Gespräch. Seit knapp 16 Jahren führt Jens Meier als CEO die HPA, die Hamburg Port Authority, die das Hafenbusiness für die Stadt lenkt. Der Vorstandsvorsitzende über maritimen Wettbewerb, digitale Hafenentwicklung und klimaneutrale Weltschiffsflotte
Der Mann ist ein Phänomen. Er lächelt immer leise, kommt gewinnend rüber und ist strikt loyal zu allen Gesprächs- und Verhandlungspartnern: Jens Meier, seit 16 Jahren Vorstandsvorsitzender der städtischen Tochterfirma HPA, der Hamburg Port Authority. Auch wenn ihn seine Kritiker immer wieder mal hart angezählt haben, bleibt der studierte Informatiker und Wirtschaftswissenschaftler gelassen und setzt auf Zahlen und Daten. Habe der Jahresüberschuss im Jahr 2010 noch über 100 Millionen Euro Verlust ausgewiesen, erwirtschaftete die HPA im Jahr 2023 einen Jahresüberschuss von mehr als zehn Millionen Euro. Jens Meier schätzt, ganz sachlich: Fakten.
Foto oben: HPA-CEO Jens Meier setzt nach wie vor auf die Schiene: „Als ich 2008 die Leitung übernommen habe, sprach man von einer maroden Hafenbahn in Hamburg. Heute kann ich aus Sicht der HPA voller Stolz berichten, dass wir – was die Transportmengen, die Qualität und die Effektivität angeht – Weltmarktführer im Hafen-Eisenbahnverkehr sind.“ © Catrin-Anja Eichinger
Und auch wenn sich die Medien, wie bei den jüngsten sinkenden Containerumschlagzahlen auf den Abschwung konzentrieren, legt er Wert darauf, dass dieser erstens geringer als bei den Wettbewerbern in Rotterdam und Antwerpen sei. Und dass er zweitens als „Welthafenmeister“, als Präsident der globalen Hafenorganisation IAPH, für Hamburg die Zukunft der „grünen Moleküle“, des grünen Wasserstoffs, forciert habe. Lesen Sie mal:
Herr Meier, Sie sind seit knapp 16 Jahren CEO der Hamburg Port Authority (HPA), die alle öffentlichen Hafenbelange managt und auch Eigentümerin der meisten Hafengrundstücke ist. Ziehen Sie bitte mal ganz kompakt Bilanz: Wie geht es dem Hamburger Hafen heute? Wenn ich die 16 Jahre Revue passieren lasse, war die wichtigste Maßnahme, dass wir sehr viel in die Eisenbahn-Infrastruktur investiert haben. Als ich 2008 die Leitung übernommen habe, sprach man von einer maroden Hafenbahn in Hamburg. Heute kann ich aus Sicht der HPA voller Stolz berichten, dass wir – was die Transportmengen, die Qualität und die Effektivität angeht – Weltmarktführer im Hafen-Eisenbahnverkehr sind. Dies haben wir erreicht, indem die HPA vor allem intensiv in die physische Infrastruktur wie Streckennetz, Technik und Ausstattung investiert hat. Resilienz in Logistikwegen spielt heute eine weitaus größere Rolle. Dafür braucht man Redundanz und muss Verkehre entflechten.
Was heißt das? Wenn es Störungen gibt, muss man immer über einen zweiten Weg heraus oder hinein in den Hafen verfügen. Insofern haben wir bei den hohen Anfangsinvestitionen zu Beginn meiner Amtszeit darauf geachtet, jederzeit zwei Transportwege in den Hafen hinein und heraus nutzen zu können. Um erfolgreich Hafen machen zu können, braucht man eine funktionierende Infrastruktur. Ein zweiter Grund für unseren Erfolg im Hamburger Hafen liegt in den hohen Investitionen in den Einsatz moderner IT-Systeme, die dazu führen, dass wir die Gleissysteme sowie die einzelnen Züge intelligenter auslasten können.
