»Sprechende Plastikspielzeuge«

Vorschau. Die Uraufführung von »Trash Island – Ein Musical zum Wegschmeißen« hält, was der Titel verspricht. Im Schmidtchen auf der Reeperbahn vibrieren die Unterhaltungsmuskeln

Bei der Uraufführung von „Trash Island – Ein Musical zum Wegschmeißen“ im Schmidtchen erinnert das Bühnenbild an eine Mülldeponie, nein, besser: an einen Recyclinghof. Einzig ein leicht angeschrägtes Podest droht nicht im Abfall zu versinken. Dort tummeln sich die adoleszente Johanna (Finja Meier), ihr Vater Freddy (Markus Schöttl) und das Findelkind Friday (Patrik Cieslik) die meiste Zeit. Das Trio lebt zusammen auf einer Insel, erbaut aus Plastik, mitten im Pazifik. Eigentlich fühlen sich die drei wie im Paradies. Freddy hat sich freiwillig von der Zivilisation abgeschottet, und seine (Zieh-)Kinder sind aus einem einfachen Grund absolut zufrieden mit ihrem Leben: Sie kennen gar nichts anderes. Johanna hat offensichtlich Spaß daran, ihre bunten PVC-Klamotten zu tragen. Ihre Freund:innen sind sprechende Plastikspielzeuge.
Foto oben: Begeisternde Lust am Spiel von Patrik Cieslik und Kathrin Finja Meier: bitterböse Gags. © Morris Mac Matzen

Dieses Idyll kriegt allerdings einen Knacks, als der Umwelt-Start-upper Felix auf das Eiland kommt. Er will den ganzen Müll kurzerhand wegmachen – nicht ohne seine Social-Media-Community daran teilhaben zu lassen. Ohne Selfiestick und sein Smartphone geht bei ihm eh nichts. Klar, dass er einen Fridays-for-Future-Sticker auf seinem Hemd hat. Obgleich Johanna mit Felix’ Attitüde zunächst fremdelt, kommen sich die beiden näher. Aus Papa Freddys Sicht zu nah … Das ist aber weiß Gott nicht das einzige Problem auf Trash Island. Mitarbeiter:innen eines internationalen Konzerns, die nach seltenen Erden suchen, entern die Insel. Auch ein Bio-Kreuzfahrtschiff sorgt für Wirbel.

Entertainment, bis der Arzt kommt. Der Berliner Autor und Komponist Tom von Hasselt lässt sein „Trash Island“-Musical bewusst zwischen Satire und Komödie oszillieren. Getragen wird es von drei tollen Darsteller:innen (v. l.: Patrik Cieslik, Markus Schöttl und Kathrin Finja Meier), die im Laufe des Abends immer wieder neue Figuren hingebungsvoll verkörpern. © Morris Mac Matzen

Den überkandidelten Kapitän, der zumindest ein bisschen an Florian Silbereisen in der Rolle des Kapitäns Prager in der Fernsehserie „Das Traumschiff“ angelehnt ist, gibt Markus Schöttl, in Hamburg bekannt geworden als Harry Potter, mit Verve. Hemmungslos stößt er in Richtung Satire vor, als er Johanna ihre allererste Kartoffel probieren lässt. Sie fragt ihn: „Warum ist die denn so braun?“ Er antwortet: „Na ja, kommt aus Sachsen.“

Das ist ein bitterböser Gag. Der Berliner Autor und Komponist Tom von Hasselt lässt sein Musical bewusst zwischen Satire und Komödie oszillieren. Getragen wird es von drei tollen Darsteller:innen, die im Laufe des Abends immer wieder neue Figuren hingebungsvoll verkörpern. 

Plastikinsel der Sehnsucht: erinnert an einen grünen ­Recyclinghof. © Trash Island | Artwork: Schmidts Tivoli GmbH

Ob Meeresverschmutzung, Familiendramen oder Trennungen aller Art: Das kleine Ensemble arbeitet sich an den unterschiedlichsten Themen ab. Wie intensiv sich die Zuschauer:innen tatsächlich auf diese Sujets einlassen, kann jede:r für sich entscheiden. Auf jeden Fall kommt die Inszenierung von Marco Krämer-Eis nie mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Im Vordergrund steht in dieser schrill-überdrehten Aufführung, die gespickt ist mit Zitaten aus Filmen und Fernsehserien, immer die Unterhaltung. Dagmar Leischow

Info „Trash Island“ läuft wieder vom 13. Februar bis 15. März 2025 im Schmidtchen. Karten und weitere Informationen unter www.tivoli.de

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