»Es ist immer Luft nach oben!«

Exklusivgespräch. Wir haben mit Meike Ludzay, Leiterin der weiterführenden Schule Campus HafenCity im Lohsepark, zum Schuljahresbeginn über Integrationsaufgaben, den herausfordernden MSC-Neubau und Projektarbeit im Stadtteil gesprochen

Sie war schon lange vor Ort, eh überhaupt der erste Schulcontainer in den Lohsepark gehoben wurde: Meike Ludzay, Leiterin der weiterführenden Schule Campus HafenCity im Lohsepark. Sie kommunizierte in den Stadtteil hinein, nahm an vielen Quartiersveranstaltungen teil und knüpfte schon viele Monate vor Beginn der allerersten Unterrichtsstunden für den Campus HafenCity ein lokales Netzwerk mit Anwohner:innen, Initiativen wie dem Netzwerk HafenCity, Unternehmen und der St.-Katharinen-Gemeinde im Quartier. Lesen Sie mal, warum die Pädagogin, Schulentwicklerin und Schulleiterin keinem Schul-Ufo vorstehen will, sondern mit aktiver Projektarbeit eine lebendige Teilhabe am Stadtteilleben anstrebt. 
Foto oben: Meike Ludzay, optimistische Leiterin der Schule Campus HafenCity: „Wir freuen uns darauf, wenn wir wie zurzeit geplant im dritten Quartal 2027 zum Schuljahr 2027/28 in unseren Neubau für dann bis zu 1.600 Schüler:innen aus den Stadtteilen HafenCity, Neustadt, St. Georg, Hammerbrook, Rothenburgsort und der Veddel endgültig unsere weiterführende, dann später achtzügige Schule beziehen können.“ © Catrin-Anja Eichinger

Frau Ludzay, die großen Sommerferien sind gefühlt schon wieder ewig lange her, das Schuljahr 2025/26 hat im September am neuen, letzten Containerstandort im Norden des Lohseparks begonnen, und die Herbstferien stehen vor der Tür. Wie viele Schüler und Schüler:innen besuchen aktuell den Campus HafenCity? Wir sind inzwischen, nachdem wir 2021 mit unseren ersten Containerräumen im Süden des Lohseparks gestartet sind, eine richtige Schule und haben am Campus HafenCity inzwischen rund 550 Schüler:innen, die von gut 60 Kolleginnen und Kollegen unterrichtet und betreut werden. Es sind sechs 5., sechs 6., fünf 7., zwei 8. und zwei 9. Klassen am jetzigen Standort hier an der Stockmeyer Straße im Lohsepark. Und wir freuen uns darauf, wenn wir wie zurzeit geplant im dritten Quartal 2027 zum Schuljahr 2027/28 in unseren Neubau für dann bis zu 1.600 Schüler:innen aus den Stadtteilen HafenCity, Neustadt, St. Georg, Hammerbrook, Rothenburgsort und der Veddel endgültig unsere weiterführende, dann später achtzügige Schule beziehen können. Es ist ein spannender Prozess, jetzt in den kommenden zwei Jahren mit den Schüler:innen, den Lehrer:innen und den Eltern gemeinsam die künftige Ausstattung wie auch die späteren Angebote unserer weiterführenden Schule Campus HafenCity zu entwickeln. Es macht einfach Spaß, nun endgültig nach vorne schauen und planen zu können. 

Das Neu- und Weiterentwickeln von Schulkonzepten liegt in der DNA Ihrer Hamburger Schullaufbahn. Dass ich eine Schule von Beginn an mitgegründet und geleitet habe, ist auch für mich eine Premiere, die vor allem mit der Unterstützung durch das Topteam der Kolleginnen und Kollegen bis heute erfolgreich gelingt – und uns immer wieder vor Herausforderungen gestellt und ein Höchstmaß an Flexibilität gefordert hat. Die vielen Unwägbarkeiten der vergangenen Jahre machen heute den positiven Spirit unseres Campus HafenCity aus.

