»Wir haben erfolgreich regiert und geliefert!«

Interview. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank möchte von den Hamburger:innen wiedergewählt werden. Hamburgs Zweite Bürgermeisterin über Vertrauen und Mobilitätswende, Wissenschaft und Talente sowie Elbtower und Kühne-Oper

Die plakative Klarheit ihrer Wahlplakate sitzt: „Herz. Verstand. Fege­bank“. Die sachliche Botschaft der Grünen und ihrer Spitzenkandidatin Katharina Fegebank nimmt die Wähler:innen auch emotional an die Hand: „Mir können Sie vertrauen, ich mache nichts Unbedachtes, und Ihre Anliegen sind bei mir gut aufgehoben“, so der Sound. Es ist der charmante Mix aus gewinnendem Lächeln und politischem Selbstbewusstsein nach zehn Jahren im Amt als Zweite Bürgermeisterin Hamburgs, der auch das Gespräch mit der HCZ HafenCity Zeitung prägt. 
Foto oben: Katharina Fegebank, Zweite Bürger­meisterin und Spitzenkandidatin der Grünen, zieht in der HCZ Bilanz: „Wir haben uns im Senat um die Probleme der Hamburgerinnen und Ham­burger gekümmert, statt uns wie im Bund mit uns selbst zu beschäftigen.“

Frau Bürgermeisterin, woher kommt die aktuelle Hamburger Zustimmung zu Rot-Grün? In jüngsten Umfragen legt die SPD um zwei Prozentpunkte auf 34 Prozent zu, und die Grünen sind stabil bei 20 Prozent, während das Bündnis bundesweit dramatisch an Zustimmung verliert. Was ist Ihnen im „Tschentscher II“-Senat in den vergangenen fünf Jahren gelungen? Wir freuen uns über diese Zustimmung und spüren den Rückenwind, ja fast eine Art Euphorie, jetzt auch im Wahlkampf, wenn wir an den Ständen stehen, Haustürwahlkampf machen und über grüne Themen ins Gespräch kommen. Der Erfolg hängt damit zusammen, dass es uns gelungen ist, als rot-grüner Senat die letzten Jahre vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und für Hamburgerinnen und Hamburger Verlässlichkeit auszustrahlen. Wir haben uns um ihre Probleme gekümmert, statt uns wie im Bund mit uns selbst zu beschäftigen oder gar wortreich auf offener Bühne zu streiten. Im Gegenteil: Wir haben erfolgreich regiert und geliefert! 

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank vor dem Oval am Kaiserkai in der HafenCity: „Ich mache Politik aus Leidenschaft, nah dran an den Menschen und mit Herz und Verstand. Ich traue ­grundsätzlich Menschen mehr zu, also will die Stadt mit den Leuten in den Nachbarschaften, in den Stadtteilen gemeinsam verändern und gemeinsam vorantreiben. Das versuche ich auszustrahlen und auf Augenhöhe zu leben.“ © Catrin-Anja Eichinger

Bei welchen Themen? Wir haben uns vorgenommen, die Stadt voranzubringen: Bei der Mobilitätswende, dem Klimaschutz und der Energie­wende haben wir große Sprünge gemacht sowie Stadtdebatten darüber angestoßen. In meinem Bereich, in Wissenschaft, Forschungs- und Innovationsfragen, ist es uns gelungen, mit einem klaren Plan strategische Standortentwicklung zu machen und damit eine neue Stadterzählung anzustoßen, also das Bild der stolzen und selbstbewussten Handels- und Hafenstadt zu weiten und zu sagen: Wir setzen auch auf Wissenschaft, auf internationale Köpfe und Talente, auf Ideen und Innovationen made in Hamburg, weil das für uns der Weg für die Zukunft ist. Wir haben einfach beherzt die Dinge in die Hand genommen, das Bildungssystem stabilisiert und ausgebaut oder auch unsere Wohnbauziele verfolgt.

Die man verfehlt hat. Ja. Der Grund ist aber klar: die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine rasant gestiegenen Baukosten und Zinsen. Das ist eine echte Herausforderung, aber wir bauen als Stadt trotzdem weiter Wohnungen und hauen nicht einfach in den Sack, wenn es um uns herum herausfordernd wird. Und wir Grüne wollen in den nächsten Jahren noch mehr bezahlbare Wohnungen schaffen, den Drittelmix zu einem 50:50-Modell weiterent­wickeln und damit auch die Zahl der geförderten Wohnungen erhöhen. 