»Wir müssen die Infrastruktur des Hafens weiter ertüchtigen. Es klingt einfach, dahinter stehen jedoch aufwendige Prozesse: Dinge, die erneuert werden müssen, müssen wir erneuern. Das ist immer schon das Rückgrat eines erfolgreichen Hafens. Wir haben es geschafft, den dummen Beton mit der intelligenten Technologie zu verbinden.« Jens Meier über die Zukunft des Hamburger Hafens
Wie muss man sich das vorstellen? Man braucht eine klare Hierarchie in der Gleis-Infrastruktur. Extrem belastete Strecken müssen kontinuierlich vorausschauend gewartet, repariert oder erneuert werden. Nur bei den seltener genutzten Strecken kann man sich dann in der Instandhaltungsstrategie erlauben, sie erst zu warten, wenn etwas beschädigt ist, weil sie weniger genutzt werden. Unsere Hafen-IT-Systeme sorgen auch dafür, dass nicht mehr wie früher Menschen an den Gleisen entlanglaufen müssen, um die Anzahl von Zügen und Waggons zum Beispiel zu erfassen und in Listen einzutragen. Züge oder die Wagenreihenfolge inventarisieren wir heute vollautomatisch, indem durch Kameratechnik Containerdaten ausgelesen werden. Das sind alles Bausteine, die es ermöglichen, wesentlich präzisere Angaben über die Waren zu machen, die im Hafen transportiert werden. So konnten wir die Auslastung bei der Hafenbahn drastisch erhöhen, ohne die Anzahl der Züge erhöhen zu müssen. Mit der gleichen Anzahl von Zügen wie im Jahr 2008, als ich anfing, transportieren wir heute rund 600.000 Container mehr. Wir sind einfach deutlich besser geworden.
Warum haben Sie damals so entschieden? Wir haben uns die Verkehrsströme und die Staus mit immer mehr Lkws angeschaut und strategisch entschieden, dass wir, um das Logistik-Hinterland optimal bedienen zu können, den Anteil der Bahntransporte signifikant erhöhen müssen. Heute liegen wir bei rund 50 Prozent Bahnanteil. Dass das auch noch die Nachhaltigkeit stärkt, wird ja immer wichtiger. Während ein Lkw vielleicht zwei Container oder einen großen transportieren kann, nimmt ein Lokomotivführer bei einer guten Auslastung über 80 Container mit. Neben der physischen werden wir in den kommenden zehn Jahren im Hafen weiter auch kräftig in die digitale Infrastruktur investieren.
VITA Jens Meier ist seit rund 16 Jahren Geschäftsführer der Hamburg Port Authority (HPA) und seit Ende November 2023 ist der 57-Jährige auch Präsident der International Association of Ports and Harbors (IAPH), die eine globale Allianz von Häfen entwickeln will und heute rund 180 Häfen und 148 hafenbezogene Unternehmen in 84 Ländern repräsentiert. Schwerpunktthemen für den „Welthafenmeister“ Jens Meier und die IAPH sind „Klima und Energie“, „Datenkollaboration“ sowie „Risiken und Resilienz“.
Nach dem Studium der Informatik mit dem Ergänzungsfach Wirtschaftswissenschaften begann er seine berufliche Laufbahn bei der Software Design & Management AG (Ernst & Young Gruppe), wo er seit 1997 als Mitglied der Geschäftsleitung für die Niederlassungen Hamburg und Hannover verantwortlich war. Im Jahr 2000 wurde er Bereichsvorstand der Systematics AG (später EDS). Seit Juli 2002 war Jens Meier Geschäftsführer der tts Holding GmbH & Co. KG. Mit dem Verkauf der tts-Gruppe an die Fiege-Gruppe wurde er in den Vorstand der Fiege Holding Stiftung & Co. KG, Greven, berufen. Im April 2008 trat der heutige Hafenmanager sein CEO-Amt bei der HPA an.
Jens Meier ist verheiratet, hat drei Kinder (19, 24 und 27 Jahre) und lebt in Hamburgs Süden.
