»Mehr Mut zur Vision und Veränderung!«

Essay. Kann Hamburg Zukunft? Der HafenCity-Bewohner Rando Aust blickt aufs Jahr 2025 und präsentiert für die Leser:innen der HafenCity Zeitung vier spannende Perspektiven – zum Beispiel die »Wallring-City«

Ich liebe Hamburg. Und da ich offenbar nicht der Einzige bin, wächst unsere Stadt und gibt damit die Antwort selbst: Hamburg kann Zukunft! Hamburg kann aber noch viel mehr, als es derzeit zeigt. Dazu müssen Wachstum und Zukunft mit Weitblick gestaltet und nicht sich selbst überlassen werden. Auch wenn Helmut Schmidt vielleicht anderer Meinung wäre: Es fehlen Visionen. 
Foto oben: HafenCity-Bewohner Rando Aust am Magdeburger Hafen: „Hamburg ist kein beschauliches Dorf, sondern eine urbane Metropole auf Wachstumskurs. Jeder, der in dieser schönen Stadt lebt, sollte sich dessen bewusst sein.“ © Catrin-Anja Eichinger

Zu den letzten großen Visionen zählte die Entwicklung der HafenCity, die Henning Voscherau klug und weitsichtig vorbereitete und die in wenigen Jahren unter weltweitem Zuspruch abgeschlossen sein wird. Und auch Olympia war eine Vision. Mit den Spielen wäre Hamburg ein Jahrhundertsprung gelungen. Leider scheiterte aber schon die Qualifikation. Seit dem verlorenen Olympia-Entscheid und der berechtigten Kritik an den viel zu hohen Baukosten für die Elbphilharmonie, über deren Bau wir uns heute dennoch zu Recht freuen dürfen, fehlt es der Politik an Visionen und Mut zur Veränderung – dem Senat genauso wie der Opposition. Dabei bietet Hamburg so viel Potenzial dafür. Ich bin mutig und beschreibe vier Visionen. 

Der Hafen war immer das Herz der Stadt. Doch es schlägt langsamer, denn Schiffsrouten umgehen Hamburg, die Digitalisierung verkürzt Wertschöpfungsketten, der Containerumschlag sinkt. Ganze zehn Jahre hat es gedauert, bis jetzt endlich der Hafenentwicklungsplan fortgeschrieben wird. Die Prognosen stimmten schon lang nicht mehr: Für 2020 war ein Containerumschlag von 17 Millionen TEU vorgesehen, tatsächlich waren es nur 8,5 Millionen. Wie viel Hafen braucht Hamburg also zukünftig, und wie viel kann sich die Stadt finanziell und ökologisch noch leisten? Der Hafen braucht einen Eingriff: Zukunftsweisende Nutzungen der Kreativwirtschaft, Forschung und Technologie sollten implantiert werden. Nein, dem Hafen droht kein plötzlicher Kollaps, aber er braucht dringend eine Vision für einen Strukturwandel, den die Politik zu verschlafen droht. Das Ruhrgebiet lässt grüßen.

Rando Aust: „Hamburg darf nicht zu der ,schlafenden Schönen, die den heutigen Tag genießt und den morgigen für selbstverständlich hält‘ werden, wovor Helmut Schmidt schon 1962 gewarnt hat.“ © Catrin-Anja Eichinger

Einigkeit besteht bei der Belebung der Hamburger Innenstadt: Mehr Menschen sollen hier wohnen. Dafür gäbe es großes Potenzial, leider aber auch keine Vision. Die Hamburg Messe mitten in der City war schon vor Corona nicht mal zur Hälfte ausgelastet und überwiegend defizitär. Stadtplaner haben schon vor Jahren empfohlen, die Messe zu verlegen und auf dem bestens an den ÖPNV angeschlossenen Areal ein Wohnquartier für 10.000 Menschen zu bauen. Der Mietvertrag für die Messehallen läuft 2034 aus. Es ist Zeit zu handeln. Wenn nach Corona überhaupt noch Messen gefragt sind, sollte man über ihre Verkleinerung und Verlegung nach Rothenburgsort oder Wilhelmsburg nachdenken, wo sie ein Inkubator für diese Stadtteile wären. Und die neue „Wallring-City“ würde die Innenstadt beleben. 

Und auch für die verwaisten Warenhäuser am Eingang der Mö fehlt jede Vision. Warum nicht hier ein Welcome-Center schaffen? Die schon lange diskutierte Touristenzentrale könnte genauso wie ein Zentrum für Studierende aller Hamburger Hochschulen mit Bibliothek, Café, Vorlesungs- und Eventflächen einziehen. Welch ein lebendiges Eingangstor zur City direkt am Hauptbahnhof! Die niederländische Stadt Groningen zeigt, wie es geht.

Und mit der Überdeckelung der südlichen Gleisflächen des Hauptbahnhofs wäre Stadtreparatur in großem Stil möglich. Eine große, attraktive Fläche würde entstehen, die Innenstadt und St. Georg verbindet. Die ehemalige Initiative „Altstadt für alle“ hatte bereits Pläne vorgestellt, die eine eingehende Prüfung verdienen – natürlich unter Berücksichtigung der Finanzierung. Stattdessen trauen sich der Senat und die Deutsche Bahn nur, eine neue Bahnhofshalle anzuflanschen.

Rando Austs maritime Vision: „Der Hafen braucht einen Eingriff: Zukunftsweisende Nutzungen der Kreativ­wirtschaft, Forschung und Technologie sollten implantiert werden.“ © Catrin-Anja Eichinger

Schade, dass es unter Hamburgs Politikern seit den unverarbeiteten Erlebnissen mit Olympia und der Elbphilharmonie keine Visionäre mehr gibt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich viele Menschen mit Veränderungen schwertun. Aktuell gibt es gleich drei Volksinitiativen, die das Bauen beschränken wollen, und in Eidelstedt haben gerade knapp 3.000 Bürgerinnen und Bürger den Bau von 300 Wohnungen gestoppt. Sie fürchten durch Zuzug längere Wartezeiten bei Schul- und Kitaplätzen und Arztterminen. Dabei würde auch die Infrastruktur ausgebaut, und neue, attraktive Angebote für alle könnten entstehen. Natürlich ist Bürgerbeteiligung wichtig. Eigennutz und Egoismen dürfen aber nicht über dem Gemeinwohl stehen.  

Hamburg ist kein beschauliches Dorf, sondern eine urbane Metropole auf Wachstumskurs. Jeder, der in dieser schönen Stadt lebt, sollte sich dessen bewusst sein. Hamburg darf nicht zu der „schlafenden Schönen, die den heutigen Tag genießt und den morgigen für selbstverständlich hält“ werden, wovor Helmut Schmidt schon 1962 gewarnt hat. Ein guter Vorsatz für 2026 sollte daher lauten: Mehr Mut zur Vision und Veränderung! Rando Aust

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Rando Aust, 54, ist Politikwissenschaftler und HafenCity-­Bewohner seit 2012.

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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