Sie sind bei der Wahl am 2. März 2025 die grüne Spitzenkandidatin um das Amt der Ersten Bürgermeisterin. Was haben Sie, was Ihre Wettbewerber Peter Tschentscher von der SPD und Dennis Thering von der CDU nicht haben? Ich mache Politik aus Leidenschaft, nah dran an den Menschen und mit Herz und Verstand. Ich traue grundsätzlich Menschen mehr zu, also will die Stadt mit den Leuten in den Nachbarschaften, in den Stadtteilen gemeinsam verändern und gemeinsam vorantreiben. Das versuche ich auszustrahlen und auf Augenhöhe zu leben. Einerseits setze ich mich konkret mit einzelnen Themen auseinander, und andererseits möchte ich immer die Zukunft im Blick haben. Mein Leitmotiv ist: jeder guten Idee eine Chance geben. Das habe ich in meinen Ressorts Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und den Brot-und-Butter-Themen der Bezirke gezeigt. Und wichtig ist auch: Mit mir bleibt Hamburg eine grüne Stadt.

Bei welchen Themen sollte es besser laufen? Besser geht immer. Nehmen Sie die Themen Genehmigungsverfahren in der Verwaltung oder noch zu langsame Prozesse bei der Digitalisierung. Ich begreife Kritik da nicht als Anwurf, sondern als Ansporn, überall noch eine Schippe draufzulegen und an Tempo zuzulegen. Ich sage aber auch: Wir müssen sagen, wie das gehen soll – mit den Menschen in der Verwaltung und in der Stadt.

Soll das Naturkundemuseum im Elbtower einziehen, Katharina Fegebank? „Die Idee, in einen fertig gebauten Elbtower zu gehen, hat für mich tatsächlich einen gewissen Charme. Doch eins ist völlig klar: Da ist der Drops noch lange nicht gelutscht. Es muss wirtschaftlich, praktikabel und machbar sein.“ © Catrin-Anja Eichinger

Ihr grüner Slogan „Mit Herz und Verstand“ setzt auf die klimaneutrale Stadt, die Windenergie und die Verkehrswende mit weniger Autos in der City hin zu E-Mobilität und Fahrrad. SPD wie auch die CDU mit ihrem Slogan „Rückenwind für Hamburgs Wirtschaft“ setzen hingegen unter anderem auf Industrie- und Businessthemen. Sind Ihnen grüne Themen wichtiger als die Wirtschaft? Das eine tun und das andere nicht lassen. Noch einmal: Wir gehen mit dem Herz und Verstand für unsere Stadt in diese Wahlauseinandersetzung, um zu zeigen, dass uns die Themen der Stadt, der Menschen wichtig sind. Uns geht es darum, das Leben vor Ort bezahlbar zu halten, trotz der externen Einflüsse und Krisen. Wir setzen uns intensiv für sozialen Wohnungsbau und bezahlbare Mobilität ein und suchen ebenso offensiv wie innovativ mit den Menschen Lösungen bei harten Wirtschaftsfragen. Und wir können auch Erfolgsstorys beim Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft erzählen. So habe ich mit Freude im Januar den großen Tunnelbohrer „Hermine“, mein Taufkind, nördlich der Elbe willkommen geheißen. Die hat sich aus dem Süderelbe-Raum durchgebohrt bis in den Hindenburgpark in Othmarschen, wo jetzt künftig Fernwärmeleitungen verlegt werden und industrielle Abwärme genutzt wird, um über 180.000 Haushalte in Hamburg nachhaltig zu versorgen. Das ist harte Industriepolitik verbunden mit einer Wärmewende, die natürlich auch auf erneuerbare Energien setzt. Oder ich bin mit Verkehrssenator Anjes Tjarks und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Mitte Januar mit Moia eine Dreiviertelstunde lang autonom durch verdichteten Stadtverkehr in Hamburg gefahren – ohne dass ein Fahrer eingreifen musste. Das ist die Hamburger Zukunft der Mobilität, und nicht nur für die urbanen Zentren, sondern auch für die äußeren Quartiere und Stadtteile. Oder unsere Wissenschafts-Hotspots in der Science City Hamburg Bahrenfeld, die weltweit ihresgleichen suchen, wo wir unter anderem mit den Themen Material- und Infek­tionsforschung zwei Forschungsfelder besetzen, die total relevant sind und wo wir künftig Ansiedlungen von großen und kleinen Unternehmen sowie Start-ups haben werden. 

