Sieger-Gebäude II mit dem „U- und S-Bahnhof Elbbrücken“ des Architekturbüros gmp: Die Jury beeindruckte der „architektonische Willkommensgruß an einer Stelle, die lange vor allem auf bessere Zeiten wartete“. © Marcus Bredt
Architekturpreise: Überflieger

Der BDA Hamburg Architekturpreis 2020 bringt gleich drei erste Plätze hervor

Alle zwei Jahre wird der BDA Hamburg Architekturpreis verliehen. Ausgezeichnet werden Architekturschaffende zusammen mit ihren Bauherr*innen für das gemeinsame Werk. Da im Zeitraum von 2018 bis 2020 wieder jede Menge neuer Bauten im Großraum Hamburg entstanden sind, musste sich die fünfköpfige Jury – sie besteht aus den drei Architek*innen Martina Bauer, Prof. Mikala Holme Samsoe sowie Prof. Dietrich Fink, dem Journalisten Till Briegleb plus dem Oberbaudirektor Franz-Josef Höing – in 83 Bewerbungen vertiefen. Am Ende vergab sie gleich drei erste Plätze.
Foto oben: Sieger-Gebäude II mit dem „U- und S-Bahnhof Elbbrücken“ des Architekturbüros gmp: Die Jury beeindruckte der „architektonische Willkommensgruß an einer Stelle, die lange vor allem auf bessere Zeiten wartete“. © Marcus Bredt

Die Jury des BDA Architekturpreises musste sich in 83 Bewerbungen vertiefen.

Nicht nur der „Großmarkt Theater Pavillon“ brachte die Expert*innen zum Schwärmen, sondern auch der „U- und S-Bahnhof Elbbrücken“ sowie das „Wohn- und Geschäftshaus Schulterblatt“.

Sieger-Gebäude I mit dem „Großmarkt Theater Pavillon“ des Londoner Architekturbüros Carmody Groarke: Die Juroren loben dieses Gebäude als „spartanisch und doch charakterstark“. © Johan Dehlin
Sieger-Gebäude I mit dem „Großmarkt Theater Pavillon“ des Londoner Architekturbüros Carmody Groarke: Die Juroren loben dieses Gebäude als „spartanisch und doch charakterstark“. © Johan Dehlin

Diese Ehrung tat wohl besonders dem arg gebeutelten Mehr! Theater gut, das den Großmarkt Theater Pavillon beim Londoner Architekturbüro Carmody Groarke in Auftrag gegeben hatte. In der „silbernen Flugscheibe“, so beschreibt das Jury-Quintett das recht schlichte Gebäude, sollten sich nun eigentlich Harry-Potter-Fans während der Pause tummeln. 

Dummerweise musste die Premiere des Stücks „Harry Potter und das verwunschene Kind“, die jetzt für den 11. April angesetzt ist, bereits zweimal verschoben werden. Somit wartet der Barcontainer noch darauf, mit Leben gefüllt zu werden. Immerhin glänzt seine wellenförmige Aluhaut bei gutem Wetter in der Sonne. Natürlich lohnt sich auch ein Blick ins Innere, wo die Besucher auf ein schwarzes Balkenzelt mit Lichthof stoßen. Die Juroren loben dieses Gebäude als „spartanisch und doch charakterstark“. 

Auch Daniel Kinz, bis Dezember 2020 erster Vorsitzender des BDA Hamburg und somit Überbringer der Urkunden, ist vom Großmarkt Theater Pavillon begeistert. „Er nimmt die Form der Großmarkthallen auf, ohne sie zu imitieren“, schwärmt er. „Somit ist ein eigenständiges, elegantes Bauwerk entstanden.“

Sieger-Gebäude III mit dem „Wohn- und Geschäftshaus Schulterblatt“ von LH-Architekten: Es nimmt „den Gründergeist seiner baulichen Nachbarschaft“ auf. © Dorfmüller KlierArchitektur
Sieger-Gebäude III mit dem „Wohn- und Geschäftshaus Schulterblatt“ von LH-Architekten: Es nimmt „den Gründergeist seiner baulichen Nachbarschaft“ auf. © Dorfmüller KlierArchitektur

Die Haltestelle Elbbrücken wiederum beeindruckt die Jury als „architektonischer Willkommensgruß an einer Stelle, die lange vor allem auf bessere Zeiten wartete“. Durch einen 70 Meter langen Skywalk gelangt man zu den Gleisen. 

Das Tüpfelchen auf dem i ist die vertikale Betonschraffur mit Zickzackgrafik.

Viel Licht spendet das vom Büro gmp Architekten von Gerkan, Mark und Partner für die Hochbahn nebst der Deutschen Bahn entworfene Stationsdach als Stahl-Glas-Konstruktion mit außenliegendem Tragwerk. Ohne Zweifel ist dieses futuristisch wirkende Bauwerk ein echter Hingucker. Für Daniel Kinz punktet es mit seiner stimmigen Form und der intelligenten Wegeführung.

Deutlich dezenter präsentiert sich das Wohn- und Geschäftshaus Schulterblatt, das laut Jury „sowohl den Gründergeist seiner baulichen Nachbarschaft wie dessen Struktur aufnimmt als auch die Lebendigkeit des Schanzenviertels kreativ reflektiert“. Im Erdgeschoss residiert die Haspa, über der Filiale finden sich Wohnungen mit großen Holzfenstern und Loggien. Das Tüpfelchen auf dem i ist die vertikale Betonschraffur mit Zickzackgrafik. Für dieses Design zeichnet das Büro LH Architekten Landwehr Henke + Partner verantwortlich, Bauherrin ist die NM Nord-Immo–Management GmbH. Das Ergebnis findet Daniel Kinz absolut gelungen: „Bei so einem Projekt muss man sich fragen: Führt man das Traditionelle fort? Oder setzt man auf etwas Neues? Für mich ist das Wohn- und Geschäftshaus Schulterblatt eine gelungene Mischung aus beidem.“ Dagmar Leischow
www.bda-hamburg.de

Die 5 Satzanfänge von HCZ-Autorin Dagmar Leischow vollendet der Architekturkritiker und Dipl.-Ing. für Architektur DIRK MEYHÖFER – anlässlich der BDA-Preisverleihungen:

1 Der Großmarkt Theater Pavillon … beeindruckt mich, weil die Stadtentwicklungsbehörde dagegen interveniert hat, hier nur Container aufzustellen, auch wenn es um die triviale temporäre Aufgabe ging, ein kleines Logistikgebäude für die Harry-Potter-Musical-Aufführungen zu bauen. Die Behörde bestand darauf, einen kleinen Architektenwettbewerb auszuschreiben, weil es hier um den „Genius Loci“ unmittelbar an einem der wichtigsten Hamburger Bauten der Nachkriegszeit ging – die Großmarkthallen von Bernhard Hermkes. Das Ergebnis: Eine Bauskulptur mit Verve und präziser Geometrie, die im Wettbewerb mit den Großmarkthallen-Dächern besteht. Man hat fast ein bisschen Angst davor, dass es nach den Potter-Performances wieder abgebaut wird.

2 Der U- und S-Bahnhof Elbbrücken … fasziniert mich, weil diese Station das „Drehkreuz der amphibischen Stadt“, also die Verknüpfung der Hochbahn mit den Landungsbrücken, dem Elbtunnel und den Hafenfähren ausbildet. Dabei ist in den letzten 100 Jahren ein Show-down der Hamburger Verkehrsarchitektur entstanden: Teil des historischen Hochbahnrings, der in den 1920er und 1960er Jahren mit bestem Architektur- und Ingenieurshandwerk erweitert wurde. 

Architekturkritiker Dirk Meyhöfer: „Dem Projekt HafenCity Baufeld 34/15 „KPTN“ würde ich gern die „Goldene Zitrone“ verleihen, denn die Grundrissgrößen und Belichtungsverhältnisse sind hart an der Grenze des Zumutbaren. Hier wird doch zu eindeutig den Vorgaben von Investoren gehuldigt, die nur den Profit sehen: zu eng, zu dunkel, zu klein.“ © Thomas Hampel
Architekturkritiker Dirk Meyhöfer: „Dem Projekt HafenCity Baufeld 34/15 „KPTN“ würde ich gern die „Goldene Zitrone“ verleihen, denn die Grundrissgrößen und Belichtungsverhältnisse sind hart an der Grenze des Zumutbaren. Hier wird doch zu eindeutig den Vorgaben von Investoren gehuldigt, die nur den Profit sehen: zu eng, zu dunkel, zu klein.“ © Thomas Hampel

3 Würde das Jahrbuch Architekturpreise … für den Jahrgang 2020/21 vergeben, wäre mein persönlicher Favorit natürlich die großartige Transformation der Waterworks in Blankenese, einem wunderbaren, gut erhaltenen Industriebau aus dem 19. Jahrhundert, zu modernen Wohnoasen und einem neuen Kulturraum für Blankenese in der historischen Pumpenhalle. Die Wahl fällt auf dieses Ensemble nicht nur, weil ich selbst darüber schreiben durfte, sondern auch mit zwanzig Studierenden der Bremer Schule für Architektur hier Architekturkritik üben durfte. Dabei kam heraus: Hier haben die Architekten Biwer und Mau nicht nur hervorragenden Denkmalschutz geleistet, sondern auf schwierigem Terrain und mit schlichten Belichtungen im Hochwassergebiet derartig gut gearbeitet, dass hier Generationen von Architekturstudenten lernen können. 

4 Dem Projekt HafenCity Baufeld 34/15 „KPTN“ … würde ich gern die „Goldene Zitrone“ verleihen, denn die Grundrissgrößen und Belichtungsverhältnisse sind hart an der Grenze des Zumutbaren. Hier wird doch zu eindeutig den Vorgaben von Investoren gehuldigt, die nur den Profit sehen: zu eng, zu dunkel, zu klein. Die blauraum-Architekten gehören eigentlich zu den Besseren in Hamburg. 

5 Das städtebauliche Konzept für den Kleinen Grasbrook … bringt mich ins Grübeln, weil es dem Autor, dem Hamburger Stadtplanungsprofessor Dieter Läpple, zu recht aufgefallen ist, dass hier wieder einmal Hafen und Stadt nicht besonders zielführend miteinander zusammenarbeiten. Dieser Entwurf für den Kleinen Grasbrook ist Lichtjahre davon entfernt, ein von allen Seiten gefordertes Innovationsprojekt für Hamburg zu werden. Das meint nicht nur Dieter Läpple, sondern ich denke das auch.

Dirk Meyhöferist Architekturkritiker und Dipl.-Ing. für Architektur sowie Lehrbeauftragter und Promotionsstudent an der HafenCity Universität Hamburg (HCU)

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