Das Hafen-Gold, der Containerumschlag TEU und damit auch der gesamte Seegüterumschlag an allen Kaikanten des Hamburger Hafens, geht seit geraumer Zeit zurück. Der Vorsprung der Häfen Rotterdam und Antwerpen wächst unter anderem bei Containern beständig – auch weil die Liegegebühren für Reedereien in Hamburg zu hoch sind und sogenannte Megacontainerschiffe selten oder nicht nach Hamburg kommen. Passt der Hafen noch ins aktuelle Wirtschaftsbild Deutschlands oder befindet er sich auf Talfahrt? Da muss ich schmunzeln, weil doch einige Fakten so nicht stimmen. Erstens steigt die Anzahl der besonders großen Containerschiffe bei uns deutlich an. Das heißt, es kommen zwar insgesamt weniger Containerschiffe, aber wenn man sich die Bruttoraumzahl anschaut, also das Ladungsvolumen der Schiffe in Summe, hat es keineswegs einen Rückgang gegeben. Und zur Wahrheit gehört auch, dass die ULCV-Schiffe, die Ultra Large Container Vessels, durchaus den Hamburger Hafen erreichen können. Die Anzahl der Schiffe ist bei uns von 150 im Jahr 2018 auf heute 272 in 2023 gestiegen.
Aber der Containerumschlag, die TEU, ist doch rückläufig. Das stimmt, jedoch gehört auch zur Wahrheit, dass der Containerumschlag im vergangenen Jahr, auch aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrisen und Kriege, überall wo man hinschaut, egal ob in Antwerpen, Rotterdam oder zum Beispiel Los Angeles, zurückgegangen ist – und das zum Teil stärker als in Hamburg. Aktuell steckt die gesamte Wirtschaft in der Krise, und der Hafen ist wie ein Indikator, an dem man dies ablesen kann.
Und warum wachsen in Rotterdam oder Antwerpen die Marktanteile gegenüber Hamburg? In Rotterdam oder Antwerpen werden mehr Container umgeladen und entsprechend teils mehrfach gezählt. Nur Container zu zählen reicht aber nicht. Für die Wertschöpfung im Hafen müssen wir nicht nur auf umgeladene Containerzahlen schauen, sondern auch auf die Kennzahlen, die im Hafen Arbeit und Arbeitsplätze schaffen.
Das heißt? Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob ein Container leer oder voll ist und ob er Müll oder hochwertige Elektronik transportiert. Den Unterschied merkt der Deutsche Zoll. Die genauen aktuellen Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor, aber der Erlös des Hauptzollamts Hamburger Hafen dürfte im letzten Jahr bei rund 30 Milliarden Euro gelegen haben – zehn Milliarden mehr binnen etwa 15 Jahren!
Warum schimpfen dann die Hafenunternehmer, zusammengeschlossen im Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH), besonders lautstark und kämpferisch durch ihren ehemaligen Präsidenten Gunther Bonz, über die Liege-Gebühren, die im Wettbewerb mit Antwerpen und Rotterdam zu hoch seien? Dass der Hafenunternehmer Hafenflächen preiswerter vermietet haben möchte, ist erst einmal ein natürlicher Konflikt. Am Ende haben wir aber mit dem Unternehmensverband immer einen vernünftigen Weg gefunden, um die Preispolitik und die Aufgaben der HPA so wahrzunehmen, dass wir keine Wettbewerbsverzerrung haben. Das heißt, wenn Sie einen Container-Terminal betreiben und auf der gegenüberliegenden Seite hat Ihr Wettbewerber einen Container-Terminal, dann sehen wir es als HPA als unsere Aufgabe an, dass beide vergleichbare Mietpreise bezahlen. Alles andere wäre Wettbewerbsverzerrung im Hafen. Das garantieren wir jederzeit.