Wenn die neue Schule 2027 eröffnen wird, sind Sie seit rund elf Jahren dabei. Wie motiviert man sich über einen so langen Zeitraum? Das geschieht immer wieder durch kleine erfolgreiche Fortschritte und durch die kontinuierliche erfüllende Zusammenarbeit mit den Schüler:innen, den Kolleginnen und Kollegen sowie der Elternschaft, die alle gemeinsam dieses Projekt tagtäglich mit ihrem Einsatz stützen. Wir hatten vor Beginn der Sommerferien wieder das große jährliche Stadtteilfest des Netzwerks HafenCity e. V. im Lohsepark, bei dem auch wieder unser Chor Young ClassX aufgetreten ist und das Publikum begeistert hat. Wir begreifen uns als lebendiger Teil des Quartiers, das war von der Stunde null an schon so. Es sind die zahlreichen, auch kleinen Projekte, die unsere Klassen zum Beispiel mit der Hauptkirche St. Katharinen sowie Unternehmen und Initiativen aus dem Stadtteil gemeinsam entwickeln und realisieren. Unsere Schule entwickelt sich immer stärker als ein lebendiger Teil der HafenCity. Das wächst mit jeder neuen Klasse. 

Schulleiterin Meike Ludzay wünscht sich „eine Sporthalle! Wir bekommen demnächst, hoffentlich schon nach den Herbstferien Ende Oktober, eine ­aufblasbare Zweifeld-Sporthalle hier neben der Schule.“ © Catrin-Anja Eichinger

Was für Projekte sind das? Neben dem Young-ClassX-Chor auf dem Lohsepark-Fest war das jüngst auch das Kunstprojekt zusammen mit dem Veddel Federal Art Space. Da waren Künstlerinnen aus Japan hier, die mit unseren Schüler:innen und Künstler:innen von der Galerie der Villa und Atelier Freistil (einer Kooperation der Leben mit Behinderung Hamburg und der Elbe-Werkstätten GmbH) eine Woche gearbeitet und die große Eule vor der Schule geschaffen haben. Ferner machen wir regelmäßig Projekte mit St. Katharinen oder mit den Vereinen aus dem Oberhafenquartier, wo wir zum Beispiel mit der Halle Hamburg – by Parkour Creation e. V. im Sport oder dem Bildungsverein LuKuLuLe e. V. Projekte umsetzen. Ferner gibt es Musikbands an unserer Schule, die im Stadtteil auftreten, und wir haben es mit Unterstützung der HafenCity Hamburg GmbH erreicht, dass unsere Schüler:innen das neue Neuner-Fußballfeld oder den Bolzplatz der Spielhaus e. V. mitnutzen können. Wir landen mit unserer Schule nicht nur isoliert wie ein Ufo im Stadtteil, sondern beteiligen uns aktiv am Stadtteilleben. Wir gehen hinaus ins Leben. Das ist bei uns am Campus HafenCity Programm. 

Sie strahlen Stolz aus mit dem bislang Erreichten. Na klar, das ist doch toll. Wir können alle zusammen stolz sein, dass die Schule einfach wächst und gut angenommen ist hier an diesem Standort. Da sind viele Diskussionen vorausgegangen, die wir alle mit viel Langmut begleitet haben. Und jetzt kommt hier am neuen Standort die nächste Herausforderung mit dem Neubau der Hauptzentrale der Reederei MSC direkt gegenüber, der uns alle beim Baustellenverkehr und der Schulwegsicherheit sowie der Lärmbelästigung während des Unterrichts herausfordern wird. 

Was ist Ihnen bei der MSC-Baustelle gegenüber am wichtigsten? Der Schulbetrieb und die Atmosphäre dürfen nicht nachhaltig gestört sein für die Kinder und Menschen, die hier am Tag leben und arbeiten. Wir sind dazu im Gespräch mit MSC und den Eltern. Da werden zum Beispiel die auf der Baustelle erforderlichen Spundwände nicht gerammt, sondern gerüttelt, damit es nicht so laut ist. Zurzeit ist da schon ein Bemühen auf allen Seiten, im Gespräch zu bleiben und gute Kompromisse zu finden. Warten wir mal ab, wie das alles so weitergeht. 

Woher kommen Ihre Schüler:innen? Hauptsächlich aus der HafenCity, in der wir für den Jahrgang 2025/26 alle Schulwünsche erfüllen konnten, und vereinzelt auch aus den schon genannten Nachbarstadtteilen. Wir haben Schüler:innen aus unterschiedlichsten Schulen hier und sind eine bunte Schule, in der sich Kinder und Menschen aus unterschiedlichen Kulturen im Campus HafenCity begegnen und miteinander lernen. Und das ist auch gut so. Das sollte in unserer Gesellschaft an ganz vielen Stellen der Fall sein, weil das leider häufig fehlt. Die Menschen leben manchmal nur noch in ihren eigenen Blasen, und Schule ist neben Vereinen und Sportclubs noch einer der wenigen Orte, wo sich unterschiedliche Menschen begegnen. Das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, der stellen wir uns, da wollen wir etwas bewegen. 

