HafenCity. Die geplante Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers ist nach April und August nun auch für den 17. Oktober 2024 erneut geplatzt – wegen fehlender Abnahmen bei Bautechnik und Brandschutz. Die HafenCity, Mieter:innen und seit April schon eingestellte Mitarbeiter:innen tragen Trauer. Frust – und Vorwärtsschauen
Jetzt wurde es endlich offiziell. Am Donnerstag, 19. September 2024, teilte der Investor, Bauherr und Managementbetreiber Unibail-Rodamco-Westfield (URW) mit, was bislang schon öffentlich war – laut Bericht der HCZ HafenCity Zeitung vom Sonntag, 1. September 2024: Das Westfield Hamburg-Überseequartier eröffnet nicht wie eigentlich geplant am 17. Oktober dieses Jahres, sondern es wird „die Eröffnung der Flächen für Einzelhandel, Gastronomie und Freizeit des Westfield Hamburg-Überseequartiers auf das späte erste Quartal 2025 verschoben“, so URW in einer Pressemitteilung.
Foto oben: Am 19. September 2024 kam die Absage des Bauherrn URW: „Die Eröffnung der Flächen für Einzelhandel, Gastronomie und Freizeit des Westfield Hamburg-Überseequartiers wird auf das späte erste Quartal 2025 verschoben.“ © Imago | Stephan Wallocha
„Die Verzögerung der ursprünglich für den 17. Oktober 2024 angekündigten Eröffnung schafft zusätzliche Zeit für den Abschluss der Inbetriebnahmephase des Projekts“, formuliert URW in feinstem PR-Sprech – ausbaden müssen das vor allem die Gewerbetreibenden im Überseequartier und ihre Mitarbeiter:innen, die schon seit April, dem ersten geplanten Eröffnungstermin, auf Kurzarbeit sind. Zu einem Post auf der HCZ-Facebook-Seite zur geplatzten Eröffnung im Oktober schreibt Userin Emma S.: „Kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung … da hängen Schicksale dran … schämen sollten die sich!“
Statt transparent und frühzeitig zu informieren, folgt man beim Investor URW der Vogel-Strauß-Politik: Kopf in den Sand und so lange schweigen, bis es für das börsennotierte Unternehmen am Aktienmarkt zu teuer oder sogar bedrohlich werden könnte. Denn wenn sie wichtige Businessziele und -termine verfehlen, rauscht mal schnell der Kurs in den Keller, und der Unternehmenswert kann millionen-, ja milliardenfach an Wert verlieren. Das rechtfertigt jedoch nicht, mit Mietern und deren Investitionen und deren Mitarbeiter:innen sowie mit Stadt, HafenCity und der Stadtgesellschaft nicht auf Augenhöhe umzugehen (siehe auch Editorial Seite 3). Großbaustellen können tückisch sein, wie etwa der Flughafen BER, bei dem auch gravierende Mängel bei Bautechnik und Brandschutz für jahrelange Verzögerungen gesorgt haben.
Dennis Thering, Bürgerschaftsabgeordneter und Fraktionschef der CDU sowie Herausforderer des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) bei der Bürgerschaftswahl am 2. März, ist fassungslos: „Die abermalige Verschiebung des Einkaufszentrums Westfield-Überseequartier ist für Hamburg und die HafenCity und ganz besonders für die Mieterinnen und Mieter eine Katastrophe. Es fällt in eine Reihe von Pleiten, Pech und Pannen bei wichtigen Stadtentwicklungsprojekten der Stadt und unterstreicht einmal mehr, das von der Planung bis zur Realisierung und tatsächlichen Eröffnung in unserer Stadt zu viel Zeit vergeht.“ Und, so Thering weiter: „Klar ist: Es handelt sich um ein weiteres Großprojekt mit massiver Verzögerung, welches die Handschrift von Olaf Scholz trägt. Der Vergleich zur unweit liegenden SPD-Bauruine Elbtower kommt nicht von ungefähr. Das Westfield-Überseequartier darf sich nicht zum nächsten Beispiel Scholz’scher Selbstüberschätzung entwickeln!“
Ja, da ist im Sound immer auch ein wenig Wahlkampf-Modus dabei, aber die Sorge, dass das Nichteröffnen des Überseequartiers eine sogenannte Never Ending Story wird, treibt alle um, denen das Überseequartier am Herzen liegt oder die Nachbarn aus der HafenCity sind und nach rund zehn Jahren Großbaustelle endlich auch mal Edel-Shopping und Gastronomie-Vielfalt sowie neue Kultur- und Entertainment-Angebote genießen wollen.
Und so ist zwar auch Fitness-Unternehmer Nils Kuprat von Prime Time Fitness auf dem Überseeboulevard erschüttert über die Pleiten, Pech und Pannen und die Unfalltoten auf der Großbaustelle, aber seinen Untenehmergeist kann das nicht erschüttern. „Die wiederholte Verschiebung der Westfield-Eröffnung ist natürlich frustrierend, aber die Sicherheit aller zukünftigen Mieter und Gäste hat oberste Priorität. Ich freue mich schon sehr“, so Kuprat, „dass der Überseeboulevard bald keine Sackgasse mehr ist, und hoffe, dass die Baustelle kurzfristig fertiggestellt werden kann. Ich sehe den neuen Nachbarn und den frischen Impulsen für die HafenCity gespannt entgegen und wünsche dem gesamten Quartier eine sichere und baldige Eröffnung!“
Da tickt Nils Kuprats Wettbewerber Alexander Sosa, der im Überseequartier sein großes Fitnessstudio Sports Club mit Sauna eröffnen will und durch die nun schon dreimal verschobene Eröffnung heftig Geld verloren hat, ähnlich. Natürlich ist auch er stinkig, dass es einfach nicht losgehen will, wo doch alles und alle in seinem Team seit April in den Startlöchern stehen. Jammern und Aufgeben gehören eben nicht zur Unternehmernatur. „Wir hätten uns für unsere Kunden gewünscht, dass wir unser Premium-Fitnessstudio mit Panorama-Elbblick schon lange hätten öffnen dürfen. Schließlich ist es schon lange fertig gebaut, und die neuen Fitnessgeräte warten nur darauf“, so Sosa, „endlich genutzt zu werden. Jetzt müssen sich unsere Kunden leider noch ein wenig gedulden. Sie dürfen aber bis zur Eröffnung kostenfrei in unseren anderen Filialen trainieren.“
Und anders als kleine und mittlere Unternehmen, die die Verzögerungen an finanzielle Belastungsgrenzen bringen, kann Sosa das mit seinen vielen Sports Clubs in Norddeutschland eher kompensieren und blickt auch deshalb optimistisch nach vorne: „Natürlich entstehen uns durch die Verschiebung der Eröffnung auch finanzielle Einbußen. Hierzu führen wir aber Gespräche mit dem Vermieter und sind zuversichtlich, dass wir hier eine einvernehmliche, partnerschaftliche Lösung finden. Wir stehen voll und ganz hinter diesem Projekt, das für Hamburg sicher eine große Bereicherung darstellen wird. Und bis zum ersten Quartal des nächsten Jahres halten wir auch noch durch.“
Die HCZ HafenCity Zeitung hat sich umgehört im Hood bei Bauherren, Quartiersmanagern, Westfield-Mietern sowie Bürgerschafts- und Bezirkspolitikern, die beruflich oder nachbarschaftlich mit dem Westfield-Center zu tun haben, und gefragt: „Was bedeutet für Sie denn die Nichteröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers?“ (siehe Umfrage rechts und auf Seite 15) Die Reaktionen reichen von offener Kritik mit „existenzbedrohender Durststrecke“ über „Enttäuschung und Verluste“ oder „Mitgefühl für Gewerbetreibende“ bis zu freundlicher Kollegialität, die eine „verlängerte Vorfreude“ aus dem Verschieben zieht, oder die Hoffnung, „dass jetzt alles nach Plan verläuft“.
»Ich freue mich schon sehr, dass der Überseeboulevard bald keine Sackgasse mehr ist, und hoffe, dass die Baustelle kurzfristig fertiggestellt werden kann. Ich sehe den neuen Nachbarn und den frischen Impulsen für die HafenCity gespannt entgegen und wünsche dem gesamten Quartier eine sichere und baldige Eröffnung!«
Nils Kuprat, Prime Time Fitness
Das wünscht man allen Beteiligten und der HafenCity, aber auch dem Investor. Denn was so en passant bekannt gegeben wurde, beruhigt nicht gerade die Nerven. Größe schützt vor Absturz nicht. Das Westfield Hamburg-Überseequartier ist auch für den Global Player URW mit 71 Centern in zwölf Ländern und weltweit 900 Millionen Besucher:innen ein heißer Ritt auf der Finanzklinge geworden. „Die verspätete Eröffnung des Einzelhandelsbereichs wird zu zusätzlichen Kosten in Höhe von schätzungsweise 100 Millionen Euro führen, die im Wesentlichen im Zusammenhang mit der verlängerten Bauzeit und den Kompensationen für die Mietpartner entstehen.“ Damit beträgt das Gesamtinvestitionsvolumen jetzt offiziell rund 2,26 Milliarden Euro – über 120 Prozent Kostensteigerung. Das sind sogenannte biblische Zahlen und ist kaufmännisch ein Super-GAU.
Auf der Halbjahresbilanzpressekonferenz im Juli hatte der Vorstandsvorsitzende des Investors URW, Jean-Marie Tritant, deutlich gemacht, dass beim Bau des Westfield Hamburg-Überseequartiers „die Situation inakzeptabel sei, wichtige Lehren daraus gezogen und weitere notwendige Maßnahmen eingeleitet würden“. Zugleich kündigte er eine unabhängige Untersuchung an, die sich auf die Ermittlung der Grundursachen für die erheblichen Kostensteigerungen und Verzögerungen konzentriere.
Dass die „Flächen für Einzelhandel, Gastronomie, Unterhaltung und Kultur im Westfield Hamburg-Überseequartier zu 93 Prozent vermietet“ seien, ist zwar eine hervorragende Quote, wirkt jedoch angesichts der drei Nichteröffnungen leider zugleich wie ein Pfeifen im Walde. Also: Alles zurück auf Los und aufs Frühjahr 2025 hoffen. Hamburg, die HafenCity und vor allem auch die Mieter im Überseequartier hätten endlich mal die Eröffnung verdient.
Wie sagt doch der HafenCity-Hamburg-Chef Andreas Kleinau in der Antwort auf die HCZ-Frage: „Für die Mieterinnen und Mieter des Westfield – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen oder lokale Marken –, aber auch für die Mitarbeitenden, die mit Ausblick auf die neu entstehenden Arbeitsplätze eingestellt wurden, ist die Situation sehr herausfordernd. Alle Beteiligten benötigen so bald wie möglich eine gesicherte Perspektive.“ So ist es. Wolfgang Timpe