntags die „NDR Schlagerparade“ gehört und alles lippensynchron mitgesungen. Mit 15, 16 hatte ich meine erste Band. Wir waren als minderjährige Boygroup in der sogenannten Hamburger Szene unterwegs – mit Skiffle und Jazz. Wir sind bei Frühschoppen in der Fabrik in Altona aufgetreten, wir haben im Logo, im Onkel Pö und in all den anderen Clubs gespielt.

Konnten Sie schon als Kind gut andere imitieren? Ja. Natürlich habe ich das nicht so gezielt gemacht, eher spielerisch. Ich denke, alle Kinder haben diese Gabe – sie imitieren, sie spielen nach. Ich habe ja auch zwei Söhne. Ich erinnere mich, dass der Ältere durch verschiedene Etappen gegangen ist: von der Piraten- über die Spider-Man- bis zur Darth-Vader-„Star Wars“-Phase. Bei mir war das auch nicht anders. Als ich klein war, war ich Batman oder habe Musiker nachgemacht. Die Verlängerungsschnur mit der Dreiersteckdose war mein Mikrofon.

Warum haben Sie sich später nicht komplett auf Musik konzentriert? Es ist ja nicht so, dass man einen festen Ablaufplan hat. Bei mir hat vieles aufeinander aufgebaut. Meine Mockumentarys zum Beispiel frönen einer Begabung, die ich erst relativ spät bei „RTL Samstag Nacht“ professionell ausleben konnte: mich in andere Figuren zu verwandeln. Glücklicherweise habe ich vielfältige Talente – ich bin Musiker, Autor, Schauspieler, Komiker, Komödiant, malen und zeichnen kann ich auch recht gut. Bloß habe ich mich in jungen Jahren oft verzettelt, ich habe mal dies, mal das angefangen. Ich brauchte wohl erst ein bisschen Lebenserfahrung, um die Dinge ordnen zu können und zu entscheiden: Das ist wichtig, das ist nicht wichtig.

Dittsche ist Ihnen bis heute wichtig. Wie kommt diese Figur in Bayern an? Dort oder im Ruhrgebiet ist Dittsche ebenso populär wie im Norden. Sicher hat das, was er erzählt und wie er es erzählt, Hamburger Lokalkolorit. Er spricht in seinem Hamburger Slang. Doch wie Gerhard Polt, Herbert Knebel oder Jürgen von Manger ist er ein Volksheld.

Improvisieren Sie bei Ihren Dittsche-Soloauftritten das meiste? Nein. An einem Abend gibt es vielleicht 30 Prozent Impro, am nächsten zehn Prozent. Letztlich bin ich doch auch ein Sicherheitsfanatiker, ich habe meine Dramaturgie. Bis zur Pause konzentriere ich mich auf Dittsches Kosmos. Da dreht sich alles um Ingo, Schildkröte und den Imbiss. Im zweiten Teil geht es hinaus in die weite Welt. Aber nicht so sehr im tages- oder parteipolitischen Sinn. Schließlich sind Dittsche und ich keine politischen Kabarettisten. Interview: Dagmar Leischow

Info

Olli Dittrich tritt Mittwoch, 15. November, 20 Uhr, als Dittsche in der Elbphilharmonie auf. Karten und weitere Informationen unter www.elbphilharmonie.de

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