Zu Beginn eines Schuljahres kann es durchaus vorkommen, dass der Mix nicht passt, dass etwa ein Hamburger Schulkind sich wie ein Fremdkörper in einer Klasse mit lauter Migrationshintergrund-Kindern nicht wohlfühlt und die Eltern des Kindes auch Druck für mehr Vielfalt ausüben. Wie gehen Sie damit um? Wir sind hier ein Spiegel unserer Gesellschaft und haben auch hier einen hohen Migrationsanteil in unserer Schülerschaft und bei den Eltern. Die Kolleginnen und Kollegen am Campus HafenCity bauen zusammen mit den Kindern und den Eltern Brücken, um das Verständnis füreinander zu stärken, und wir erleben, dass durch die Schule und besonders durch gemeinsame Projektarbeit, Freizeitaktivitäten und den Sport auch viele Freundschaften entstehen. Bei unserem Schulchor Young ClassX zum Beispiel guckt doch keiner, wer woher kommt oder welchen Kulturhintergrund jemand hat, sondern was zählt, ist der gemeinsame Spaß und das Erfolgserlebnis im Singen. Das passiert leider noch viel zu selten in unserer Gesellschaft. 

Was stört Sie genau? Die Überbetonung der Debatten um den Migrationshintergrund. Es gibt auch viele Kinder, die keinen Migrationshintergrund und große Schwierigkeiten haben, sich in einer Gemeinschaft einzufinden. Das ist und bleibt immer die Aufgabe von Schule und dem Elternhaus. Wir in der Schule können nicht erziehen, ohne mit den Eltern erfolgreich zusammenzuarbeiten. 

Verkehrssicherheit für den Schulweg beachten! Eine Herausforderung für den Schulalltag ist die direkt gegenüberliegende Großbaustelle des Neubaus der Reederei MSC und der Baustellenverkehr an der Stockmeyerstraße. © Catrin-Anja Eichinger

Haben Sie bei Konflikten ein Patentrezept? Nein, jede Situation ist ein Einzelfall und muss gemeinsam gelöst werden. Was immer weiterhilft, ist das direkte persönliche Gespräch, Face to Face. So kann sich Vertrauen entwickeln, und man kann gemeinsam Lösungen finden. 

Als Schulleiterin und Kümmerin hat man doch immer Wünsche. Was fehlt Ihnen? Eine Sporthalle! Wir bekommen demnächst, hoffentlich schon nach den Herbstferien Ende Oktober, eine aufblasbare Zweifeld-Sporthalle hier neben der Schule. Spätestens bis zu den Weihnachtsferien soll es umgesetzt sein. Wir hoffen jedoch, dass das schneller geht, weil wir unbedingt Sportflächen brauchen, die auch bei Regen genutzt werden können, sodass sich die Kinder nicht nur in den Klassen bewegen können. 

Sie sind jetzt seit rund 18 Jahren im schulischen Leitungsbereich tätig. Ist Bewegung das wichtigste Erziehungskonzept? Daran glaube ich mehr denn je. Es muss einfach eine Vielfalt an Angeboten geben, wo Menschen sich begegnen und Spaß miteinander haben. Die unterschiedliche Projektarbeit, ob in Kunst, Musik, Naturwissenschaften, Sport oder Kultur, überwindet Hindernisse, weil man einfach was Positives zusammen erlebt. Und dafür müssen wir einfach ganz, ganz viel sorgen. 

Wie fällt Ihre Bilanz nach rund fünf Jahren Campus HafenCity aus? Ich finde, dass sich ganz viel entwickelt hat, und bin immer wieder begeistert, dass so viele Menschen, die hier wohnen, sich aktiv einbringen und engagieren. Ob das nun das ehrenamtlich organisierte jährliche Sommerfest im Lohsepark mit all seinen Aktivitätenprogrammen ist, oder die vielen Arbeitsgruppen im Netzwerk HafenCity e. V., bei denen wir unter anderem durch die AG Soziales Unterstützung erfahren und gemeinsam vieles bewegen oder in dem Kontakt mit den vielen neuen Familien im Baakenhafen durch die AGs mit dafür sorgen können, dass zum Beispiel der Fahrradweg vom Baakenhafen zur Schule sicherer wird. Es gibt im Alltag immer etwas zu verbessern. Da ist immer Luft nach oben!
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen