Bürgerschaftswahl 2025: Und jetzt?

Bürgerschaftswahl 2025.Auf den ersten Blick wirkt der rot-grüne Wahlsieg mit erstarkter CDU routiniert. Auf den zweiten Blick, gerade vor Ort, gibt es neben Freude über Erst- und Wieder-wahlen auch persönliche Dramen. Und der neue Senat? Rot-Grün ist kein Selbstläufer

Nach den Jubelwahlpartys bei SPD, Grünen, CDU und Linken am Sonntagabend nach der Bürgerschaftswahl 2025 ist inzwischen bei den rechnerisch und sachlich möglichen Regierungspartnern von SPD und Grünen oder SPD und CDU angespannte Neugier eingetreten. Klar herrscht immer noch freudige Erleichterung darüber, dass Hamburg – wie bei der Bundestagswahl eine Woche zuvor – entschieden anders tickt als der Rest der Republik: Die AfD erhielt gegen den Trend von den Hamburger:innen eine klare Absage. Hamburg zeigt selbstbewusst und stolz seine breite demokratische Mitte für Vielfalt und Miteinander. 
Foto oben: Peter Tschentscher (SPD, M.), Erster Bürgermeister von Hamburg, Dennis Thering, Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl und Parteivorsitzender der CDU Hamburg sowie Katharina Fegebank (Die Grünen), Spitzenkandidatin zur Bürgerschaftswahl und Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung: Wer koaliert mit wem? Ein rot-grüner Selbstläufer ist das nicht.© picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Hamburg bewegt nach der Bürgerschaftswahl nur ein Frage: Wie wird sich die neue Regierung, der künftige Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zusammesetzen? Leuchtet er demnächst weiter Rot-Grün oder eventuell doch Rot-Schwarz. Sicher ist nur eins: Erster Bürgermeister wird wieder Dr. Peter Tschentscher sein. © mauritius images / Joko / imageBROKER

Und SPD und Grüne haben trotz einem Minus von jeweils 5,7 Prozent der Stimmen eine komfortable Regierungsmehrheit in einem möglichen rot-grünen Tschentscher-Senat III mit einem eingespielten Führungsduo von Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher und der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank. Was das Nachwahlklima so nervös macht, ist eine wiedererstarkte CDU, die um 8,6 Pozent zugelegt hat, nun zweitstärkste Fraktion in der neuen Hamburgischen Bürgerschaft sein wird, und den Anspruch erhebt, mitregieren zu wollen. 

CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering zur HCZ HafenCity Zeitung: „Die Nachwahlbefragung zeigt, dass Rot-Schwarz bei den SPD-Wählern ebenso hohe Zustimmung genießt wie die bisherige rot-grüne Konstellation. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben einen politischen Richtungswechsel gewählt und nun liegt der Ball bei der SPD.“ Also beim Ersten Bürgermeister und alles überstrahlenden Wahlsieger Peter Tschentscher. Der hat Gespräche mit der CDU angekündigt – nachdem er mit den Grünen sondiert hat. Und er hat vorab schon mal öffentlich klargemacht, dass es ihm neben inhaltlichen Dingen in den Sondierungen mit den Grünen absolut wichtig sei, dass Hamburg im Bundesrat durch einen grünen Senatspartner künftig nicht Opposition gegen Schwarz-Rot im Bund spielen muss. 

Schließlich stehen viele hundert Millionen Euro Berlin-Fördergelder wie zum Beispiel für die A26 oder die Köhlbrandbrücke auf dem Spiel (siehe Editorial Seite 2). Und auch Hamburg spürt die Rezession und benötigt kräftigen wirtschaftlichen Rückenwind, nicht nur für den Wohnungsbau, sondern vor allem auch im Hafen und in der Industrie. Ein einfach weiter so für Rot-Grün gebe es nicht. 

Stefanie Blaschka, SPD: „Ich freue mich, dass mir so viele Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben“. © Privat
Julia Barth-Dworzynski, SPD: „Dieser Wahlsieg ist für mich eine große Ehre“. © Privat

Zu aufwühlenden Ergebnissen führte die Hamburgwahl in der HafenCity, wo die Grünen (–4,7%) nach der SPD (–4,2 %)zweitstärkste Kraft blieben und die CDU um starke 8,9 Prozentpunkte zulegte. Natürlich gab es bei den Wahlkreiskandidaten Freude pur. So ziehen Julia Barth-Dworzynski für die SPD („Dieser Wahlsieg ist für mich eine große Ehre“) und Stefanie Blaschka von der CDU („Ich freue mich, dass mir so viele Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben“) neu in die Bürgerschaft ein. 

Und was wollen sie mit frischem Schwung im Stadtparlament auf den Weg bringen? Julia Barth findet, dass „wir bei Neubauten noch stärker gegen steigende Mieten durch noch mehr geförderten Wohnraum und eine Beschleunigung der Genehmigungsprozesse vorgehen müssen.“ Und auch Stefanie Blaschka will, dass „schneller und effizienter“ gebaut werde. Ebenso wichtig ist ihr die „Schaffung von ,grünen‘ Arbeitsplätzen und die Förderung von umweltfreundlichen Innovationen, die die Umwelt entlasten als auch die Wirtschaft langfristig stärken.“ Auch Stadtteil-CDU will grün, nicht nur Rot-Grün.

NABU-Hamburg-Chef Malte Siegert fordert Natur-Ziele in den Sondierungen: „Im politischen Raum gibt es für die Zusammenhänge und die Bedeutung der Natur so gut wie keine Kenntnis. Natur scheint Gedöns von Umweltverbänden zu sein. Diese Ignoranz ist krass. Wenn es um den Schutz der Biodiversität geht, werden wir gegenüber allen Akteuren, auch gegenüber der Wirtschaft, laut werden.“ © NABU Hamburg

Tapfer mussten einige Abgeordnete sein, die es nicht wieder ins Parlament schafften. So ist Farid Müller von den Grünen „sehr enttäuscht“, doch „die HafenCity wir mir weiter am Herzen liegen“, sagt er der HCZ. Der Grund: In Mitte hätten die Grünen „bis zu zehn Prozent der Stimmen verloren“ statt wie landesweit nur 5,7 Prozent. Nun seien „die Grünen nur noch dritte Kraft“ in Mitte nach SPD und Linken. Und auch SPD-MdHB Arne Platzbecker schaffte es von Platz 7 auf der Landesliste nicht, „weil so viele Wahlkreiskandidaten wie Julia Barth direkt in die Bürgerschaft gewählt wurden, was ich toll finde“, so Platzbecker zur HCZ. „Aber natürlich bin ich enttäuscht.“ Er hofft, dass er noch als „Nachrücker“ ins Parlament kommt und „die HafenCity dann weiter einen guten und verlässlichen Ansprechpartner“ habe. 

Arne Platzbecker, SPD: „Natürlich bin ich enttäuscht, hoffe als Nachrücker noch reinzukommen.“ © C.-A. Eichinger
Farid Müller, Grüne:„Ich bin sehr enttäuscht.“ © T. Hampel

Einer, der die aufgeregten Politkämpfe um die Vorherrschaft der Wirtschaftsthemen, um Milliarden Euro, bei dieser Wahl skeptisch verfolgt, ist Malte Siegert, 1. Vorsitzender vom NABU Hamburg. Für ihn „gibt es in Hamburg keine Wechselstimmung zu Rot-Schwarz“. „Im politischen Raum gibt es für die Zusammenhänge und die Bedeutung der Natur so gut wie keine Kenntnis. Natur scheint Gedöns von Umweltverbänden zu sein. Diese Ignoranz ist krass. Wenn es um den Schutz der Biodiversität geht, werden wir gegenüber allen Akteuren, auch gegenüber der Wirtschaft, laut werden.“ Langweilig wird es so nicht in den kommenden Wochen, trotz eigentlich klarer Wahlergebnisse in Hamburg. Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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