»Es ist ein schöner Zufall, dass Nikolaus Schües und ich Präsidenten unserer Vereinigung sind und mit dem Dritten in unserem Bunde, CEO Rolf Habben Jansen von Hapag-Lloyd, von Hamburg aus Tempo machen können. Solutions and standards managed by Hamburg.« Jens Meier über die Zukunft klimaneutraler Schifffahrt
Apropos Wirtschaftlichkeit. Warum bekommen Hamburg und die verhandelnde HHLA, der Terminalbetreiber Hamburger Hafen und Logistik AG, zum Beispiel mit Deutschlands einzigem Tiefseehafen JadeWeserPort Wilhelmshaven seit Jahren keine Kooperation hin? Sind Eitelkeiten von Landesregierungen stärker als hafenwirtschaftliche Notwendigkeiten? Ihre Frage überrascht mich nicht, denn ich habe schon in unterschiedlichsten Publikationen darüber gelesen, dass es so sein soll. Allein: Es stimmt nicht. Wir arbeiten eng zusammen, treffen uns regelmäßig und tauschen uns über wichtige Dinge aus, solange die Konkurrenz es zulässt, und: Wir helfen uns als norddeutsche Häfen auch gegenseitig.
Aber ein Tiefseehafen ist nun einmal nicht tideabhängig und kann deshalb uneingeschränkt angelaufen werden. Oder? Mit unserem Tidehafen können wir die gleichen Schiffe entgegennehmen wie Bremerhaven und Wilhelmshaven.
Aber es ist doch eine unerfreuliche Konkurrenzsituation? Am Ende entscheiden der jeweilige Reeder und der Endkunde, wo und wie ihre Waren anlanden und ins Hinterland transportiert werden. Und ich wiederhole noch einmal: Hamburg hat mit seiner Hafenbahn den unschlagbaren Vorteil, dass wir die Züge in beide Richtungen auslasten. Die, die sagen, wir müssten Ladeströme absprechen oder zusammen managen, haben eine falsche Vorstellung. Der Reeder oder Logistikkunde entscheidet zum Beispiel in China oder beim Zentraleinkauf in Hongkong, wo die Ware entladen und wie sie weitertransportiert werden soll. Und das machen sie davon abhängig, wie die Ware aus deren Sicht zeitlich und monetär am besten läuft. Und darauf können wir Einfluss nehmen, indem wir die Prozesse im Hafen und deren Effektivität steigern. Eine Kooperation der Nordhäfen hat darauf zunächst wenig Einfluss – und beispielsweise Preisabsprachen wären darüber hinaus auch gar nicht zulässig.
Sie haben mal gesagt: „Wer zu lange stehen bleibt, hat schon verloren.“ Was ist Ihr Konzept für einen Hafenaufschwung? Wir müssen die Infrastruktur des Hafens weiter ertüchtigen. Es klingt einfach, dahinter stehen jedoch aufwendige Prozesse: Dinge, die erneuert werden müssen, müssen wir erneuern. Das ist immer schon das Rückgrat eines erfolgreichen Hafens. Wir haben es geschafft, den dummen Beton mit der intelligenten Technologie zu verbinden. Vom 8. bis 10. Oktober findet in Hamburg die Welthafenkonferenz statt. Dort werden wir wieder einige Lösungen präsentieren – „Solutions made in Hamburg ready to adopt“ („übernahmefähige Lösungen made in Hamburg“; d. Red.) nenne ich das. Und die werden – wie in der Vergangenheit – am Ende in der Welt auch auf Interesse stoßen. Denken Sie an die Landstromanlagen für Kreuzfahrtschiffe, die in Hamburg schon als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Wir waren in Europa die Ersten, die ein Kreuzfahrtterminal mit Landstrom ausgestattet haben. Das wird nun europa- und sogar weltweit Standard.
Ziehen denn andere Häfen mit oder bleibt es nur eine nette Idee? Die weltweite Hafengemeinschaft muss ihren Beitrag zur Dekarbonisierung mit einbringen und viel stärker zusammenarbeiten. Wenn ein landstromfähiges Kreuzfahrtschiff von Hamburg nach Rotterdam und Antwerpen fährt, sollte es in Europa und gerne künftig auch weltweit die gleichen Standards und Klassifizierungen geben.