Für viele ist Wissenschaft noch imagemäßig Nice-to-have-Politik. Warum ist Wissenschaft ein harter Standortfaktor? Wissenschaft und Forschung sind der härteste Standortfaktor, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, unseren Wohlstand zu erneuern und Arbeitsplätze von morgen zu schaffen. Ohne die Grundlagenforschung und ohne den Weg in die Anwendung sind Städte und Regionen, das belegen alle Studien und Zahlen, nicht erfolgreich und wettbewerbsfähig. Wer zu lange auf „alte Zöpfe“ setzt und nicht die Kraft hat, sich immer wieder zu hinterfragen und zu erneuern, wird abgehängt. Wir müssen uns in Hamburg, Deutschland und Europa neu aufstellen. Anders wird es, aufgrund der geopolitischen Lage und sich verändernden Kooperationen, etwa durch Donald Trumps „America First“-Strategie, nicht gehen. Wenn es uns selbst nicht gelingt, aus Deutschland heraus Impulse für die Innovationen von morgen zu setzen, als ganz starker Partner in Europa, kommen wir technologisch und wirtschaftlich in große Schwierigkeiten. Jetzt ist noch die Zeit, den Hebel umzulegen. Ich setze auf die Stärke von Wissenschaft und Forschung sowie auf Talente aus aller Welt, denn wir haben zwar keine Rohstoffe, aber das Wichtigste: die Menschen und ihre Talente und Ideen.

Bitte mal „Butter bei die Fische“: Sie sind seit knapp zehn Jahren in einem rot-grünen Senat Zweite Bürgermeisterin und setzen auf Kontinuität. Die CDU und Ihr Bürgermeister-Wettbewerber Dennis Thering setzen auf Wechselstimmung. Wo wollen Sie es wie die kommenden fünf Jahre besser machen? Wir wollen einen Aufbruchsgeist entfachen und innovativ wie praktisch noch eine Schippe drauflegen. Wir haben Hamburg bei Wissenschaft und Forschung in den letzten zehn Jahren auf die Deutschland- und Europakarte gepackt. Wir haben uns inzwischen zu einem lebendigen und international attraktiven Wissenschaftsstandort entwickelt. Von unseren Wissenschafts- und Technologie-Innovationen wird der gesamte norddeutsche Raum mit Arbeitsplätzen und gesichertem und wachsendem Wohlstand profitieren. 

Beim Thema Migration und Integration macht Hamburg einiges besser als andere Kommunen, doch auch hier explodieren wieder, gerade in Hamburg-Mitte, die Aufnahmezahlen. Sie und die SPD setzen auf Einwanderung und ein buntes Miteinander. Die CDU Hamburg will das auch, aber die „Zuwanderung steuern und begrenzen“. Wie kann Hamburg künftig für eine besser geregelte und stemmbare Zuwanderung und Integration sorgen? Wir haben aktuell in Hamburg sehr stabile Zahlen, wobei man aber keine Entwarnung geben kann, denn wir sehen überall Krisen, Kriege und Konflikte, die Fluchtbewegungen auslösen. Wichtig ist mir aber auch: Hamburg ist Einwanderungsmetropole, und wir müssen das Thema Zuwanderung als Chance begreifen. Zum Beispiel sprechen wir beim Fachkräftemangel auch darüber, wie wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren Geld in diesem Land und in dieser Stadt verdienen und die Versorgung sichern können. Zuwanderung ist für mich ein großer Schatz, eine wichtige Ressource. Richtig ist aber auch, dass wir als Stadtstaat bei der Verteilung von Flüchtlingen stark beansprucht werden. Hier müssen wir über faire Verteilmechanismen sprechen. Mir macht Sorge, dass der zum Teil scharf geführte Wahlkampf unsere Gesellschaft spaltet. Es kann nicht sein, dass Menschen, die teilweise in der dritten Generation hier leben, als Migranten scharf angegangen werden. Hamburg zeigt da ein anderes Gesicht und pflegt eine vielfältige Willkommenskultur, die daraus sogar einen Standortfaktor macht.

