Krimi-Vorabdruck: »Ihre Hände waren kalt …«

Exklusiver Vorabdruck. Der HCZ-Kolumnist Antonio »Toni« Fabrizi, Inhaber des Club 20457, hat seinen ersten Krimi geschrieben. Und, hallo!, der spielt natürlich in unserem Quartier, und wir drucken aus »Tod in der HafenCity« für HCZ-Leser:innen das erste Kapitel

„Wenn ich es laut ausspreche, klingt es nach einer kleinen Ewigkeit: 14 Jahre Club 20457! Gefühlt ist es erst ein paar Jahre her, dass ich den Anzug ausgezogen, die Krawatte in die Ecke geworfen und mich hinter eine Theke gestellt habe“, erinnert sich der Ex-Banker und Gastronom Antonio „Toni“ Fabrizi Ende November 2025.
Foto oben: Die Frage der Freunde und Stammgäste: „Willst du nicht mal ein Buch schreiben?“ © Catrin-Anka Eichinger

„Rückblickend war es eine harte Zeit, manchmal chaotisch, immer intensiv – aber vor allem: eine großartige Zeit, die ich um nichts in der Welt missen möchte“, bilanziert der 55-Jährige. Seine Clubjahre seien ein „kleiner Kosmos aus Geschichten, Menschen, Nächten und Begegnungen, wie man ihn nur hinter einer Theke“ erlebe. 

Seit ebenso vielen Jahren begleitet ihn eine Frage, die ihm Stammgäste, Freunde und Fremde mit derselben Neugier stellen würden: „Willst du nicht mal ein Buch schreiben?“

Seine Antwort war immer dieselbe: „Nein. Nicht über den Laden. Nicht über die Menschen, die ihn prägen. Nicht über das, was hier passiert. Denn eines galt immer – und gilt noch heute: Was hier im Club passiert, bleibt auch hier.“ Punkt.

Eine andere Idee ließ Toni Fabrizi jedoch nie los. Als Krimi-Fan fragte er sich irgendwann: „Was wäre, wenn hier – mitten in der HafenCity – ein Mord passiert? Nicht weit weg, nicht anonym, sondern direkt vor unserer Haustür. Hier, wo fast jeder jeden kennt, wo die Wege kurz sind und sich Geschichten unweigerlich überschneiden.“

Premieren-Krimi „Tod in der HafenCity“ von Antonio „Toni“ Fabrizi, 2025, Selbstverlag. Der Autor bietet den HCZ-Leser:innen „einen Spoiler“ an: „Den mutmaßlichen Mörder gibt es wirklich, und ja, er schuldet mir tatsächlich noch sechs Gin Tonics!“ © Illustration: Toni Fabrizi

Aus dieser Frage wurde für ihn ein erster Satz. Aus dem Satz ein Kapitel. Dann schrieb sich die gesamte Geschichte, mit ihren Wendungen, Zweifeln, Überraschungen und Abgründen, fast wie von selbst in ein Manuskript.

Und nun ist es so weit: Das Manuskript verstaubt nicht in einer Schublade, sondern erscheint im Dezember als E-Book und als gebundenes Taschenbuch – im Selbstverlag: „Tod in der HafenCity“. 

Eines möchte Fabrizi vorab verraten: „Wer den gesamten Krimi liest, wird bestimmt viele Personen oder vielleicht sogar sich selbst erkennen. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Menschen und realen Situationen sind selbstverständlich nicht zufällig, aber niemand wird bloßgestellt. Das berühmte Augenzwinkern ist natürlich dabei“, versichert Antonio „Toni“ Fabrizi gegenüber der HCZ HafenCity Zeitung.

Und zum Schluss will er den Leser:innen der HCZ wie auch seines Buches einen „kleinen Spoiler“ bieten: „Den mutmaßlichen Mörder gibt es wirklich, und ja, er schuldet mir tatsächlich noch sechs Gin Tonics!“, sagt Toni Fabrizi und wünscht allen „Leserinnen und Lesern viel Spaß mit ,Tod in der HafenCity‘“:

Leseprobe: erstes Kapitel von Antonio „Toni“ Fabrizis Krimi „Tod in der HafenCity“:
„Anne zog die Kapuze enger um den Kopf. Ihre Schritte hallten dumpf über den Boulevard des Westfield Centers, ein gleichmäßiger Rhythmus. Eigentlich hasste sie das Laufen, doch ihr Freund war sportlich, und irgendwie wollte sie mithalten. Vielleicht war es aber auch ihr Kopf, der nach Tagen voller Umzugskartons, Baumängel und Nörgeleien endlich Ruhe suchte.

Der Wind fuhr ihr kalt ins Gesicht, trieb leichte Plastikfetzen über die letzten Baustellenabsperrungen. Von irgendwo über den Dächern kreischte eine einzelne Möwe, dann eine zweite. Ein schrilles Echo, das in der leeren Straße nachhallte. Sie lief weiter, der nächtliche Boulevard lag verlassen vor ihr. Gleichmäßig, Schritt um Schritt, bis ihr Körper die Routine übernahm und ihr Geist langsam freier wurde.

Sie bog in Richtung Dalmannkai ab und lief weiter zum Großen Grasbrook. Der Boden war hier glatter, der Wind stärker. Die Marco-Polo-Terrassen lagen ausgestorben vor ihr. Am Restaurant Coast by East begann die Passage, die sie besonders mochte, weil sich hier die Lichter im Wasser brachen.

Unten auf der Promenade lief sie weiter bis zum Restaurant Surfkitchen und bog dort links ab. Für einen Moment glitt ihr Blick hinüber zum Strandhöft, wo die neuen Gebäude mit ihren klaren Linien und beleuchteten Fassaden ruhig über dem Wasser standen und sich auf der dunklen Wasseroberfläche spiegelten. 

Krimiautor Antonio „Toni“ Fabrizi im Club 20457: „Rückblickend war es eine harte Zeit, manchmal chaotisch, immer intensiv – aber vor allem: eine großartige Zeit.“ © Tobias Castillo

Der Kaiserkai empfing sie mit einem heftigen Windstoß, der zwischen den Gebäuden zog und an ihrer Kapuze zerrte, als wolle er sie ihr vom Kopf reißen. Gleichzeitig bot er ihr einen atemberaubenden Blick auf die Elbphilharmonie, deren Glasfront in der Nacht wirkte, als hätte sie das Licht der Stadt eingesogen und in unzählige Facetten wieder freigegeben.

Von den Magellan-Terrassen folgte sie dem Weg hinüber zur Coffee Plaza. Hinter ihr hörte sie das rhythmische Ächzen der Pontons im Traditionsschiffhafen, ein metallisches Knarren, das im Wind schwankte und gegen die Stege schlug.

Sie lief weiter über die Busanbrücke. Das metallene Geländer schimmerte nass im Licht der Laternen, der Wind pfiff über die Stahlkonstruktion. Unter ihr zog das Wasser dunkel vorbei, nur durchbrochen von vereinzelten Reflexen der Stadtlichter.

Als sie das Ende der Brücke erreichte, wurde es sofort stiller. Anne bog rechts ab, lief weiter bis zur Yokohamastraße, wo der Lohsepark begann.

Sie verlangsamte ihr Tempo. Der Park war nachts anders. Leiser. Geschlossener. Die Geräusche der Stadt drangen nur gedämpft herein. Ein Fahrrad klackerte in der Ferne über Kopfstein.

Sie atmete tiefer ein. Irgendwo raschelte ein Vogel im Geäst, aufgeschreckt von ihrem Vorbeilaufen. 

Je tiefer sie den Lohsepark durchquerte, desto stärker mischte sich ein anderes Gefühl in die Ruhe. Eine Wachsamkeit, die sich nicht wie Angst anfühlte, sondern wie ein angeborener Reflex, der im Dunkeln deutlicher wurde. Der Park war weitläufig, doch jetzt wirkten die Wege schmaler.

Anne setzte ihren Lauf fort. Die vertrauten Wege lagen hinter ihr, und der Park öffnete sich langsam zur Stockmeyerstraße.

Während ihre Schritte sie vorantrugen, spürte sie dieses leise Glück, hier zu wohnen. Und das, obwohl in Hamburg ständig über diesen Stadtteil gelästert wurde, er sei zu teuer, zu künstlich oder ein Prestigeprojekt ohne Seele.

Manchmal fragte sie sich, warum diese Kommentare sie überhaupt noch berührten. Vielleicht, weil sie selbst am Anfang skeptisch gewesen war. Vielleicht, weil sie erst hier verstanden hatte, dass ein Ort wachsen darf und dass man mitwächst.

Für sie war das hier Heimat geworden. Nicht trotz der Kritik, sondern auch wegen ihr. Sie lebte mitten in einem der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas und sah jeden Tag, wie Neues entstand und wie Menschen den Stadtteil langsam füllten.

Manchmal hatte sie das Gefühl, Zeugin eines fortlaufenden Experiments zu sein. Ein Versuch, Stadt und Wasser und Zukunft zu verbinden. Und heute, in dieser stillen Nacht, fühlte es sich an, als wäre sie genau am richtigen Ort.

Heute hatte sie ihre Laufstrecke bewusst geändert. Sabrina, eine befreundete Nachbarin und Hundebesitzerin, hatte von Brachflächen im Oberhafen erzählt, ideal für Hunde. Coco, ihr eigener Hund, war für den offiziellen Hundeauslaufplatz viel zu wild. Also verband Anne das Laufen mit einer Erkundungstour.

Als sie die Oberhafen-Kantine erreichte, blieb sie kurz stehen. Das windschiefe Gebäude wirkte, als würde es jeden Moment nach vorne kippen, ein merkwürdiger und fast komischer Anblick. Anne schmunzelte, bis sie eine Bewegung hinter einem Lieferwagen bemerkte.

Sie stoppte. Die Sinne angespannt. 

Bild dir nichts ein, sagte sie sich, doch ihr Tempo verlangsamte sich. Im Augenwinkel sah sie eine Gestalt, die hastig in ein Gebäude glitt. Ein kurzer kalter Schauer jagte ihr den Rücken hinunter.

Wer schlich um diese Uhrzeit hier herum. Ein Obdachloser. Unwahrscheinlich. So verstohlen bewegte sich niemand, der einfach nur Schutz suchte. 

Und dann sah sie ihn. Neben einem Müllcontainer. Regungslos. Als hätte ihn jemand lieblos abgelegt. Ein Mensch.

In dem Moment, in dem ihr Gehirn erkannte, was dort lag, setzte etwas in ihr ein, das älter war als jedes bewusste Denken.

Ihr Herz schlug schneller. Ihr Puls raste, obwohl sie sich keinen Zentimeter bewegte.

Weiterlaufen. Wegdrehen. Handeln. Doch ihre Beine gehorchten nicht.

Für ein paar Sekunden erstarrte sie. Es war ein Reflex, älter als jede bewusste Entscheidung. Ihre Atmung wurde flach. Ihre Finger begannen zu kribbeln, als das Blut in Arme und Beine schoss, bereit für Flucht oder Kampf, doch nichts davon folgte.

Langsam, wie durch zähes Wasser, machte sie einen Schritt nach vorne. Dann noch einen. Das fahle Licht fiel auf sein Gesicht. Leere Augen. Ein leicht geöffneter Mund, der nie wieder Luft holen würde.

Anne wusste sofort, ohne Möglichkeit zum Zweifel. Sie blickte in das Gesicht eines Toten.

Ein Druck breitete sich in ihrem Brustkorb aus. Ihr Magen zog sich zusammen, als würde jemand von innen daran reißen. Der Rand ihres Blickfeldes flimmerte, als würde die Welt schmaler. Sie blinzelte heftig und atmete tief ein, doch es half kaum.

Mit steifen zitternden Fingern griff sie nach ihrem Handy. Der Bildschirm blendete sie viel zu hell. Ihre Hände waren kalt und unzuverlässig. Zweimal tippte sie daneben, bevor sie endlich die Notrufnummer traf …“ Antonio „Toni“ Fabrizi

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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