Einzelhandel. Henning Riecken mischt die Hamburger Innenstadt mit Mode und Lifestyle auf. Der Geschäftsführer von Breuninger im Westfield Hamburg-Überseequartier über seinen Multichannel Department Store und sein Erfolgsrezept als Gastgeber
Kein Wunder, dass bei ihm auch noch das Legere chic und als feines Understatement daherkommt, hat der gebürtige Kieler doch die Schneiderei von der Pike auf erlernt und sich dann mit BWL-Diplom zu einem erfolgreichen Manager entwickelt: Henning Riecken, Geschäftsführer im ersten Multichannel Department Store des Mode- und Lifestyle-Hauses Breuninger im neuen Überseequartier der HafenCity, das im Frühjahr 2024 eröffnen wird. Der HafenCity Zeitung hat der smarte Menschenfänger schon mal seine Ideen des neuen Breuninger-Hauses an der Elbe vorgestellt. Hamburg darf gespannt sein.
Foto oben: Geschäftsführer Henning Riecken führt den 14.000 Qudratmeter großen Multichannel Department Store Breuninger im südlichen Überseequartier: „Offline und online sind für uns ein Geschäft, es gibt keine Trennung. Online ist kein Gegner für Breuninger, sondern wir sind eine Company, eben ein Multichannel Department Store.“ © Catrin-Anja Eichinger
Herr Riecken, schon seit anderthalb Jahren sind Sie zum Geschäftsführer des neuen Flagship-Stores des Mode- und Lifestyle-Hauses Breuninger im Westfield Hamburg-Überseequartier berufen. Im Frühjahr 2024 soll eröffnet werden. Was macht man als Teamchef ohne Mannschaft zwei Jahre lang? Ich durfte noch das Breuninger-Haus Nürnberg weiterhin betreuen und bin ab 1. November hier und stehe jetzt Vollzeit für das Projekt in Hamburg zur Verfügung. Und insofern habe ich mich natürlich die vergangenen Monate noch mit dem bestehenden Haus in Nürnberg, der dortigen Performance und dem Team beschäftigt. Für unser neues Haus in der HafenCity, im Westfield Hamburg-Überseequartier, haben wir inzwischen tolle Einstellungen machen können und die Führungsmannschaft schon komplett. Jetzt werden wir bis zum Frühjahr 2024 unsere künftigen 150 Mitarbeiter:innen einstellen.
Sportlich. Brauchen Sie so viele? Das Breuninger-Konzept lebt von den Menschen. Wir bauen persönliche Beziehungen zu unseren Kundinnen und Kunden auf. Die Mitarbeiter:innen sind für uns das wichtigste Gestaltungskriterium auf einer lebendigen Fläche in einem lebendigen Department-Store.
»Das Breuninger-Konzept lebt von den Menschen. Wir bauen persönliche Beziehungen zu unseren Kundinnen und Kunden auf. Die Mitarbeiter:innen sind für uns das wichtigste Gestaltungskriterium auf einer lebendigen Fläche in einem lebendigen Department Store.« Henning Riecken
Die Marke Breuninger wird neu im stationären Einzelhandel im Norden sein. Warum kommen Sie jetzt nach Hamburg in die HafenCity? Wir haben in Hamburg bereits 120.000 aktive Kunden, die bei Breuninger kaufen, und mit unserem Shop breuninger.com erreichen wir europaweit insgesamt 2,5 Millionen Menschen. Wir sind bei Breuninger vom Sortiment und von dem Ansatz eines Multichannel Department Stores her schon sehr erfolgreich positioniert. Insofern ist Hamburg für uns mit den knapp zwei Millionen Hamburger:innen und den potenziellen Kunden aus dem direkten Umland sowie aus Norddeutschland, Skandinavien und Polen ein extrem wichtiger Markt. Und die HafenCity mit ihrem Überseequartier ist für uns eine Destination, die den Einzelhandel der Zukunft darstellt, weil es eben ein Urban-Entertainment-Center ist, ein Mixed-Use-Quartier, wie es neudeutsch heißt. Es ist Büro, Wohnen, Gastronomie, Unterhaltung und Freizeit – eben Erlebnis und Handel. Das Überseequartier bietet für uns und unsere Kundinnen und Kunden eine differenzierte Struktur, wo Menschen hinkommen, seien es Touristen oder Gäste aus der Region wie auch Hamburger, die in den 35 Restaurants des Quartiers sitzen und bei Entertainmentangeboten wie Kino oder immersiver Kunst unterhalten werden. Die Zukunft des Handels ist nicht, dass wir in einer Monokultur wie in den klassischen Innenstädten leben, sondern dass wir in einer differenzierten, entertainment-orientierten Ausrichtung unterwegs sind.
»Wir haben in Hamburg bereits 120.000 aktive Kunden, die bei Breuninger kaufen, und mit unserem Shop breuninger.com erreichen wir europaweit insgesamt 2,5 Millionen Menschen. Wir sind bei Breuninger vom Sortiment und von dem Ansatz eines Multichannel Department Stores her schon sehr erfolgreich positioniert.« Henning Riecken
Die Macher:innen reagieren allergisch auf den Begriff Einkaufs- oder Shoppingcenter. Warum? Weil es ein nicht mehr zutreffender Begriff ist, der keine Zukunft ausstrahlt. Ein Quartier mit einer differenzierten Entertainment- und Handelsstruktur will Menschen begeistern. Damit tun sich bestehende Shoppingcenter mit dem typischen Springbrunnen oder der Eisdiele schwer. Wir sind gezwungen, den Einzelhandel neu zu denken, und dafür sind die HafenCity und ihr Überseequartier ideal.
Was macht das neue südliche Überseequartier so attraktiv, dass Breuninger sich auf einer großen Fläche von 14.000 Quadratmetern auf drei Etagen mit einer zehn Meter hohen Glasfront präsentieren wird? Woher der Mut zu dieser Größe? Die Firma Breuninger lebt davon, dass wir ein Multichannel Department Store, ein Mehr-Kanal-Konzept, fahren. Wir betreiben einen sehr starken und sehr erfolgreichen Online-Shop. Gleichzeitig merken wir, dass parallel dazu der persönliche Kontakt vor Ort wichtig ist, dass diese Räume wichtig sind, in denen wir uns und unsere Produkte präsentieren. Das heißt, dass wir eine gewisse Großzügigkeit in der Warenpräsentation und eine aufregende Architektur brauchen, die die Menschen dazu anhält, sich bei uns länger aufzuhalten. Es geht nicht nur darum, dass die Kundinnen und Kunden einfach nur kommen, weil sie einen Pullover brauchen, sondern unsere Räume sollen als eine Art dritter Ort wahrgenommen werden. Das ist kein privater Ort und kein öffentlicher Ort, es ist etwas dazwischen, das vertraute Quartier. Wir haben es uns bei Breuninger zur Strategie gemacht, dass wir diese Räume so schaffen, dass die Menschen sich gerne bei uns aufhalten und inspirieren lassen.
VITA Henning Riecken
wurde im Frühjahr 2022 zum Geschäftsführer des Mode- und Lifestyle-Hauses Breuninger Hamburg berufen, das im kommenden Frühjahr seinen ersten norddeutschen Flagship-Store auf drei Etagen mit einer Fläche von 14.000 Quadratmetern im neuen Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity eröffnen wird. Der 56-jährige Riecken ist gebürtiger Kieler und seit 2018 im familiengeführten Unternehmen Breuninger, in dem er erst zwei Jahre lang den Breuninger Flagship-Store in Stuttgart und seit 2020 das Breuninger Haus in Nürnberg führt.
Zuvor war der gelernte Schneider und BWL-Absolvent, der vor 30 Jahren seine Diplomarbeit über „Ökologische Kleidungsmarken“ (damals unter anderem Britta Steilmann, Wattenscheid) verfasste, als Director Retail Management für Peek & Cloppenburg in Düsseldorf und Wien tätig. Henning Riecken ist verheiratet, hat zwei Kinder (Tochter 22, Sohn 28 Jahre) und wird ab 1. November zunächst für ein Jahr in Hamburg-Eppendorf wohnen. Späterer Umzug in die HafenCity oder die grünen Stadtteile von Hamburg nicht ausgeschlossen.Viele reagieren auf die Begriffe Erlebnis und Entertainment mit Shopping negativ. Sie fühlen sich durch diese modischen Marketingbegriffe instrumentalisiert, nicht animiert. Wir überzeugen in unseren Breuninger-Häusern durch eine sehr hohe Personalpräsenz. Unsere Mitarbeiter:innen empfinden sich als Gastgeber:innen, die unsere Kundinnen und Kunden empfangen. Das Thema in der Beziehung zum Kunden ist heute Wertschätzung und die Wahrnehmung, dass wir uns für sie Zeit nehmen. Zeit ist ein Luxus heutzutage, den wir aktiv positiv gestalten wollen. Gleichzeitig bieten wir besondere Services, besondere Breuninger-Momente an. Man kann bei uns eine Kreuzfahrt kaufen oder bestimmte Events und Veranstaltungen buchen, die wir planen. Wir verfolgen ein Konzept von Community-Building, bauen Gemeinschaften auf, in denen sich Menschen wohlfühlen. Wir planen in Hamburg kleine und große Veranstaltungen, werden mit unterschiedlichen Gastronomen zusammenarbeiten. Breuninger hat inzwischen weit mehr als eine Million Kundenkarten ausgegeben. Damit werden zukünftig auch Hamburger:innen Teil der Breuninger-Familie und erhalten zum Beispiel Zugang zu exklusiven Fashion-Events, die wir veranstalten. Aber sie haben auch Zugriff auf regelmäßige Card-Specials aus den Bereichen Reisen, Kulinarik und Kultur, etwa Events in der Elbphilharmonie.
Aber Pullover und Taschen verkaufen ist schon das Kerngeschäft? Ja, das ist der Handel. Für die Kundin oder den Kunden, die gern einen Pullover kaufen möchten, haben wir genug Pullover und genügend Auswahl, und wir haben sie auch so sortiert und präsentiert, dass Sie oder Er schnell zu einer Kaufentscheidung kommen können. Zugleich merken wir aber immer stärker, dass das Thema Einkaufen im stationären Handel sich eher zu einer Freizeitbeschäftigung entwickelt. Einkaufen heißt heute auch, Zeit mit Freunden zu verbringen, wo man Gleichgesinnte trifft oder Menschen, die eine ähnliche Interessenlage haben. Und unsere Aufgabe ist es, diese Menschen zu verbinden.
In Stuttgart veranstaltet Breuninger unter anderem exklusive Events mit S-Klasse-Modellen. Warum? Auch das ist einer dieser Services, mit dem wir zeigen, dass „Erlebnis“ bei Breuninger eben kein Marketingbegriff ist, sondern mit Leben gefüllt wird. Mit Mercedes-Benz betreibt Breuninger in Stuttgart einen Shuttleservice, der unsere Kunden auch zu Hause oder im Hotel abholen und wieder zurückbringen kann. Darüber hinaus veranstalten wir Events mit Mercedes-Benz in Stuttgart oder mit Porsche in Düsseldorf, wo man ganz unterschiedliche Erlebnisse buchen kann. Man kann bei uns auch eine Ausfahrt mit einem Aston Martin auf Sardinien buchen. Es sind Angebote, an denen man exklusiv nur bei uns, bei Breuninger, buchen und teilnehmen kann.
»Bei uns haben alle – ich wie auch meine drei Geschwister – eine handwerkliche Ausbildung vor dem Studium gemacht. Wir waren ein liberaler Haushalt, und jeder durfte nach seiner Fasson glücklich werden. Ich bin sozusagen mit Bekleidung, Bühne, Theater und Schauspiel aufgewachsen. Dass man mit Kleidung, mit einem Outfit, unterschiedliche Rollen annehmen kann, hat mich schon immer fasziniert.« Henning Riecken
Ein Beispiel? Wir haben zum Beispiel in Düsseldorf anlässlich der klassischen Boot-Messe im Breuninger Düsseldorf ein Riva-Boot ausgestellt, und man konnte sich für eine exklusive Einladung der Bootsfirma bewerben. Man wurde mit einem Riva-Boot auf deren Werft am Gardasee zu einem Dinner mit weiß eingedeckten Tischen gefahren und konnte den Blick auf den wunderbaren Gardasee genießen.
Sind Sie ein Mode- und Lifestyle-Haus der Oberklasse? Definitiv nein. Neben den hochwertigen Veranstaltungen bieten wir gleichzeitig auch Momente an, die jeder kaufen kann. Das heißt, wenn ich jetzt ins Haus komme und sage, ich möchte gerne bei diesen Breuninger-Momenten meiner Mutter, Schwiegermutter oder wem auch immer ein Präsent machen, dann können Sie das bei uns buchen, und wir verschaffen Ihnen den Zugang zum Beispiel zu exklusiven Kulturveranstaltungen mit besonderen Extras. Noch einmal, wir sind nicht auf extremen Luxus festgelegt. Durch unsere Online- und Karten-Kunden wissen wir zielgenau, in welchen Breuninger-Welten sie in unseren bestehenden Häusern und im Internet unterwegs sind.
Was für eine Reichweite hat breuninger.com? Wir erreichen momentan 2,5 Millionen aktive Kunden. Da gibt es für uns nicht Ober-, Mittel- und Unterklasse, das ist ja von vorgestern und war irgendwie schon immer wenig zutreffend. Warum sollen wir uns beschränken? Wir entwickeln gruppenspezifische Angebote für alle. Wir sind in dem Sinne klassenlos. Menschen mit einem eher kleineren Budget, die sich für besondere Modethemen oder individuelle Erlebnisse interessieren, sind bei uns genauso herzlich eingeladen.
Was ist die größte Herausforderung an Ihrem neuen Job, den Breuninger Flagship-Store erfolgreich zu machen? Die größte Herausforderung ist es, die Kundenbeziehung aufzubauen, denn Hamburg hat ja nicht unbedingt auf Breuninger gewartet. Wir kommen im Frühjahr 2024 neu dazu und müssen uns bei Touristen, Tagesgästen und Hamburger:innen einen Namen erarbeiten. Wir werden dann zusammen mit dem Überseequartier die Flächen öffnen und dann die Geduld haben, uns sukzessive auch Bekanntheit und Image zu erarbeiten. Darüber hinaus ist es herausfordernd, die 150 Mitarbeitenden zu finden, die unsere Breuninger-Gastgeberrolle übernehmen und ausfüllen können. Früher gab es Verkäufer:innen, jetzt brauchen wir Mitarbeiter:innen, die sich bei uns im Team wohlfühlen und die Beziehungen zu unseren Kundinnen und Kunden aufbauen können, sodass diese und auch sie selbst sich mittel- und langfristig bei Breuninger wohlfühlen.
Was ist das Einzigartige der Mode- und Lifestyle-Angebote von Breuninger, dass die Kundschaft Treue entwickelt? Die Sortiments- und die Markenstruktur, die Art, wie wir die Ware präsentieren und wie die Menschen, die bei uns arbeiten, den Umgang mit dieser Ware pflegen, das ist die Breuninger-DNA. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen aus dem Stuttgarter Raum, bei dem auch Werte eine wichtige Rolle spielen, die für uns alle bei Breuninger bindend sind. Auch deshalb haben wir eine Sortimentsstruktur, die eben bei uns von normaler Preislage bis hin zu Luxuspreisen reicht.
