HafenCity Inside. HCZ-Kolumnist Antonio Fabrizi, Inhaber des Club 20457, übers Allein-Ausgehen und Geselligkeit – nie einsam
Wer sich noch an die Kultserie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ aus den 90er-Jahren erinnert, kennt auch Willy’s Place – die etwas zwielichtige Bar in Sunnydale, einem Ort, an dem Vampire, Dämonen und Menschen nebeneinander ihr Bier trinken konnten. Ein neutraler Boden, auf dem man einfach sein durfte, egal wer oder was man war. Über allem schwebten immer Humor und Leichtigkeit. Vieles an dieser Serie erinnert mich an meinen eigenen Laden, den Club 20457 hier in der HafenCity. Nur ohne Dämonen – höchstens innere.
Foto oben: Lässige Club-Atmosphäre.„Es geht nicht darum, sich zu verstellen oder einem Ideal zu entsprechen, sondern darum, eine gute Zeit zu haben. Auf Augenhöhe, mit Respekt, mit Neugier.“ © Agnes Fitek
Das mulmige Gefühl, allein loszuziehen
Allein ausgehen und ganz ohne Begleitung an einer Theke sitzen. Für manche klingt das befreiend, für andere (und das geschlechterübergreifend) eher befremdlich. Dabei liegt die Hemmung oft nicht darin, dass sie es nicht wollen, sondern dass sie es nie ausprobiert oder schlechte Erfahrungen gemacht haben: Kaum jemand spricht darüber, allein unterwegs zu sein, oder stellt es gar als etwas Positives dar.
Wer allein auftaucht, sticht heraus – und fühlt sich schnell, als sei er oder sie „übrig geblieben“. Dabei zeigt meine Erfahrung: Wer sich traut, allein auszugehen, entdeckt eine ungeahnte Freiheit. Plötzlich muss man nicht auf andere Rücksicht nehmen, man entscheidet selbst, was, wann und wie lange.
Zu zweit oder in einer Gruppe ist es leichter, man hat automatisch Gesprächspartner, aber auch den Nachteil: Man bleibt oft in seiner kleinen Blase und verpasst die Gelegenheit, wirklich neue Menschen kennenzulernen.

Die ersten Schritte: neugierig schauen, dann trauen
In den vergangenen 14 Jahren habe ich unzählige Geschichten an meiner Theke gehört – und die häufigste ist die über den allerersten Besuch bei mir. Viele sind anfangs mehrfach vorbeigelaufen, haben durchs Fenster geschaut, vielleicht auch gezögert, bis sie sich schließlich überwunden haben, hereinzukommen. Und fast alle erzählen heute lachend von diesem Moment – weil sie es nicht bereut haben.
Genau deshalb werden „neue Gäste“ bei uns nicht beäugt, schon gar nicht, wenn sie allein auftauchen. Im Gegenteil: Viele Anwesende haben es ja selber erlebt.
Willkommen, egal wer du bist
Eigenlob klingt immer etwas schräg, aber eine Besonderheit möchte ich betonen: Die Grundidee des Club 20457 war von Anfang an klar und hat sich nie geändert – egal wer oder was du bist, sei willkommen!
Ob Anwohner, die den Laden als „Wohnzimmer der HafenCity“ sehen, Studierende, die sich fühlen wie in einer Kneipe auf der Schanze, After-Work-Besucher auf der Suche nach lockerem Networking oder einfach nur Nachtschwärmer: Am schönsten sind die Abende, an denen sich alles mischt. Der Satz „Toni stellt immer alle miteinander vor“ ist übrigens falsch! Sehr oft stelle ich Gäste einander vor, manchmal lasse ich es lieber.
Als Gastgeber brauchst du Überblick und ein Gespür für Menschen. Wenn wir merken, dass sich jemand unwohl fühlt, wird immer diskret nachgefragt: „Alles okay bei dir?“
Begegnungen ermöglichen – aber mit Respekt
Jemand möchte einem anderen einen Drink ausgeben? Bei uns passiert das niemals ungefragt. Zuerst wird der oder die Eingeladene gefragt, erst mit Zustimmung geht es weiter. Alles immer offen und locker – aber gleichzeitig wissen alle, dass es klare Grenzen gibt, die wir schützen. Bei uns gilt: Nur wer Ja sagt, meint auch Ja.
Eine geschlechterübergreifende Befürchtung ist übrigens ungewolltes Flirtverhalten. Bevor diese Situationen eskalieren oder peinlich werden, sind wir hinter der Theke schnell am Start und beenden diese Situationen – freundlich, aber bestimmt. Genau das schafft Vertrauen, warum Gäste auch gerne allein zu uns kommen.
Der Mix aus Italien, Köln, Berlin – und ein bisschen Dorf
Im 20457 steckt viel von mir, meiner Herkunft und dem, was ich selbst in meiner Ausgehzeit erlebt habe: der Charme und die Leichtigkeit einer italienischen Bar, die Offenheit und der Humor einer Kölner Eckkneipe, die Toleranz und Selbstverständlichkeit eines Berliner Clubs – und ja, ein Hauch Gummersbacher Dorfkneipe gehört auch dazu.
Alles kann, nichts muss
„Der Gast ist König“ klingt zwar schön, aber bei uns gilt etwas anderes: Alles kann, nichts muss. Es geht nicht darum, sich zu verstellen oder einem Ideal zu entsprechen, sondern darum, eine gute Zeit zu haben. Auf Augenhöhe, mit Respekt, mit Neugier.
Fazit: Probier es einfach!
Allein auszugehen, sei es in eine Bar, ein Café oder ein Restaurant, ist eine unterschätzte Chance. Manchmal muss man sich nur einmal überwinden, damit eine neue Welt aufgeht. Wer es nicht ausprobiert, bleibt oft draußen stehen. Egal was passiert, du wirst schon nicht getötet, so wie damals in Sunnydale vor Willy’s Place.
In der HafenCity heißt dieser Ort eben Club 20457. Und vielleicht entdeckst du dort nicht nur neue Menschen, sondern auch ein Stück Leichtigkeit in dir selbst. Antonio Fabrizi
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In der kommenden Ausgabe der HafenCity Zeitung: Vorurteile über die HafenCity gibt es viele – doch wie viel Wahrheit steckt dahinter? In der November-Ausgabe der HCZ räumen wir mit Klischees auf und zeigen eine andere Perspektive auf Hamburgs jüngsten Stadtteil.