Stadtteil-Initiative. Fußball steht für gutes Miteinander und gelebte Integration. DerBolzplatz im Lohsepark soll wegen des Schulbaus ersatzlos gestrichen werden. Warum denn nur? Gibt es Hoffnung fürs Kicken im Quartier? Neuer Standort für den Bolzplatz aus dem Lohsepark gesucht!
Es ist definitiv der lebendigste Ort in dem neuen Quartier, da wird von morgens bis abends gekickt“, hat der Hamburger Star-Architekt André Poitiers in einem Interview der „Zeit“ gesagt. Gemeint war der Bolzplatz am Lohsepark. Doch mit dem Kicken dort soll es am 1. April kommenden Jahres vorbei sein. Denn dann beginnen auf dem Baufeld 77 die Arbeiten für den Neubau der weiterführenden Schule Campus HafenCity. Genau unter dem Bolzplatz soll es mit der Kampfmittelsondierung losgehen.
Aus Spendengeldern finanziert und gebaut wurde der Bolzplatz vom Verein Spielhaus HafenCity e.V., der ihn auch betreibt. Der Architekt Poitiers spricht vom „tactical urbanism“ und meint damit „temporäre, von Bürgerinnen und Bürgern initiierte oder gestaltete Orte“, die eine große Bedeutung haben für das Stadtleben. Und weil der Verein Spielhaus HafenCity diesen von der Nachbarschaft für die Nachbarschaft geschaffenen Bolzplatz gerne weiterbetreiben möchte, hat er die HafenCity Hamburg GmbH darum gebeten, einen neuen Standort zur Verfügung zu stellen. Und zwar die Brache unterhalb des Hundeauslaufs an der Versmannstraße.
„Wir haben das schon ausgemessen“, sagt Marco Thomsen, der vor 14 Jahren mit Frank Engelbrecht, damals Pastor in St. Katharinen, die Idee zu dem Bolzplatz hatte. „Auf der Fläche könnten wir sogar einen etwas größeren Platz von 24 mal 30 Metern unterbringen.“ Außerdem noch das kleine Feld und alle Container, in denen Equipment lagert (siehe Illustration rechts). Der Verein hat das sogenannte Baufeld 78, neben der Hundeauslauffläche, der HafenCity Hamburg GmbH bereits vorgeschlagen. Allerdings bisher ohne Erfolg.
Den Bolzplatz zu verlagern, ist für Thomsen kein Problem, denn zwei Umzüge hat der Verein schon hinter sich. Zuerst kickten vor allem Kinder auf einer Brache an der Straße Am Sandtorpark, auf dem heute der Wohn- und Ladenlokalkomplex „Käpt’n“ steht. „Wir fühlten uns zusammen mit den ersten Bewohnern der HafenCity wie Pioniere – und durften den Wandel gestalten und erleben“, erzählt Frank Engelbrecht, der damals Pastor in St. Katharinen war und die Bolzplatzpläne gemeinsam mit Marco Thomsen entwickelte und in die Tat umsetzte.
„Auf der Fläche könnten wir sogar einen etwas größeren Platz von 24 mal 30 Metern unterbringen.“ Außerdem noch das kleine Feld und alle Container, in denen Equipment lagert. Der Verein hat das sogenannte Baufeld 78, neben der Hundeauslauffläche, der HafenCity Hamburg GmbH bereits vorgeschlagen. Allerdings bisher ohne Erfolg.“
Marco Thomsen, Bolzplatz-Mitgründer vor 14 Jahren
Später zog der Platz auf die nördliche Brache am Lohsepark. 60.000 Euro an Spendengeldern sammelten Thomsen und seine Mitstreiter damals, um den Kunstrasenplatz zu finanzieren. Außerdem bauten sie das Fußballtraining für Kinder immer weiter aus, machten Angebote für immer mehr Altersgruppen. Doch schließlich musste der Bolzplatz dem damals geplanten Gruner+Jahr-Neubau weichen – der jedoch abgesagt wurde. Da aber hatte der Fußballplatz schon einen neuen Standort am Lohsepark. Bis das kleine Feld im Baakenhafenpark eröffnet wurde, war der vom Spielhaus HafenCity e.V. betriebene Bolzplatz der einzige Fußballplatz im Quartier.
Allerdings hat sich die Zahl der Bewohner in der HafenCity inzwischen vervielfacht und damit der Bedarf – und der würde mit einem Sportfeld am Baakenhafen und einem Neunerfeld im Oberhafen, das von einem Verein betrieben werden soll, keineswegs gedeckt. Gekickt wird auf dem Bolzplatz im Sommer sogar bis spät in die Nacht, denn er ist einer der raren beleuchteten Plätze in Hamburg. Auch der Campus HafenCity nutzt den Bolzplatz seit drei Jahren für den Sportunterricht, mangels eigener Sportflächen.
„Wir benötigen den Bolzplatz, um Fußballer:innen zu trainieren, die sich weiterentwickeln möchten“, erklärt Kevin Prinz von Anhalt, 30, der das Projekt „Skillers“ betreibt. „In Hamburg gehören die meisten Plätze Vereinen, was es uns erschwert, Trainingsmöglichkeiten anzubieten.“ Die Mieten seien oft so hoch, „dass sie für uns nicht bezahlbar sind“. Auf dem Bolzplatz am Lohsepark zeigen die Skillers jungen Talenten zwischen 13 und 18 Jahren unter anderem Tricks, um sich weiter zu verbessern. Oder sie veranstalten Wettbewerbe wie die „Skillers Ligabattle“, bei der in sieben Spielen Spieler aus sieben verschiedenen Ligen gegeneinander antreten.
„Ich möchte den Platz nicht verlieren“, sagt auch Prince Opuku-Boampong, 37. Er wohnt in der HafenCity und steht seit rund anderthalb Jahren jeden Samstagmorgen auf dem Bolzplatz und organisiert die Fußballer zu kleinen Teams. Angefangen hat er mit Freunden, die ein Sportangebot und einen Treffpunkt für Erwachsene schaffen wollten. Heute kickt seine Gruppe von rund 50 Freizeitspielern hier regelmäßig. Manche von ihnen kommen aus der HafenCity oder von der Veddel, andere aus Eimsbüttel oder Steilshoop (siehe Umfrage Seite 31). „Schau dir an, welchen Spaß wir hier haben. Wir treffen uns, machen Sport, essen sogar zusammen.“ Seiner Gruppe hat er den Namen „Keep fit“ gegeben.
Für Opuku-Boampong geht es bei seinem Projekt allerdings um mehr als nur um Fitness: „Es geht um Inklusion und Integration.” Viele der Spieler hätten afrikanische Wurzeln: Kenia, Nigeria, Ghana. Und er verweist auf die psychologische Wirkung des Teams. Einer der Spieler sei beispielsweise anfangs „unsicher und nervös gewesen“, als er zu der Gruppe stieß. Aber inzwischen habe ihm das Training „ein neues Level an Selbstvertrauen“ gegeben.
„Derzeit nicht genutzte städtische Flächen“ sollen für „soziale Projekte nutzbar gemacht werden können“, heißt es im Koalitionsvertrag des amtierenden rot-grünen Senats von Bürgermeister Peter Tschentscher. Somit auch die Brachen in der HafenCity. Baufeld 78, auf dem das Spielhaus HafenCity den Bolzplatz gerne weiterführen würde, gehört der Stadt Hamburg. Schon vor Jahren hat der letzte Interessent den Plan, dort ein Hotel zu bauen, aufgegeben.
Auf dem Bolzplatz am Lohsepark hat im vergangenen Jahr auch der Innen- und Sportsenator Andy Grote gekickt. Er sagte an dem Tag: „Je mehr wir die Stadtgesellschaft in Bewegung bringen, desto größer ist der Profit, den alle davon haben. Es geht um Sichtbar- und Erlebbarkeit von Sport und Bewegung, und es geht um Aktivierung, um auch die letzten Ausreden, keinen Sport zu treiben, ungültig zu machen.“ So ungefähr könnte man auch das konkrete und das gesellschaftliche Ziel des Bolzplatzes beschreiben. Unterstützung aus der Politik hat der Verein jedenfalls. „Ich bin sehr dafür, dass der bei Kindern und Jugendlichen beliebte Bolzplatz am Lohsepark als Zwischennutzung neben der Hundeauslauffläche eine Chance bekommt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller von den Grünen. „Für Kinder und Jugendliche ist so eine Fläche wichtig, und warum sollte die Fläche dort nicht zwischengenutzt werden?“
Ja, warum eigentlich nicht? Maria Bitter
Stimmen zum Spiel
Umfrage. Fußballer:innen erzählen, warum Ihnen Begegnung und Vielfalt auf dem Bolzplatz wsichtig sind und warum sie weiter in der Nähe des Lohsepark kicken wollen
Janni Thomsen (M.), 15, HH-HafenCity: Der Bolzplatz ist mein zweites Zuhause. Ich gehe dorthin, seit ich vier Jahre alt war. Ich treffe dort neue Leute und alte Freunde, habe dort schon sehr viele Skills gelernt. Ich spiele Fußball auch im Verein, aber hier kann ich mich mit Erwachsenen messen.
Zum Bolzplatz gibt es keine Alternative. Der Multifunktionsplatz im Oberhafen hat einen Plastikboden, der Platz im Baakenhafen hat schlechten Untergrund, wie Teppich, und aus den Toren hüpft der Ball zurück. Einen Ballfangzaun gibt es auch nicht, deshalb fliegt der Ball manchmal ins Wasser. Dann ist er weg.
Ich bin mit dem Bolzplatz aufgewachsen. Ich habe hier Kinder-Turniere gespielt, jetzt helfe ich bei denen. Hier treffe ich ehemalige Profis, die mir viel zeigen können, und die Skillers bieten für uns Zusatztraining auf höchstem Niveau an. Das alles würde mir fehlen.
Emily Lazorchak (r.), 25, HH-Niendorf, mit Sarah: Ich habe Deutsch wegen des Fußballs gelernt und und es war mir wichtig, in Deutschland weiterzuspielen. Im Mai bin ich auf diese Gruppe gestoßen und bin froh, unsere tolle, kleine internationale Community gefunden zu haben. Viele von uns kommen aus anderen Ländern.
Ich finde es schön, dass man auch Familien und Kinder aus der HafenCity auf dem Bolzplatz kennenlernt. Und ich freue mich, dass er allen kostenlos zur Verfügung steht.
Samuel Asare, 23, HH-St. Pauli, Schanzenviertel:
Der Platz vereint und verbindet uns alle. Junge Menschen kommen hier zusammen, um Sport zu machen und vor allem Spaß zu haben.
In der Woche geht man zur Schule oder zur Arbeit. Das Wochenende hier hilft uns dabei, unsere „verschiedenen“ Erfahrungen und Charakteristiken beiseitezulegen und als Einheit aufzutreten und zu spielen. Es wäre schade, den Platz hier zu verlieren.
Mara, 18, HH-HafenCity: Hier auf dem Bolzplatz kann ich mich mit Freunden und Nachbarn spontan treffen, um eine Runde Fußball zu spielen. Unsere Klasse hat hier auch einen Tag mit unseren schwedischen Austauschspielern verbracht. Alle waren beeindruckt vom Bolzplatz! Wir Jugendlichen benutzen den Platz oft einfach als Treffpunkt. Es wäre schade, wenn er wegfiele!
Leonard Brodersen (r.), 21, HH-Eimsbüttel: Ich schätze den Bolzplatz, da ich hier über viele Jahre gute Freundschaften mit Leuten aus ganz Hamburg mit verschiedensten Hintergründen geschlossen habe. Es ist immer wieder schön, bekannte Gesichter wiederzusehen und mit ihnen über den Fußball hier in der HafenCity verbunden zu sein.
Der Platz hat mich auf dem Weg zum Fußballprofi schon lange begleitet. Und ich habe mit meinem Freund Hendrik auf diesem Platz Training für die Kinder in der Umgebung gegeben. Dieser Platz bringt viele Menschen zusammen, so dass er zu einem Ort von Verbundenheit gewachsen ist.
Josh, 32, HH-Eimsbüttel: Ich komme wegen der Gemeinschaft, die sich jeden Samstag um 9 Uhr auf dem Platz trifft und spielt. Die gute Stimmung und die unterschiedlichen Temperamente bringen sehr viel Spaß. Hier treffen viele Kulturen zusammen. Super!
Hier kommen alle aus verschiedenen Stadtteilen zusammen. Der Platz hat eine perfekte Größe, und die Verkehrsanbindung ist für alle super. Und die HafenCity hat mit diesem Platz eine Sportstätte direkt an der Elbe. Für mich ist eine Sportstadt wichtig.
Jeremy Arthur, 24, HH-Wandsbek: Ich mag einfach die Gegend, das Flair hier, und die Freude Fußball zu spielen. Alle meine Freunde versammeln sich hier. Das ist für uns Ablenkung vom Stress der Woche. Wir brauchen diesen Platz!
Minou Tsimba-Eggers, 26, HH-Winterhude: Ich piele auf dem Bolzplatz, weil ich so aufgewachsen bin. Von klein auf haben wir immer nur auf einem Bolzplatz gekickt und, meiner Meinung nach, auch da die Besonderheiten, die eigenen Skills gelernt. Ich verbinde viele emotionale Momente mit dem Platz.
Ich möchte der nächsten Generation die Mentalität mit auf den Weg geben, die wir auf dem Bolzplatz gelernt haben: Hier ist nie Platz für Rassismus oder Diskriminierung jeglicher Art.
Rasmus, 12, HH-HafenCity: Er ist nicht so weit von uns Zuhause entfernt. Der Bolzplatz ist mir wichtig, weil ich mich dort mit Freunden treffen kann. Und weil es der einzige Fußballplatz in der HafenCity ist, wo man ungestört trainieren kann.
Derrick Amoabeng, 19, HH-Steilshoop: Ich komme gerne zum Bolzplatz, weil er perfekt für ein kleines Turnier ist und in der Mitte von Hamburg liegt. Und er motiviert mich, an jedem Wochenende etwas für mich mit anderen zu machen. Viele Jugendliche kommen und man hat gemeinsam Spaß.
Hendrik Enge (l.), 21, HH-Hammerbrook: Ich spiele schon seit Jahren auf dem Platz, da in der HafenCity nur dieser Platz für Fußball vorhanden ist. Ich verbinde mit dem Platz ein Heimatgefühl.
Mein bester Freund Leonard und ich haben in der Corona-Zeit eine Fußballakademie auf dem Bolzplatz gegründet. Wir wollten, dass die Kids aus der HafenCity ohne einen langen Fahrweg trainieren können. Es ist an diesem Ort etwas sehr Besonderes entstanden.