Ist es so banal? Ja. Die Abstimmungsprozesse zwischen Ländern in Europa und erst recht in der Welt sind deutlich komplizierter, als man sich das so vorstellt. Da müssen alle Häfen gemeinsam besser werden, wenn wir die notwendige Geschwindigkeit bei der Dekarbonisierung erreichen wollen, um die vorgenommenen Klimaziele für den Planeten zu erreichen.
Die Opposition wie auch Hafenunternehmer und Reedereien sagen, dass der Hafen früher Wohlstandsmotor für Hamburg war und heute salopp gesprochen stottere. Nur ein schlechtes Image oder berechtigte Anforderung? Wir müssen kontinuierlich an Verbesserungen arbeiten und …
… das klingt sehr diplomatisch? Das ist meine sachliche Art. Die Lage ist nahezu weltweit schwierig. Wir müssen uns mit dem Thema Fachkräftemangel und Automatisierung viel stärker beschäftigen. In den USA gibt es schon einen massiven Arbeitskräftemangel. Auch bei uns in Deutschland wird das Phänomen kommen und hat ja schon zum Teil begonnen. Wir alle tun gut daran, wie wir es bei der HPA schon lange vorantreiben, modernste Technologien, Digitalisierung und Automatisierung so einzusetzen, dass sie die Kollegen und Kolleginnen bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützen.
Viele sehen darin Arbeitsplatzvernichtung. Im Gegenteil. Weil wir für viele Anforderungen künftig keine Arbeitskräfte mehr bekommen werden, müssen wir versuchen, mit technischen Hilfsmitteln, Robotertechnik und Automatisierung nicht zu besetzende Arbeitsplätze zu kompensieren. Wir arbeiten massiv daran, die Basis dafür zu schaffen, dass der der Hamburger Hafen weiterhin ein Garant für den Wohlstand bleibt. Nur so können wir die notwendigen Erlöse erzielen, die wiederum wichtig für die Freie und Hansestadt Hamburg sind, aber auch für die Bundesrepublik Deutschland. Der Hafen hat eine große nationale Bedeutung.
Das sehen in Berlin nicht alle so. Sie sind im November 2023 zum Präsidenten der International Association of Ports and Harbors (IAPH) ernannt worden, die eine globale Allianz von Häfen entwickeln will und heute rund 180 Häfen und 148 hafenbezogene Unternehmen in 84 Ländern repräsentiert. Sie sind damit so etwas wie der „Welthafenmeister“. Was können Sie als HPA-Chef und als IAPH-Präsident dafür tun, damit die Politik-Elite in Berlin den Hafen Hamburg ernst nimmt? Zumindest im Bundesfinanzministerium ist das Hafenthema den Akteuren bewusst. Sie wissen, welche Einnahmen aus dem Hafenzollamt Hamburg sprudeln. Aber es stimmt schon, zum Beispiel in den Niederlanden oder Belgien sind die Häfen und ihr Wohl viel stärker in der DNA verankert. Wir versuchen aber immer wieder das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Produkte, die in Bayern, Baden-Württemberg oder wo auch immer in der Republik erzeugt werden, wesentlich über den Hamburger Hafen exportiert werden. Der Hafen ist weder Folklore noch Kulisse, sondern ein wesentlicher Motor für den Wirtschaftsstandort Deutschland – und für Hamburg sowieso. Wenn der Hafen nicht funktioniert, kommen die Dinge des täglichen Lebens wie zum Beispiel Medizin- und Agrarprodukte oder auch Lebensmittel nicht zu den Endkunden. Wir denken an die Corona-Zeiten, als es kaum noch Toilettenpapier gab. Rund 80 Prozent der deutschen Produkte exportieren wir über die Schifffahrt und sind natürlich auch vom Schiffsimport vieler Dinge abhängig.
