Geschichte.Uni Hamburg und Netzwerk HafenCity e. V. wollen am Petersenkai im Baakenhafen das düstere Kolonialzeit-Kapitel aufarbeiten – und mit einer Gedenkstätte wachhalten. Auf dem Baakenhöft?
Die HafenCity ist nicht nur ein neuer moderner Stadtteil, sondern auch ein historischer Ort. Als ehemaliger Freihafen, von dem noch einige eindrucksvolle Gebäude aus der Gründerzeit, aber auch noch einige der Nachkriegsbauten in der Hongkongstraße sichtbar sind, war er ein Ort, der zur Arbeit, der zum Wohlstand der Stadt beitrug. Aber das Gebiet der HafenCity war auch eine Stätte der Vernichtungsmachinerie der Nazizeit, zu sehen an der Gedenkstätte Hannoverscher Bahnhof, und ein Ort, der zu einem der schrecklichsten Ereignisse der deutschen Kolonialzeit beitrug.
Foto oben: Postkarte Petersenkai um 1910. Das Auswärtige Amt bezeichnet die Kriegsführung der deutschen Kolonialtruppen im damaligen Südwestafrika offiziell als Völkermord. Verschifft wurden zwischen 1904 und 1907 vom Petersenkai aus 18.000 Soldaten und Offiziere für den kolonialen Vernichtungsfeldzug. © picture alliance | akg-images
Um diese Aufarbeitung des kolonialen Erbes Hamburgs ging es bei einem Rundgang mit anschließender Diskussion am 21. Januar, zu dem das Netzwerk HafenCity e. V., der Nachbarschaftsverein der HafenCity, mit seiner AG Baakenhafen eingeladen hatte. Dr. Kim Todzi von der Forschungsstelle „Hamburgs (post)koloniales Erbe“ an der Universität Hamburg erläuterte dabei den geschichtlichen Hintergrund und Norbert Hackbusch (Bürgerschaftsabgeordenter der Linken) trug Informationen zur aktuellen politischen Diskussion bei. Kerstin Auer, Vorstand des Netzwerks HafenCity und Initiatorin der AG Baakenhafen im Netzwerk, leitete den Rundgang und die Diskussion. Rund 50 Anwohner, darunter auch Studenten der HafenCity Universität (HCU), waren gekommen.
Zwischen 1904 und 1907 kam es im damaligen deutschen Südwestafrika, dem heutigen Namibia, zu einem Aufstand der Hereros, dem sich später die Namas anschlossen, und der von den deutschen Kolonialtruppen brutal niedergeworfen wurde. Mehr als die Hälfte des Volkes der Herero, nach manchen Studien bis zu 80 Prozent, wurden dabei vernichtet. Das Auswärtige Amt bezeichnet die koloniale Kriegsführung offiziell als Völkermord.
Dr. Todzi, der sich als Historiker mit dieser Zeit beschäftigt, erklärte, dass aller offizieller Verkehr des deutschen Reiches von und nach Südwestafrika über den Baakenhafen abgewickelt wurde, konkret über den Petersenkai am nördlichen Rand des Baakenhafenquartiers. Da, wo heute Grundschule, Spielplatz und bald auch ein Gemeinschaftshaus für reichlich Fußverkehr sorgen. Auch die etwa 18.000 Soldaten und ihre Offiziere für den Vernichtungsfeldzug schifften sich am Petersenkai ein und wurden von dort mit großen Feierlichkeiten – ein Vertreter des Senats war immer anwesend! – verabschiedet und nach ihrem Einsatz auch wieder ebenso feierlich begrüßt. Der gesamte Nachschub an Waffen, Ausrüstung und Verpflegung lief ebenfalls über den Petersenkai.
Grund genug, sich mit diesem Ort als mögliche Stätte für eine Erinnerungskultur an die deutsche Kolonialzeit zu beschäftigen, befanden die Teilnehmer der Diskussion, die sich an den Rundgang und die Erläuterungen anschloß. Das Betahaus in der Versmannstraße hatte dazu dankenswerterweise Räumlichkeiten, Kaffee und Tee zur Verfügung gestellt; Kaffee und Kuchen dazu gab es von Netzwerk-Aktiven. Welche Form solch eine Erinnerungsstätte nehmen könnte wurde angeregt diskutiert. Eine schlichte Gedenktafel wurde schnell als zu wenig befunden – aber wäre ein Dokumentationszentrum im Kakaospeicher auf dem Baakenhoeft angemessen oder zu ambitioniert? Anregungen zum Weiterdenken und Weiteragieren gab es jedenfalls genug. Und die AG Baakenhafen des Netzwerks wird sich des Themas weiter annehmen, hoffentlich auch mit der aktiven Beteiligung von Seiten der HafenCity Universität. Wolfgang Weisbrod-Weber
Info Kontakt und Informationen: AG Baakenhafen, Netzwerk HafenCity e.V., Kerstin Auer, T. 0172-437 66 16