Rot-Grün setzen einerseits mit den Slogans „Hamburg vereint“ und „Mit Herz und Verstand“ auf das multikulturelle und soziale Miteinander. Andererseits ist das Klima in Großstädten wie Hamburg deutlich ruppiger geworden, und die AfD hat mit aggressiver „Weidel Schnauze“ (FAZ) weiter Zulauf und in jüngsten Umfragen ihre Zustimmung in Hamburg von vier auf elf Prozent fast verdreifacht. Wie wollen Sie die auseinanderdriftende Stadtgesellschaft versöhnen? Die Menschen mit Migrationshintergrund, die hier leben und sich in die Stadtgesellschaft einbringen, die dazugehören und auch gesehen werden wollen, weil sie hier in Hamburg mit ihren Familien leben, hier arbeiten und hier ihre Steuern zahlen, möchten als gleichwertige Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen werden. Dafür braucht es ein Freiheitsversprechen und zugleich ein Sicherheitsversprechen für alle Menschen in dieser Stadt. Hamburg soll dein sicherer Lebensort, dein „Safe Space“ sein – unabhängig davon, wo du herkommst, wen du liebst, an wen oder was du glaubst. In Hamburg sollen alle frei, sicher, selbstbestimmt und ohne Angst leben können. Und dafür braucht es gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, Polizei, Feuerwehr und Dienste, die ihre Arbeit machen können. Wir alle brauchen ein gutes Miteinander, ein gesellschaftliches Klima, das auch Partei ergreift, wenn man Diskriminierung und Ausgrenzung beobachtet. 

Katharina Fegebank über Zuwanderung: „Hamburg ist Einwanderungsmetropole, und wir müssen das Thema Zuwanderung als Chance begreifen. Zum Beispiel sprechen wir beim ­Fachkräftemangel auch darüber, wie wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren Geld in diesem Land und auch in dieser Stadt verdienen und die Versorgung sichern können. Zuwanderung ist für mich ein großer Schatz, eine wichtige Ressource.“ © Catrin-Anja Eichinger


Warum erhalten dann Rechtskonservative und Rechte mit populistischen und einfachen Problemlösungsparolen immer mehr Zulauf? Macht Ihnen das keine Sorge? Natürlich stimmt mich das sorgenvoll. Die Themen und Probleme sind eben nicht einfach, sondern komplex zu lösen. Es ärgert mich, wenn dann Zahlen verdreht und Stellungsnahmen aus dem Zusammenhang gerissen werden. Wenn manche alles schlechtreden und so tun, als stünde uns der Untergang des Abendlandes bevor. Gleichzeitig muss man die Sorgen und ein fehlendes Sicherheitsgefühl der Menschen – zum Beispiel am Hauptbahnhof oder abends am Jungfernstieg – ernst nehmen. Das tun wir als Senat, überprüfen und gucken hin und reagieren dann auch. So haben wir beispielsweise im gesamten ÖPNV jüngst Waffenverbotszonen ausgewiesen, am Hauptbahnhof Alkoholkonsum verboten, die Videoüberwachung ausgeweitet und die Polizeipräsenz erhöht. Ich will die Probleme dort nicht klein- und hinwegreden. Ich finde, wir haben erste angemessene Antworten gefunden und das Aufenthaltsgefühl an dem Ort verbessert. Aber auch da müssen wir weiter dranbleiben.

Hamburg soll eine neue Oper bekommen. Bürgermeister Peter Tschentscher und Kultursenator Carsten Brosda von der SPD stehen dem Projekt auf dem Baakenhöft grundsätzlich positiv gegenüber, auch weil der Milliardär Klaus-Michael Kühne für das Gebäude rund 330 Millionen Euro spenden will. Braucht Hamburg eine neue Oper, und ist der Standort Baakenhöft geeignet? Erst einmal finde ich spannend, ob und wie der Baakenhöft, das letzte „Filetstück“ der Hafen­City, entwickelt wird. Dieses prominente und exklusive Grundstück hat sich die Stadt, haben sich Bürgerschaft und Senat bewusst für etwas Besonderes aufgehoben. Die Idee, dort eine neue Oper mit neuer internationaler Strahlkraft zu errichten, finde ich zumindest bedenkenswert, gerade wenn ein Mäzen wie Klaus-Michael Kühne sagt, dass er die Oper der Stadt „schenken“ wolle. Ohne Frage braucht Hamburg als internationale Kulturmetropole mit dem weltweit erfolgreichen Konzerthaus Elbphilharmonie auch eine Oper, die international konkurrenzfähig ist. Vorab muss jedoch die Frage beantwortet werden, wie wir mit der bisherigen Oper umgehen. Wir brauchen ein überzeugendes Konzept für den jetzigen Standort der Staatsoper am Gänsemarkt.

Das Netzwerk HafenCity e. V. möchte zum Beispiel einen breiten Dialog mit unterschiedlichsten Teilnehmern auch aus der HafenCity starten, in dem vielfältigste Nutzungen etwa von einem Park mit unterschiedlichsten Sport-, Musik-, Freizeit- oder Kulturangeboten entwickelt werden. Wie finden Sie das? Damit kann ich absolut etwas anfangen, und die Beteiligung der Menschen aus der Hafen­City, neben Experten und Stadtplanern, an einem so wichtigen Ort ihres Stadtteils finde ich wichtig. Dafür müsste man eine solche Debatte jedoch erst einmal viel stärker in den politischen Raum tragen und eigenen Vorstellungen und Ideen sichtbar machen. Das könnte dann neues Leben in die Debatte um den Baakenhöft bringen, der bislang immer nur als ein Immobilienstandort geführt wurde. Es wäre spannend zu schauen, ob man unterschiedliche Nutzungsinteressen dort kombinieren könnte.

Katharina Fegebank wünscht sich von ihren Wähler:innen: „Also wünsche ich mir weniger schnelles Meckern, weniger Kommentar-Getippe auf Social Media und schnelles Like-Klicken. Mal eine Idee oder einen Vorschlag aufnehmen und reflektieren ist vielleicht anstrengender, als sofort Daumen hoch oder Daumen runter zu signalisieren. Aber es hilft, demokratische Lösungen zu finden, wenn man mehr miteinander Sachen bespricht und diskutiert. An einem Punkt bleibt man auseinander, am anderen einigt man sich. Ich bin so was wie Miss Kompromiss. Das wünsche ich mir auch ein wenig von den Bürgerinnen und Bürgern.“ © Catrin-Anja Eichinger

Beim Elbtower hat sich ein Investorenkonsortium um den Hamburger Investor Dieter Becken erfolgreich beim Insolvenzverwalter zum Weiterbau der Elbtower-Ruine durchgesetzt. Voraussetzung: Ein solventer Ankermieter für rund 30.000 bis 40.000 Quadratmeter Fläche soll den Weiterbau absichern. Aktuell debattiert und rechnet man, ob das geplante neue Naturkundemuseum dort einziehen kann. Eine gute Idee? Ich fände es grundsätzlich gut, wenn der Elbtower wie geplant zu Ende gebaut wird. Wir als Senat haben immer gesagt, das ist ein privatwirtschaftliches Projekt, und kein Geld der Stadt soll in den Bau des Elbtowers fließen. Dabei bleibt es. Auf der anderen Seite haben wir ein Naturkundemuseum, das wir wollen und brauchen. Auch per Staatsvertrag hat sich Hamburg verpflichtet, ein Naturkundemuseum neu zu bauen oder im Bestand eines bestehenden Gebäudes ein Naturkundemuseum unterzubringen. Und die Idee, in einen fertig gebauten Elbtower zu gehen, hat für mich tatsächlich einen gewissen Charme. Doch eins ist völlig klar: Da ist der Drops noch lange nicht gelutscht. Es muss wirtschaftlich, praktikabel und machbar sein, ein solches Museum dort unterzubringen. Schließlich geht es nicht nur um das Museum, sondern auch um die Sammlung und die Forschung und die dazugehörigen Räume. Und weil das noch völlig offen ist, prüfen wir parallel auch weiter spannende Alternativen. 


In Hamburg steigt, wie wundervoll, im neuen Haushalt der Kulturetat um elf Prozent. Sind wir auf der Insel der Glück­seligen, oder ist der Senat, wie die Opposition sagt, ein „rücksichtsloser Schuldenmacher“ auf Kosten der kommenden Generationen?
Ich sage ein beherztes Ja bei Ihrer „Insel der Glückseligen“. Wenn man sich umschaut, wie andere Länder, auch in den Haushaltsberatungen, zu kämpfen haben und wir im Bund durch das Auseinanderbrechen der Ampel keinen Haushalt haben, stehen wir gut da. Trotz schwieriger Ausgangslage im letzten Jahr ist es Senat und Bürgerschaft gelungen, einen Haushalt auf den Weg zu bringen, der kräftig investiert und Hamburg für die kommenden zwei Jahre wirklich noch einmal einen Schub gibt. Denn nicht nur der Kulturetat steigt, auch der Wissenschaftsetat wird um elf in diesem und in 2026 noch mal um zwölf Prozent erhöht. Das ist wichtig und bringt Wissenschaft und Kultur in Hamburg in eine „Frontrunner“-Position. 

Und der Schuldenvorwurf? Hamburg baut seine Schulden ab. Wir waren das zweite Bundesland, das die Corona-Schulden komplett zurückgezahlt hat, und unser Schuldenstand ist der niedrigste seit 2009. Wir haben zudem die Situation, dass wir zuletzt ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent gesehen haben, was uns – anders als in weiten Teilen der Republik – zusätzliche Spielräume ermöglicht, um in Köpfe und Infrastruktur, in unsere Zukunft zu investieren. Das sind Zahlen, die man einfach zur Kenntnis nehmen muss. Zugleich bin ich weit davon entfernt, dass wir uns beruhigt zurücklehnen können. Wir bleiben nicht stehen und setzen uns immer wieder neue Ziele. 

Am 8. April wird das Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity eröffnen. Wie finden Sie das Wohn-Kultur-Shopping-Projekt, und ist es aus Ihrer Sicht eine bedrohliche Konkurrenz für die Innenstadt? Ich freue mich auf das Überseequartier, habe die Baustelle besucht und bin beeindruckt, was da entstanden ist. Es kann ein echter Gewinn für die HafenCity und für ganz Hamburg und das Umland werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht nachlassen, die Innenstadt weiterzuentwickeln. Mit der Weiterentwicklung des Jungfernstiegs, den kommenden neuen Aufenthaltsqualitäten auf Innenstadtplätzen wie dem Burchard-Platz wird man die City neu erleben können. Mir ist wichtig, dass es dann auch attraktive Angebote für Kinder und Familien geben wird, sodass man sich auch neben Einkaufen und Gastronomie gerne in der City aufhält. Der Wettbewerb zwischen dem Überseequartier und der Innenstadt kann die neue Mitte Hamburgs attraktiv beleben. Man kann doch nicht wie das Kaninchen vor der Schlange stehen und lauthals beklagen, dass da mit dem Überseequartier neue hochwertige Angebote für Hamburgerinnen und Hamburger wie auch für Touristen entstehen. Man wird die Achsen zwischen City und HafenCity Zug um Zug aufwerten, wie das jetzt mit dem Rathausquartier und dem Katharinenweg in die HafenCity begonnen wurde. 

Sind Sie eine pragmatische Grüne, weil Sie sich Themen handfest nähern? Das ist meine Art und Weise, wie ich bislang Politik gemacht habe. Ob als Bürgerin, Politikerin, Senatorin oder Zweite Bürgermeisterin: Ich bin immer neugierig in der ganzen Stadt unterwegs und habe Interesse an allen Themen, die mir begegnen. Ich gehöre zu der Das-Glas-ist-halb-voll-Fraktion (lacht). Wirklich, ich denke weniger in Problemen und mehr in Lösungen, bin bodenständig und suche immer pragmatische Ansätze. So bin ich groß geworden und auch erzogen worden, dass man unterschiedliche Interessen sieht und durchaus mal sagt, Mensch, da hat mein Gegenüber auch mal recht, obwohl ich mit einem ganz anderen Impuls in das Gespräch gegangen bin. 

Alle fordern, wie auch wir Medien, immer alles von Politiker:innen. Rollentausch: Jetzt dürfen Sie mal Ihre Wähler:innen fordern. Was wünschen Sie sich von ihnen? Ich wünsche mir von den Wählerinnen und Wählern, dass sie klar sagen, was sie erwarten, aber dass sie dann auch die Fähigkeit, die Kraft und die Geduld mitbringen, in den Austausch zu gehen und gemeinsam zu überlegen, was die beste Lösung wäre. Also wünsche ich mir weniger schnelles Meckern, weniger Kommentar-Getippe auf Social Media und schnelles Like-Klicken. Mal eine Idee oder einen Vorschlag aufnehmen und reflektieren ist vielleicht anstrengender, als sofort Daumen hoch oder Daumen runter zu signalisieren. Aber es hilft, demokratische Lösungen zu finden, wenn man mehr miteinander Sachen bespricht und diskutiert. An einem Punkt bleibt man auseinander, am anderen einigt man sich. Ich bin so was wie Miss Kompromiss. Das wünsche ich mir auch ein wenig von den Bürgerinnen und Bürgern.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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