»Für uns gibt es nicht Ober-, Mittel- und Unterklasse, das ist ja von vorgestern und war irgendwie schon immer wenig zutreffend. Warum sollen wir uns beschränken? Wir entwickeln gruppenspezifische Angebote für alle. Wir sind in dem Sinne klassenlos. Menschen mit einem eher kleineren Budget, die sich für besondere Modethemen oder individuelle Erlebnisse interessieren, sind bei uns genauso herzlich eingeladen.«
Henning Riecken
Der stationäre Einzelhandel, speziell auch in der Mode- und Bekleidungsindustrie, leidet am Internet. Viele Marken, wie jüngst das Unternehmen Hallhuber, müssen aufgeben. Um Sie herum ist Krise, und Sie expandieren. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Ich finde, dass es keine sogenannte Branchenkonjunktur mehr gibt. Wir sehen erfolgreiche und eher weniger erfolgreiche Akteure im Markt. Erfreulicherweise erreichen wir durch unseren Breuninger-Online-Auftritt eine extreme Reichweite sowohl in Deutschland, aber auch unter anderem in Österreich, der Schweiz oder Polen. Wir erreichen im deutschsprachigen Raum wie in angrenzenden Ländern Europas sehr viele Menschen mit unseren Produkten, mit unseren Erlebnissen und mit unserer Breuninger-DNA. Und ich glaube, was Breuninger auch erfolgreich macht, ist, dass wir eben stationär nicht über Rotpreise, über große Reduzierungen verkaufen, sondern dass wir die Ware wertig präsentieren und wertig mit ihr umgehen.
Woher nehmen Sie Ihren Optimismus zum Erfolg? Wir pflegen den hohen Breuninger-Anspruch, uns immer wieder neu zu erfinden. Und wenn wir sehen, dass die Menschen mehr auf Reisen gehen und besondere Erlebnisse schätzen, dann bieten wir die auch an: als Kreuzfahrtanbieter oder als Veranstalter besonderer Aston-Martin-, Porsche- oder Mercedes-Benz-Events. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass wir für die Kundinnen und Kunden immer wieder die richtigen Sortimente adaptieren. Und wenn sich das verändert, weil bestimmte Marken nicht mehr so attraktiv sind, machen wir den Shift zu anderen Marken. Wir müssen immer in Bewegung sein.
Gibt es regionale Unterschiede bei Ihren Häusern? Ein Moment unseres Erfolgs ist auch, dass jedes Haus bei Breuninger anders positioniert sein kann. Während Düsseldorf auf Luxus fokussiert ist, konzentriert sich Stuttgart auf breitere Zielgruppen. Und die Häuser in Nürnberg, Freiburg und Leipzig sind wieder komplett eigenständig darin, wie sie sich jeweils dem regionalen Markt präsentieren. Meine Aufgabe als Geschäftsführer hier in Hamburg wird sein, auch zu spüren, was passiert hier in Hamburg, was ist gewünscht und in welche Richtung müssen wir uns hier entwickeln? Wir werden auf die Bedürfnisse unserer Kundschaft reagieren.
Sie haben eben von Sortiment-Adaptionen gesprochen. Ist das wie im Fußball, wo inzwischen die Scouting-Abteilung fast wichtiger als der Trainer geworden ist? Die Komplexität unseres Geschäfts zu managen und zu erkennen ist eine Aufgabe von uns allen. Keiner von uns hat die Hoheit zu wissen, was in drei Jahren erforderlich ist. Aber die Mannschaft des strategischen Einkaufs, die Teams der stationären Häuser mit ihrem Wissen wie auch die Online-Mitarbeiter mit ihren spezifischen Erkenntnissen müssen sich darüber austauschen, wie wir alles beständig optimieren können. Bei Breuninger sind wir da im offenen Dialog und sind als Firma auch deswegen erfolgreich, weil wir anderen zuhören und es nicht die eine Abteilung gibt, die für alle einkauft. Unser Zentraleinkauf ist gut beraten, auf die Entwicklung der einzelnen Häuser Rücksicht zu nehmen und zuzuhören, was jeweils vor Ort passiert.
Sie sind in Kiel geboren, kennen den norddeutschen Charakter und waren lange als Director Retail Management bei der auch in Hamburg bekannten Marke Peek & Cloppenburg. Warum befindet sich die Hamburger Innenstadt in der Defensive, was für Fehler wurden und werden gemacht? Es ist nicht unsere Art, die Entscheidungen von anderen zu kommentieren oder gar zu bewerten. Vielmehr ist es unser Anspruch, uns vor Ort einzubringen und mitzugestalten. Wir wollen einen Beitrag leisten und uns austauschen, weshalb ich mich auch im Vorstand des Citymanagements engagiere. Wir sprechen immer mit allen beteiligten Protagonisten, um für die Innenstadt zu kämpfen. Das fängt mit der Weihnachtsbeleuchtung an und reicht bis zu den strategischen Entwicklungsgesprächen mit der Handelskammer Hamburg. Wie gesagt: Unsere Philosophie ist es, dass wir immer ein Teil der Stadt sein wollen, in der wir einen Breuninger-Department-Store betreiben. Das Bekenntnis zu lebendigen und florierenden Innenstädten ist elementarer Teil der langfristigen Strategie von Breuninger. Wir gehen immer aktiv in die Stadt hinein.
Haben Sie ein spezielles Geschäftsmodell für den Standort HafenCity? Es muss auf Sicht gelingen, dass die Hamburger:innen sagen: „Breuninger ist ein Teil von Hamburg.“ Deshalb dürfen wir auch keine Schwellenangst erzeugen, sondern wir wollen ein sympathisches, offenes und freundlich gestaltetes Haus sein, in dem jeder, der gerade hereinkommt, sich wohlfühlt und gerne bei uns ist.
Wie verhindern Sie, dass Ihr Internet-Business die Umsätze im stationären Handel kannibalisiert, die Preise kaputtmacht? Unser Online-Shop breuninger.com ist die Stelle, an der alles zusammenläuft. Wenn zum Beispiel ein Kunde bei uns etwas Schönes sieht, das er jedoch nicht nach Hause tragen möchte, setzt der Mitarbeitende den Lieferservice sofort um. Alle Mitarbeitenden bei uns haben ein iPhone oder ein iPad und können direkt Bestellungen auslösen. Oder ein Kunde ist bei uns im Haus, sieht einen Koffer oder auch was Größeres und möchte ihn gerne in einer anderen Farbe oder Ausführung haben. Dann wird der Auftrag noch im Laden online angestoßen und nach Hause geliefert. Offline und online sind für uns ein Geschäft, es gibt keine Trennung. Online ist kein Gegner für Breuninger, sondern wir sind eine Company, eben ein Multichannel Department Store.
Was werden Sie von Nürnberg in Hamburg vermissen, und worauf freuen Sie sich als gebürtiger Norddeutscher? Ich freue mich, wieder in so etwas wie Heimat zurückzukommen. Die Unaufgeregtheit und das Selbstvertrauen der Menschen in Hamburg finde ich bewundernswert. Ich mag den guten, respektvollen Umgang der Menschen miteinander, egal, wer welchen Job macht, egal, wer welches Outfit trägt. Es ist eine tolerante und offene Stadtgesellschaft. Aus Nürnberg nehme ich hingegen mit, dass man in einer knapp 600.000-Einwohner-Stadt viel schneller die Stadtgesellschaft kennenlernt und eine persönliche Einbindung hat. Die überschaubare Innenstadt in Nürnberg, wo fast alles innerhalb der Burgmauern passiert, Kultur, Gastronomie, Einzelhandel, Stadterlebnis und Tourismus, alles in einem fußläufigen Bereich von 15 Minuten und umringt von der historischen Stadtmauer, hatte für mich immer einen besonderen Charme, und ich werde das sicherlich hin und wieder vermissen.
Sie haben den Schneiderberuf erlernt und dann BWL studiert. Wie sind Sie in die Mode- und Textilbranche gerutscht? Ich habe viel Wassersport gemacht. Wenn man aus Kiel kommt, ist einem das ja ein wenig in die Wiege gelegt. Und ich habe damals erst aus alten Segeln Jacken genäht und habe aus Spaß dann die Schneiderlehre gemacht. Und bei der Ausbildung zum Bekleidungsschneider ist mir aufgefallen, dass der Handel immer stärker wurde und dass der Handel sozusagen als „Gatekeeper“, als Torwächter, zum Kunden mitentscheidet, welche Sortimente gestaltet werden. Deswegen habe ich mich damals für den Handel stärker interessiert, dann auch verschiedene Praktika gemacht und festgestellt, dass mich das Thema People-Business packt. Für Menschen zu arbeiten hat mir einfach viel Spaß gemacht. Deswegen bin ich dann im Rahmen eines Traineeprogramms bei Peek & Cloppenburg auf der Handelsseite geblieben und nicht in den Einkauf gewechselt. Ich war immer für Menschen verantwortlich und möchte noch immer gemeinsam mit ihnen eine motivierende positive, nach vorne blickende Atmosphäre schaffen.
Sind Sie eher Kauf- oder Mode-Mann? Ich bin Mensch und arbeite mit Teams. Ich sehe mich als Trainer, der eine Mannschaft in die richtige Richtung lenken und zugleich auch motivieren kann. Die Mitarbeiter:innen brauchen Aufmerksamkeit, um ihren Job gut zu machen, weil sie den ganzen Tag auf der Bühne sind – immer sichtbar, immer draußen, immer on stage. Das ist eine Riesenaufgabe.
Von welchem Beruf haben Sie als Kind geträumt? Schon als Kind habe ich davon geträumt, mich mit Mode, Gestaltung und Design zu beschäftigen. Mein Vater war Maschinenbauingenieur, meine Mutter Architektin. Bei uns haben alle – ich wie auch meine drei Geschwister – eine handwerkliche Ausbildung vor dem Studium gemacht. Wir waren ein liberaler Haushalt, und jeder durfte nach seiner Fasson glücklich werden. Ich bin sozusagen mit Bekleidung, Bühne, Theater und Schauspiel aufgewachsen. Dass man mit Kleidung, mit einem Outfit, unterschiedliche Rollen annehmen kann, hat mich schon immer fasziniert.
Sie sind 56 Jahre jung und haben immer in familiengeführten Unternehmen gearbeitet. Was unterscheidet persönlich haftende Eigentümer von angestellten Managern? Die Bescheidenheit und die langfristige Orientierung bei den Geschäftsentscheidungen. Die Geduld, die Ruhe und die persönliche Verantwortung, die man bei Eigentümer-Unternehmern spürt, führt aus meiner Sicht zu effizienten und zukunftsorientierten Entscheidungen. Wenn man gemeinsam mit Eigentümern an Werten und Vorstellungen arbeitet, fällt es mir als angestelltem Geschäftsführer leichter, diese dann an die Mitarbeiter:innen weiterzugeben.
Was macht Ihnen heutzutage Angst? Sorge bereitet mir die aktuelle geopolitische Lage mit zwei Kriegen. Umso wichtiger ist, dass wir als Führungskräfte uns im Alltag auf unsere Themen konzentrieren und dass wir für unsere Mitarbeiter:innen und Kunden da sind. Dass wir uns im Lokalen, in der Stadt engagieren und den Menschen Orientierung geben. Ja, wir sollten durchaus auch eine gewisse Fröhlichkeit und Leichtigkeit und positive Stimmung ausstrahlen – auch wenn das momentan vielleicht schwerer fällt, aber die Men-schen verlassen sich auf uns.
Haben Sie einen Lebenstraum jenseits der Arbeit? Das ist ganz einfach. Ich bin einfach sehr gerne unter interessanten Menschen. Mit Menschen zusammenzusitzen und gute Gespräche zu führen und zu erfahren, wie andere an Themen herangehen, begeistert mich. Oder zu erkennen, was andere Menschen motiviert, warum sie das so machen, wie sie es machen. Ich brauche keinen Urlaub, keine Reise nach Mauritius. Ich wünsche mir, viele gute überraschende Begegnungen zu haben. Mir geht es um Momente und die Gestaltung der Gegenwart, nicht darum, materielle Güter anzuhäufen. Die Währung der Zukunft sind die Themen Zeit und Aufmerksamkeit. Zeit, anderen Menschen zuzuhören.
Was ist Ihnen das Wichtigste im Leben? Immer in Bewegung und neugierig bleiben – auch auf das, was andere Menschen anders sehen und machen als man selbst.
Woher nehmen Sie Ihre Ruhe und Gelassenheit? Durch die Erfahrung, dass man stürmische Zeiten erlebt und Krisen gemeistert hat. Ich möchte gerne für junge Leute die Ruhe ausstrahlen, dass sie wissen, ich kann Fehler machen, aber im Notfall greift auch jemand helfend ins Steuer. Wie ein Kapitän auf einem Schiff.
Wer ist Henning Riecken in drei Worten? Weltoffen, optimistisch, neugierig.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe