Wie sich das Homeoffice zum „New Work“-Trend wandelt und warum nicht nur die Arbeit an Coworking-Plätzen digitaler wird, sondern sich die Büros selbst verändern
Auch wenn uns die pandemiebedingten Einschränkungen im privaten Alltag schon nicht mehr allzu stark beeinträchtigen, so ist doch im Beruf die Infektionsgefahr mindestens aufgrund der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber noch stark präsent. Unter dem Begriff „New Work“ verbirgt sich ein ganz neuer Ansatz, der die positiven Aspekte des Homeoffice und die neuen Anforderungen an die Attraktivität eines Arbeitgebers und Arbeitsplatzes vereint. Die jüngste Studie der DAK Gesundheit, der früheren Deutschen Angestellten Krankenkasse, zeigt, dass die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie von zwei Dritteln der Befragten als Vorteil wahrgenommen wird, gleichzeitig drei Viertel der Studienteilnehmer angeben, dass ihnen der direkte persönliche Austausch mit den Kollegen beim Homeoffice fehle.
Foto oben: „officepoint ONE“-Geschäftsführer Matthias Gripp vom Ericus-Contor setzt auf Coworking: „Im Juli haben wir einen neuen Standort in Altona in der Alten Kleiderkasse eröffnet und jetzt im August wird unser Standort HafenCity im Ericus-Contor um neue Büros mit Blick über die Speicherstadt erweitert.“ © PR
Viele große und kleine Unternehmen setzen auch weiterhin auf Homeoffice-Regelungen für die Mitarbeiter. Oftmals gibt es zwar erste Pläne für die Rückkehr in Hamburgs Hauptquartiere der Unternehmen, aber selten konkrete Zeitpläne. Man kann mutmaßen, dass zunächst die Gefahr einer zweiten Welle der Coronapandemie nach den Sommerferien durch Reise-Rückkehrer abgewartet werden soll. Denn für alle ist es aktuell wichtig, mit der – teilweise in Kurzarbeit – verbliebenen Man-Power auch handlungsfähig zu bleiben.
Die Corona-Krise als Durchbruch für digital-basierte Arbeitsweisen wie Homeoffice
Hört man sich unter den HafenCity-Bewohnern um, dann sind maximal Schicht-Modelle und die Aufteilung von Teams in mindestens zwei Gruppen bei den Büro-Tätigkeiten verbreitet. Denn wie auch Bezirksamtsleiter Falko Droßmann im jüngsten HafenCity-Zeitung-Interview und -Podcast schon zu Beginn der Pandemie auch für das Bezirksamt Mitte bestätigte, sind dank der Digitalisierung viele Arbeitsmaterialien digital verfügbar. Und mit moderner Soft- und Hardware sei die Bearbeitung nicht mehr an Aktenschränke mit Ausdrucken aus vergangenen Jahrzehnten gebunden. „Ich hatte mich damals (nach dem Umzug der Behörde; die Red.) entschieden, auf Desktop-Rechner zu verzichten, soweit es geht, und nur noch Laptops anzuschaffen. Hintergrund war, dass 70 Prozent unserer Mitarbeiter Frauen sind und wir das Bezirksamt mit den meisten berufstätigen Müttern sind. Mir ist egal, wo meine Mitarbeitenden ihre Arbeit machen. Der Gedanke, dass ein Bebauungsplan oder Bericht in der Amtsstube geschrieben werden muss, ist aus meiner Sicht anachronistisch.“
Corona-Pandemie: Der Hamburger Büromarkt erlebt einen starken Rückgang um mehr als 50 Prozent, so die von BNP Paribas Real Estate veröffentlichten Büromarktzahlen für das erste Halbjahr 2020.
Aufgaben und Daten können dank der Digitalisierung, die in diesem Corona-Jahr aus dem konkreten Bedarf heraus noch stärker vorangetrieben wurde, zeit- und vor allem ortsunabhängig bearbeitet werden. Für die Arbeitnehmer ein weiterer Vorteil: Die Digitalisierung wird von der Mehrheit als großer Nutzen wahrgenommen.
Die Corona-Krise als Durchbruch für flexibel nutzbare Büroflächen
Die Erfahrung des regelmäßigen Homeoffice hat nun fast jeder selbst machen können und insgesamt bestätigt sich für viele der Unterschied zum Arbeiten in Firmengebäuden. Die Studie der DAK Gesundheit bestätigt die Auswirkungen: Die wahrgenommene Produktivität und Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer steigen und so sinkt auch der Stresspegel der Mitarbeiter.
Nicht ohne Folgen: Erste Stimmen werden auch in Hamburg und der HafenCity laut, ob der Ausbau und die Planung von Büroflachen – etwa im südlichen Überseequartier oder im Elbbrückenquartier samt Elbtower – noch zeitgemäß sind. Mit einem Halbjahresergebnis von 152.000 m² erlebte der Hamburger Büromarkt nach dem Rekordergebnis des Vorjahres (306.000 m²) einen starken Rückgang um mehr als 50 Prozent, so die von BNP Paribas Real Estate veröffentlichten Büromarktzahlen für das erste Halbjahr 2020. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf dem Hamburger Büromarkt seien deutlich spürbar. Härter hätte es im bundesweiten Vergleich lediglich die Bankenmetropole Frankfurt mit minus 53 Prozent getroffen, so die Analysten von BNP Paribas Real Estate.
„Damit markiert das Resultat das schwächste erste Halbjahr seit 15 Jahren und ist primär auf die Auswirkungen der Corona-Krise und des wochenlangen Lockdowns zurückzuführen. Die erlassenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie haben besonders im zweiten Quartal zu einer vorübergehend nachlassenden Büronachfrage geführt“, sagt Heiko Fischer, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Hamburger Niederlassungsleiter. Viele Unternehmen verschieben im Zuge der anhaltenden ökonomischen Unsicherheit sowie der gegenwärtigen Rezession geplante Neueinstellungen und Investitionen, um im weiteren Verlauf der konjunkturellen Erholung über mehr Liquidität und Handlungsspielraum zu verfügen. Kurzfristig kompensiert der seit Jahren vorherrschende Angebotsengpass die aktuelle Nachfragedelle, wodurch in der Hansestadt keine Auswirkungen auf die Mieten feststellbar sind.“
Die Corona-Krise als Durchbruch für unternehmensübergreifende Zusammenarbeit
Gleichzeitig rücken die neuen Coworking-Spaces in den Fokus. Orte, an denen Einzelpersonen, kleine und große Unternehmen sowie temporäre oder dauerhafte Projektarbeitsgruppen sich gemeinsam zurückziehen können. Orte, die schon länger in den deutschen Großstädten boomen und deren Konzepte und Angebote für Unternehmen und Selbstständige gleichermaßen attraktiv sind. Die HafenCity und ihre direkte Umgebung bieten bewährte und zurzeit auch immer neue Coworking-Arbeitsplätze.
Doch so sehr Corona und „New Work“ diese mobile Arbeitsform pushen, ist Corona zugleich auch ein Auslastungsbremser. Zunächst waren diese Büroflächen mit Coffee-Flatrate und Obstkorb aus Bio-Anbau ebenso vom Lockdown betroffen wie reguläre Büros und Eventflächen. Gleichzeitig haben neue Anbieter wie Hotels ihre gästeleeren Zimmer und auch einige Veranstaltungsflächen-Anbieter ihre Räumlichkeite für das Arbeiten außerhalb des Büros und der eigenen vier Wände in den Markt gedrängt.
Auch in der FilmFabrique Coworking im Oberhafen wurde es von März bis Mai ruhiger, da schlichtweg keine Dreharbeiten stattgefunden haben. Es gab natürlich auch weniger Nachfrage seitens der Filmschaffenden bezüglich der angegliederten Arbeitsplätze. Denn die FilmFabrique versteht sich als Coworking-Angebot für Leute aus der Kreativ- und Filmszene.
Im officepoint ONE HafenCity, dem Coworking-Space im Ericus-Contor mit fantastischem Ausblick aus der 9. Etage sind die Anfragen deutlich eingebrochen und bestehende Buchungen storniert worden, bestätigt Geschäftsführer Matthias Gipp. Der Standort in der HafenCity ist besonders bei den anspruchsvolleren Mietern wie Großunternehmen beliebt. Das gesamte Ambiente ist hochwertig und ermöglicht konzentriertes Arbeiten, und zugleich wirkt die Atmosphäre inspirierend und locker. Die aktuellen Mieter der privaten Offices sind auch während der letzten Monate weiterhin regelmäßig gekommen. Denn anders, als zum Beispiel in der FilmFabrique im Oberhafen, wo man als Freelancer auch tageweise einen flexiblen Patz in dem Großraumbüro nutzen kann, gibt es im officepoint ONE nur fest buchbare Plätze und so fast immer die gleichen Coworker – ähnlich einer modernen Interpretation der klassischen Club-Idee.
officepoint-ONE-Geschäftsführer Matthias Gripp sieht weiterhin großes Potenzial in der Coworking-Branche, denn die Nachfrage von größeren Unternehmen verstärke sich: „Im Juli haben wir einen neuen Standort in Altona in der Alten Kleiderkasse eröffnet, und jetzt im August wird unser Standort HafenCity im Ericus-Contor um neue Büros mit Blick über die Speicherstadt erweitert. Für März 2021 planen wir die Eröffnung eines neuen einzigartigen Spaces im Speicher M26“ – direkt neben der Kreativgesellschaft im Sandtorkai.
Die einen wünschen sich einen festen Arbeitsplatz, die anderen Flexibilität. Coworking-Angebote wie die ABS Workspaces in der Überseeallee bieten beides. So wurde nach dem Corona-Lockdown reagiert und nicht nur für den Standort in der HafenCity in der Überseeallee, sondern auch für die weiteren drei Hamburger, zwei Berliner und den Frankfurter Standort neue Angebote geschaffen. Mittlerweile sind die Anfragen wieder auf Vorjahres-Niveau, aber die Kunden wünschen sich die Flexibilität, Arbeitsplätze und Räume je nach Auftragslage abgeben oder sogar aufstocken zu können. „Bis Ende September räumen wir deshalb bei allen neuen Verträgen eine verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten ein“, erklärt Nico Dittmann, Geschäftsführer der ABC Workspaces. Seiner Erfahrung nach werden oftmals nur kleine Büros mit ein bis drei Arbeitsplätzen benötigt, etwa von Start-Ups und Kleinunternehmern. „Aber auch größere Firmen, die eine weitere Betriebstätte aufmachen wollen, starten oftmals mit den ersten Mitarbeitern erstmal bei uns“, ergänzt der Coworking-Experte.
„Die Arbeitswelt steckt im Wandel. Je weiter sich der Fokus weg von der Arbeitszeit und hin zur Arbeitsleistung verschiebt, desto gefragter werden alternative Arbeitsformen wie das Coworking“, sieht auch Kristian Siewert. Er ist das, was man gern als einen digitalen Nomaden bezeichnet. Um seine Arbeit als Marketing Consultant auszuüben, braucht er nicht mehr als sein Laptop, WLAN, Smartphone und einen Sitzplatz. Unternehmen und Agenturen buchen ihn über dkadw.com für Projekte in Deutschland und Europa.
Sein flexibler Platz im Coworking-Space Places im Schopenstehl 15 bietet dem HafenCity-Bewohner alles, was er braucht, wenn er nicht bei Kunden vor Ort arbeitet. Kristian Siewert: „Ich liebe das Places in Hamburg. Eine hochwertige, aber gleichzeitig familiäre Atmosphäre. Dort kann ich mich in eine ruhige Ecke zurückziehen, aber auch Kunden oder Geschäftspartner zu Meetings einladen.“
Aktuell pendelt der gebürtige Hamburger regelmäßig nach München, wo er als Interim Head of Marketing für L’Osteria arbeitet. Eine italienisches Marken-Gastronomie-Konzept mit aktuell 127 Restaurants in acht Ländern und 6.000 Mitarbeitern. Ferner arbeitete er die vergangenen Jahre auch für den Volkswagen-Konzern als unabhängiger Unternehmensberater – und konnte dank des Coworking-Baubooms in der HafenCity auch schon vor der Corona-Pandemie flexibel entscheiden, wo er arbeiten möchte. So sind auch am jetzigen Standort die Buchungsmodelle dynamisch gestaltet: Ob Stunden, Tage oder Monate – das Places mit seinem außergewöhnlichem Designkonzept und dem Café Ray bietet alle Optionen.
Die Corona-Krise als Durchbruch für höflichen Abstand statt anständigem Handschlag
Andere Coworking-Spaces wie das neu eröffnete Foodlab Hamburg (siehe HafenCity Zeitung Mai 2020 und aktueller Bericht Seite 11) in der HafenCity verstehen sich vor allem als Raum für eine neue Arbeitsform und nachhaltige Food-Start-ups. Es geht im Foodlab um mehr, als um den reinen Arbeitsplatz. Dort sind die Gründer, Unternehmer und Selbstständigen explizit dazu eingeladen sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren. Das fängt bei der Erfahrung mit neuen Business-Modellen an und hört bei der gemeinsamen Beauftragung von Freelancern auf. Viele Coworking-Spaces sind mehr Community als Coworking, mehr persönliches Netzwerk als WLAN-Gemeinschaft.
Dass dazu nicht zwangsläufig das Arbeiten in der gleichen Branche wie im auf Gastronomie und Ernährung fokussierten Foodlab notwendig ist, zeigt das betahaus im Schanzenviertel. Als einer der ersten Coworking-Spaces in Europa hat es seit 2010 die Hamburger Interpretation von „New Work“ entscheidend mitgeprägt. Von Anfang an wurde die Energie und Motivation der Besucher gebündelt und in zahlreiche Projekte umgesetzt. So finden dort seit über zehn Jahren regelmäßige Routinen wie das betabreakfast und verschiedene kleine und große Konferenzen statt. Aber auch eigene Formate wie der betapitch wurden geschaffen, bei dem Start-ups ihre Ideen präsentieren und sich mit den anderen vergleichen können.
Die lange Erfahrung haben die betahaus-Gründer auf den zweiten Standort im Campus Tower in der Versmannstraße übertragen: Auch wenn sich hier die Großen und Kleinen der Fintech-Szene treffen, so ist das punktuelle konzentrierte Arbeiten für jeden HafenCity-Bewohner mit einem Halbtagesticket für 9 Euro und einem Tagesticket für 17 Euro möglich – und branchenfremde Coworker sind willkommen.
Wie sieht konzentriertes Arbeiten in Corona-Zeiten überhaupt aus? Ganz normal, bestätigen uns alle Coworking-Spaces: Die Abstands- und Hygienekonzepte sind festgezurrt und auf das Einhalten wird geachtet. So auch im CoCreating Space in der Reimerstwiete, das sich ideal für Kleingruppen eignet. Die Gründerin und Geschäftsführerin Elena Ringe erklärt: „Laut aktueller Verordnung entfällt für bis zu zehn Personen die Abstandsregel, was ein weitgehend normales Arbeiten möglich macht. Es sind im CoCreating Space genügend Sitz- und Arbeitsplätze vorhanden, um mit bis zu zehn Personen die Hygienemaßnahmen einzuhalten.“ Zusätzlich bietet sie ihre Räume auch stundenweise exklusiv an. Denn Teambuildings, Videodrehs, Interviews, Workshops oder Fotoshootings finden weiterhin statt.
Wer also neben den eigenen vier Wänden oder dem Office kurz-, mittel oder langfristig ein Plätzchen zum Arbeiten sucht, hat in der HafenCity und unmittelbarer Umgebung in jedem Fall die Wahl. Und das ist es auch, was sich Arbeitnehmer wie Unternehmen wünschen: Den Arbeitsplatz flexibel auswählen zu können. Dieser neuen Wahlfreiheit hat die Coronapandemie zum Durchbruch verholfen. Melanie Wagner
Coworking-Spaces HafenCity und Stadtküste:
officepoint ONE Hafencity, Ericus-Contor, Ericusspitze 4, 20457 Hamburg; T. 040-32 59 09 30, http://www.cocreatingspace.de
FilmFabrique Coworking, Oberhafen, Stockmeyerstrasse 43, 20457 Hamburg; T. 040-76 79 42 72, http://www.filmfabrique.de
ABC Workspace HafenCity, Sumatrakontor, Überseeallee 1, 20457 Hamburg; T. 040-22 63 91-0, http://www.abcworkspaces.com
betahaus finhaven HafenCity, Versmannstraße 4, 20457 Hamburg; T. 040-46 86 63 97, https://hamburg.betahaus.de/
betahaus Schanze, Eifflerstraße 43, 22769 Hamburg; T. 040-22 82 06 70, https://hamburg.betahaus.de/
Places Hamburg, coworking & places to be, Schopenstehl 15, 20095 Hamburg; T. 040-76 75 20 75, http://www.places-hamburg.de
CoCreatingSpace, Reimerstwiete 1, 20457 Hamburg; T. 040-32 51 34 00,http://www.cocreatingspace.de