Worauf können Sie als aktueller Welthafenmeister Einfluss nehmen? Erst einmal kann ich alle Themen, die wir bisher erörtert haben, auf internationaler Ebene vorantreiben. Neben dem großen Thema Digitalisierung auch das Thema Data Collaboration, die Zusammenarbeit bei der Datenverarbeitung. Wie kann man für Häfen weltweit einen effizienten und sicheren Datenaustausch mit entsprechenden Standards herstellen? Wie gehen wir international mit der Herausforderung von Klima und Energie um, weil wir uns dort weltweit mitten in einer großen Transformation befinden? Und immer wichtiger wird das Thema „Risk and Resilience“, Risiko und Widerstandsfähigkeit, Belastbarkeit von Menschen, Dingen und Gesellschaften. Wir haben nicht nur Kriege und Rebellen, die den Schiffen und den Häfen das Leben schwer machen, sondern auch niedrige Wasserstände im Panamakanal oder Naturkatastrophen und Erdbeben, die ganze Hafenanlagen zerstören.
Ende Februar haben Sie als HPA-Chef und IAPH-Präsident zusammen mit dem Hamburger Reeder Nikolaus H. Schües, auch Präsident des internationalen Schifffahrtsverbandes BIMCO (The Baltic and International Maritime Council) bekannt gegeben, bis 2050 die globale Flotte von über 62.000 Schiffen um den Erdball klimaneutral fahren zu
lassen. Ist das realistisch? Die Vorgabe kommt von der IMO, der International Maritime Organization, mit Hauptsitz in London, die im Rahmen der Klimadebatte die Vorgaben für die Schifffahrt erstellt hat. Nikolaus H. Schües und ich haben uns damit beschäftigt, wie man das überhaupt erreichen kann.
Und wie? Erstens, nicht überraschend, bekommt man es weltweit nur gemeinsam hin. Einerseits erreicht man es durch langsameres Fahren und optimierte Logistikprozesse. Wenn man jedoch andererseits die fossilen Kraftstoffe umstellen will, braucht man dafür den grünen Wasserstoff und dessen Derivate sowie die entsprechend ausgerüsteten Schiffe. Das heißt, dass die Infrastruktur der Häfen dafür bereitgestellt werden muss und die Wasserstoff-Produzenten die erforderlichen Mengen auch liefern können. Diesen Dialog haben wir gemeinsam in Dubai auf unserer jüngsten IAPH-Konferenz angestoßen.
Was sagen die Öl produzierenden Staaten zur grünen Wasserstoff-Offensive? Einige haben meiner Meinung nach die Zeichen der Zeit erkannt. Saudi-Arabien hat das Mega-City-Projekt „Neom“ gestartet, in der die weltweit größte Herstellung von grünem Wasserstoff gestartet werden soll. Dafür werden unter anderem 400 Quadratkilometer Solaranlagen und Windmühlen aufgestellt. Der durch Elektrolyse hergestellte Wasserstoff soll in Ammoniak umgewandelt werden und dann in Hamburg anlanden. Partner der Zukunft werden bei den grünen Molekülen vor allem Kanada, aber auch Chile sein. Weltweit starten gerade viele solcher Projekte. Es ist ein schöner Zufall, dass Nikolaus Schües und ich Präsidenten unserer Vereinigung sind und mit dem Dritten in unserem Bunde, CEO Rolf Habben Jansen von Hapag-Lloyd, von Hamburg aus Tempo machen können. Solutions and standards managed by Hamburg.
Vom grünen Zukunftsmolekül zurück zur Beton- beziehungsweise Stahlrealität im Hafen: der Köhlbrandbrücke. Sie soll nun nach Wunsch von Architekten und prominenten Stadtplanungsorganisationen als Pkw-, Radfahr- und Fußgängerbrücke restauriert und erhalten werden. Für Lkws soll es eine eigene neue Brücke geben. Was will der HPA-Chef? Wir benötigen ohne Zweifel eine leistungsfähige West-Ost- und eine Ost-West-Querung. Wer sich seriös mit Risikomanagement und Belastbarkeit beschäftigt, braucht immer eine zweite Route zur Entlastung, wenn es Störungen gibt. Ich kann zum heutigen Zeitpunkt sagen, dass die aktuelle Köhlbrandbrücke in einem Zustand ist, dass sie nicht mehr ewig hält. Und wenn man sich mit Ersatzbauwerken beschäftigt, weiß man, dass es auch relativ lange dauert, bis das Ersatzbauwerk dann fertig ist. Unsere Aufgabe als Hafenbetreiber ist, für die Stakeholder, für all unsere Kunden, die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur im Hafen aufrechtzuerhalten. Es ist für den Schwerlastverkehr im Hafen eine extrem wichtige Achse.
Zur Köhlbrandbrücke gehören als Verbindung für den Lkw-Verkehr in den Hafen hinein und aus dem Hafen heraus die sogenannte Hafenquerspange und der „Lückenschluss“, die A26, die zudem noch die Hamburger Innenstadt von Lkws befreien soll. Wird sie kommen, die Grünen sind kategorisch dagegen? Ich will Ihre Leser mit meiner Redundanz-Analyse nicht langweilen, aber der Hamburger Hafen braucht auf jeden Fall zwei Strecken, um im Störungsfall reagieren zu können. Es hat damals eine Untersuchung dazu gegeben, warum beide Querungen notwendig sind. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass diese Analysen Jahre später immer wieder infrage gestellt werden. Unsere Freunde in den Niederlanden bauen Infrastruktur auf Zuwachs! Sie haben verstanden, dass man die Chance haben muss, über funktionierende Infrastruktur zu wachsen und das Leben angenehmer zu gestalten. Staus vermeiden, den Verkehr im Fluss halten. Dafür ist Straßeninfrastruktur zuständig. Ich wohne im Süden Hamburgs und sage Ihnen, dass es nicht viel Spaß macht, jeden Morgen Richtung Elbbrücken „Stop-and-go“ zu machen.
Apropos Aufregung. Jüngst gab es in der HafenCity Protest von den Eltern der Campusschule HafenCity gegen Ihren ursprünglich dort geplanten Neubau des HPA-Hauptsitzes im Lohsepark, die als Nachbarn dort den Schulbetrieb ihrer temporären Containerschule gefährdet sahen. Inzwischen sind Ihre Pläne offenbar auch wegen deutlich weniger erforderlichen Büroarbeitsplätzen bei der HPA gestoppt worden, und Sie ziehen 2026 in das heutige New-Work-Gebäude am Strandkai. Warum war die HPA offenbar so wenig vorbereitet auf das Neubauprojekt? Die HPA hat einen Mietvertrag hier in der Speicherstadt, der endet am 30. Juni 2026. Wir hatten das Interesse, in einem fließenden Übergang am 1. Juli 2026 in ein neues Gebäude einzuziehen. Durch den Umzug in ein modernes Gebäude wollen wir Effizienzsteigerung und bessere Zusammenarbeit bei bestimmten Prozessen erreichen.
Was passt bei Ihrem jetzigen Vermieter, der Hamburger Hafen und Logistik AG, der HHLA nicht? Aktuell ist die HPA in der Speicherstadt verteilt über mehrere Gebäude: Zum einen die Hauptverwaltung am Neuen Wandrahm, gegenüber die Projektbüros, wieder woanders unser Rechenzentrum; dann haben wir ein Gebäude gegenüber vom Spiegel-Hochhaus. Unser Ziel ist, in einem Gebäude zusammenzuziehen, weil wir dann einfach kürzere Wege haben. Und so möchten wir zugleich auch die Raumkonzepte und die Art der Zusammenarbeit verändern. In der Folge haben wir uns dann mit Alternativen beschäftigt, mit verschiedenen Standorten. Wenn wir als HPA auf den Büromarkt gehen, bekommen wir halt viele Angebote.
Hatten Sie Kriterien für den Standort? Natürlich. Wir fanden zum Beispiel, dass für die HPA als Hafen-Unternehmen der Hafenbezug erhalten bleiben sollte. Im Lohsepark neu zu bauen hätte noch viel Zeit in Anspruch genommen, und wir hätten zwischen der Fertigstellung eines Neubaus und dem Auszug aus unseren heutigen Gebäuden Zeit überbrücken müssen. Als dann das Objekt am Strandkai verfügbar wurde, haben wir unter Abwägung aller betriebswirtschaftlichen und standortspezifischen Fragen eine Entscheidung getroffen. Das bringt uns neben dem perfekten Standort auch betriebswirtschaftlich enorme Vorteile.
Wann kommen Sie also in die HafenCity? Wir freuen uns darauf, am 1. Juli 2026 in die HafenCity zu kommen und so noch dichter am Hafen zu sein. New Work SE wird Ende 2025 ausgezogen sein, und wir haben dann noch rund ein halbes Jahr, um das Gebäude für uns bezugsfertig zu machen.
Und wann eröffnet das Cruise Center HafenCity im neuen Westfield Hamburg-Überseequartier? Wie geplant im Laufe des Jahres 2025. Betreiben wird es unser Tochterunternehmen Cruise Gate Hamburg. Wir haben Anfang Januar ein ähnliches Terminalkonzept im kanadischen Vancouver besucht, um finale Details abzustimmen, da dort ein ähnliches Konzept wie unser künftiger Cruise Center HafenCity verfolgt wird. Er liegt ebenfalls in der Stadt und verbindet Wohnen, Einkaufszentrum, Kultur und Hotelbetrieb.
Was waren Ihre Eindrücke? Wir haben zum Beispiel noch einmal interessante Eindrücke über das Verkehrsaufkommen und die Passagierströme der Kreuzfahrtschiffsanleger gewinnen können und darüber, wie man diese intelligent leiten kann. Und wir sahen uns darin bestätigt, dass der typische Kreuzfahrttourist wie bei uns am künftigen Cruise Center HafenCity nicht der 20-jährige Single sein wird, sondern die ältere Generation, die Best Ager, die nicht ununterbrochen mit dem Handy herumlaufen. In Vancouver hat man sich für die Beschilderung ein schlaues Farbkonzept und eine intelligente Infoführung und Beschilderung ausgedacht. Warten Sie es ab (lacht).
Träumen Sie mal. Sie sind nicht nur wie heute schon Welthafenmeister der IAPH, sondern Bürgermeister von Hamburg, und Geld spielt keine Rolle: Was veranlassen Sie als Erstes? Sie müssen entschuldigen, aber Träumen ist nicht meine Sache. Wir haben einen klaren Hafenentwicklungsplan und werden diesen Schritt für Schritt umsetzen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit im Hafen Hamburg zu erhalten. Wir kennen die Maßnahmen, aber die diskutieren wir vertraulich im kleinsten dafür zuständigen Kreis. Wie auch bei der Köhlbrandquerung (schmunzelt).
Sie wollen einfach nichts verraten? Ich bin kein Lobbyist, der mit einem Megafon die Partner oder die Politik auffordert, Dinge zu unternehmen, sondern ein Hafenmanager, der mit anderen Verantwortlichen zusammen die Aufgaben und Hindernisse, die da sind, managt. So mache ich das seit 16 Jahren, und das ist mein Stil. Ich spreche grundsätzlich lieber über konkrete Projekte und Maßnahmen. Es gibt doch den schönen Spruch: „Erst wird man für eine Idee belächelt, dann wird sie bekämpft, schließlich ist sie selbstverständlich.“ Das war bei unseren Investitionen in die Hafenbahn wie auch bei den Landstromanlagen so. Mir gefällt es, wenn wir die Infrastruktur-Themen des Hafens mutig angehen – auf unsere Weise.
Und wie entspannen Sie vom Managerstress? Ich laufe gerne und viel, am besten anderthalb Stunden bis zu 14 Kilometer. Und wenn ich spät nach Hause komme, gehe ich manchmal noch aufs Laufband. Im Ausland ist das Laufen vor Terminen eine gute Gelegenheit, um neue Gegenden bewusst zu erleben und kennenzulernen. Zu Hause fahre ich auch leidenschaftlich Motorrad mit meiner BMW und gerne immer wieder auch die Elbe entlang.
Freizeit steht bei Ihnen also im Terminkalender? Die Zeit nehme ich mir. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe