E-Paper . Archiv . Newsletter
Baustopp Elbtower: Ein schlechter Vertrag?

Elbtower. Seit Ende Oktober herrscht beim Elbtower Baustopp. Die ­Rohbaufirma Lupp fordert 37 Millionen Euro ausstehende Zahlungen, ­bevor es weitergeht. Eine Katastrophe mit Ansage?
Plus: Editorial von Chefredakteur Wolfgang Timpe

Seit rund vier Wochen sind die Bauarbeiten an dem 245-Meter-Turm auf Höhe von über 100 Metern gestoppt. 950 Millionen Euro sollte Hamburgs nächstes Wahrzeichen einmal verschlingen. Doch jetzt steht der Rohbau mit seinen 100 Metern Höhe erst einmal als unvollendetes Werk auf dem aufwendigst gesicherten Untergrund an den Elbbrücken am östlichen Rand der HafenCity – ein „kurzer Olaf“, wie parteiinterne SPD-Spötter mit Blick auf den Kanzler dichteten, weil der Elbtower ein Lieblingsprojekt des früheren Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz war. SPD-Kritiker des schillernden Elbtower-Investors René Benko wurden intern mit „OWD“ ruhiggestellt: „Olaf will das.“ Widerspruch seinerzeit zwecklos.

Zurzeit nur ein „kurzer Olaf“, wie SPD-interne Spötter formulieren. Der Baustopp des Elbtowers von Investor René Benko rüttelt seit Ende Oktober die Hamburger Politik wie auch die verantwortliche Stadtentwicklungsbehörde und die Signa-Vertragspartnerin HafenCity Hamburg GmbH mächtig durch. Senatorin Karen Pein: „Die Einschätzung, das wäre ein schlecht verhandelter Vertrag, kann ich überhaupt nicht teilen.“ © Frank Bründel | www.citynewstv.de

Die Lupp Gruppe, verantwortlich für den Rohbau, hatte die Bauarbeiten wegen ausstehender Zahlungen von rund 37 Millionen Euro des Bauherrn Signa eingestellt. Die finanziell angeschlagene Signa, die zum Firmengeflecht des österreichischen Milliardärs René Benko gehört, ist seitdem auf Tauchstation gegangen. Laut Medienberichten wie zum Beispiel vom „Spiegel“ soll eine der deutschen Tochtergesellschaften, die Signa Real Estate Management Germany, jetzt beim Amtsgericht in Charlottenburg Insolvenzantrag gestellt haben. Was nun?

Der Senat ist wegen des Baustopps und eines neuen Elbphilharmonie-Kosten-Desasters schwer unter Druck geraten, in der Hamburger Politik rumort es gewaltig. In dieser Gemengelage und einem Firmenkonstrukt des René Benko, das auch für Experten schwer zu durchschauen scheint, hat die Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) jetzt im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft auf eine fristgerechte Fertigstellung des Wolkenkratzers – spätestens zwei Jahre nach den bisherigen Planungen – gepocht. „Jetzt gehen wir von einer Fertigstellung im Juli 2028 aus, so wie es im Vertrag vorgesehen ist“, sagte Pein. Bei Übergabe des Grundstücks an den Projektentwickler Signa Real Estate war der Senat im Januar dieses Jahres noch von einer Fertigstellung bis spätestens 2026 ausgegangen. Warum also die plötzliche Terminverschiebung der Fertigstellung um über zwei Jahre?

Elbtower-Baustopp: Laut Vertrag muss der Rohbau spätestens Anfang 2028 fertiggestellt werden, andernfalls drohen Strafzahlungen von 500.000 Euro monatlich, maximal zehn Millionen Euro. © Frank Bründel | www.citynewstv.de

Laut Vertrag muss der Rohbau spätestens Anfang 2028 fertiggestellt werden, andernfalls drohen Strafzahlungen von 500.000 Euro monatlich, maximal zehn Millionen Euro. Frühestens 2029 könnte die Stadt das dann möglicherweise nicht fertige Gebäude von Signa „zurückkaufen“ gegen Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 117 Millionen Euro.  Und wenn nicht nur eine Tochter, sondern die Bauherrin pleitegeht? „Eine Insolvenz würde das Wiederkaufsrecht unmittelbar auslösen“, sagte Senatorin Karen Pein.

Von dem Baustopp habe ihre Behörde – wie übrigens auch die Vertragspartnerin HafenCity Hamburg GmbH – erst Ende Oktober erfahren. Das erstaunt umso mehr, da es monatliche Berichte eines vom Projektentwickler beauftragten Bau-Controllers gab. Darin seien, so Senatorin Pein, „keine Auffälligkeiten“ festgestellt worden.

Die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann von Die Linke kritisierte seinerzeit den Senat, beim Verkauf des Grundstücks einen „schlechten Vertrag“ ausgehandelt zu haben, durch den der Stadt nun für die kommenden fünf Jahre eine „Bauruine“ drohe. Die Stadtentwicklungssenatorin weist diese Kritik zurück: „Die Einschätzung, das wäre ein schlecht verhandelter Vertrag, kann ich überhaupt nicht teilen.“

Dass die Fristen bei der Vertragsgestaltung mit Signa bewusst weit gefasst worden seien, um alle Eventualitäten bei einem solch komplexen Bauvorhaben abzudecken, sagt auch der Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH, Dr. Andreas Kleinau. Ziel sei es, immer Fristen zu definieren, die es dem privaten Investor ermöglichten, „das Projekt aus eigener Kraft über die Ziellinie zu tragen“, bestätigt Karen Pein. Und dennoch bleiben: Fragen, Fragen, Fragen. Wolfgang Timpe

HOFFNUNG von Wolfgang Timpe

Wolfgang Timpe. © Erol Gurian

Es reicht ja schon, dass die aktuelle Bau- und Immobilienkrise und die damit verbundenen Baukostenexplosionen in Deutschland existenziell zur allgemeinen Wirtschaftskrise beitragen. Dass die HafenCity mit ihren zahlreichen Neubauprojekten, ob Büro oder Wohnen, besonders empfindlich ist und inzwischen auch mit neuen verspäteten Projekt-Fertigstellungsfristen von zum Teil bis zu drei Jahren gebeutelt ist, reicht als Bremser der Quartiersentwicklung schon aus, um die Zukunftsstimmung in Hamburgs jüngstem Stadtteil kräftig einzutrüben. Einfach Mist.

Und oben drauf kommt Ende Oktober noch die Meldung vom Baustopp des Leuchtturmprojekts Elbtower wegen ausstehender Zahlungen des Bauherrn Signa um den österreichischen Milliardär René Benko an die Rohbaufirma Lupp von rund 37 Millionen Euro. Inzwischen verkündet die Hamburger Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein die Hoffnung auf Fertigstellung des Elbtowers für 2028 – statt wie noch vor Kurzem vom Signa-Bauherren selbst mit Ende 2025 angegeben. Inzwischen hat eine relevante Signa-Elbtower-Tochtergesellschaft Insolvenz angemeldet, Investor Benko ist raus aus dem operativen Geschäft. Und ein Insolvenzverwalter hat für die Bauherren – unter anderem die Familie Benko, Milliardär Klaus-Michael Kühne und Unternehmensberater Roland Berger – die Geschäftsleitung übernommen. Einfach Doppel-Mist.

Richtig ärgerlich werden das Scheibchenweise-Informieren und Verbarrikadieren des Investors Benko und der Signa wie auch das bisherige Schweigen der Mitgesellschafter des Elbtower-Projekts wie etwa Milliardär Klaus-Michael Kühne oder eben Roland Berger. Man kann sich von außen kein Urteil über den Cashflow der Investoren anmaßen, dass aber zum Beispiel eine Zwischenfinanzierung von rund 37 Millionen Euro für die Rohbaufirma Lupp Gruppe die Herren Kühne und Berger eher aus einer Portokasse finanzieren könnten, darf angenommen werden. Warum finanzieren sie also keinen Weiterbau – der im Übrigen ihre eigenen Elbtower-Investitionen sichern würde? Warum übernehmen sie nicht selbst operative Verantwortung beziehungsweise von ihnen installierte Verantwortliche für das von ihnen so geschätzte Elbtower-Projekt? Fragen über Fragen! Zurzeit: leider keine Antworten. Einfach Dreifach-Mist.

Umso überraschender – ja, es gibt gute Nachrichten! –, wenn Wettbewerber wie zum Beispiel das Projektentwicklungs- und Immobilienmanagement-Unternehmen Garbe sein Holzhochhaus „roots“ erfolgreich trotz allen Gegenwinds durchzieht und am 14. Dezember seinem Hauptmieter Deutsche Wildtierstiftung die Schlüssel übergeben wird. Oder wenn ein globaler Konzern wie das Projektentwicklungs- und Immobilienmanagement-Unternehmen Unibail-Rodamco-Westfield im Frühjahr 2024 sein Westfield Hamburg-Überseequartier eröffnen wird – nachdem die Investitionen in der Baukrise um weitere 500 Millionen Euro auf inzwischen 1,5 Milliarden Euro gestiegen sind. Verantwortliche Eigentümer-Investoren handeln offenbar erfolgreicher und verantwortungsbewusster als von Banken finanzierte Elbtower-Luftschlösser. Das macht Hoffnung.

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen