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Ehrenwort-Pressekonferenz in Kiel, 18. September 1987: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) weist auf einer Pressekonferenz am 18.9.1987 in Kiel die von seinem ehemaligen Referenten Reiner Pfeiffer erhobenen Vorwürfe, er habe den Oppositionsführer Björn Engholm (SPD) während des Wahlkampfes bespitzeln lassen, zurück. © picture-alliance / dpa | Werner Baum
»Das gelingt einfach perfide gut«

Der Roman zum spektakulären Kriminalfall und Politskandal Uwe Barschel vor 35 Jahren, am 18. September 1987. Publizist und Autor Manfred Ertel veröffentlicht seine „Akte B. – Wenn die Möwen tiefer fliegen“. Eine realistische Fiktion

Manfred Ertel, „Akte B. – Wenn die Möwen tiefer fliegen“, Ellert & Richter, ISBN: 978-3-8319-0817-2, 384 Seiten, 18 €. © Ellert & Richter
Manfred Ertel, „Akte B. – Wenn die Möwen tiefer fliegen“, Ellert & Richter, ISBN: 978-3-8319-0817-2, 384 Seiten, 18 €. © Ellert & Richter

Die Handlung: Nach vielen Jahren Sendepause erhält die junge Hamburgerin Jule Hansen eine Nachricht ihrer Mutter. Es ist die Todesnachricht: von einer Brücke gestürzt und ertrunken. Freitod oder Mord? Jule kann nicht an einen Suizid glauben. Zusammen mit ihrer besten Freundin, einer Hamburger Oberstaatsanwältin, begibt sie sich auf Spurensuche und landet tief im Dickicht deutsch-deutscher Zeitgeschichte. Die Recherchen führen zu einem westdeutschen Ministerpräsidenten, der in den Achtzigerjahren unter den Augen der Stasi regelmäßig in der DDR aus- und einging. So viel sei verraten: Der MP, wie der Ministerpräsident im Roman genannt wird, begeht Selbstmord.
Foto oben: Ehrenwort-Pressekonferenz in Kiel, 18. September 1987: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) weist auf einer Pressekonferenz am 18.9.1987 in Kiel die von seinem ehemaligen Referenten Reiner Pfeiffer erhobenen Vorwürfe, er habe den Oppositionsführer Björn Engholm (SPD) während des Wahlkampfes bespitzeln lassen, zurück. © picture-alliance / dpa | Werner Baum

Moment mal. Ein Ministerpräsident wird tot aufgefunden? Das Triggerwort „Badewanne“ fällt nicht im Thriller, sonst wären die Parallelen zum Barschel-Fall, zum früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (1944–1987), zu eindeutig. Zur Erklärung für die jüngeren Leser:innen: Es war einer der spektakulärsten und kuriosesten Todesfälle in der politischen Landschaft Deutschlands (nimmt man mal den Fallschirm-Todessprung von Jürgen W. Möllemann aus).

Der Tod von Uwe Barschel konnte bis heute nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden. War es Mord oder Selbstmord, als im Jahr 1987 ein Journalist die Leiche des kurz zuvor zurückgetretenen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten in der Badewanne eines Genfer Hotelzimmers fand? Die Barschel-Affäre, auch bekannt als Waterkantgate – in Anlehnung an Watergate um US-Präsident Nixon –, beschäftigte die Medien über einen sehr langen Zeitraum. Das Bild des bekleideten Toten in der Badewanne auf dem „Stern“-Cover ging um die Welt.

Manfred Ertel weist im Nachwort darauf hin, dass die Fik-tion auf seinen Erfahrungen als „Spiegel“-Redakteur beruht und natürlich auf seinen Recherchen, die diese Kette von Ereignissen erst ins Rollen gebracht hat. Mit seinen Enthüllungen, die der „Spiegel“ unmittelbar vor der Landtagswahl veröffentlichte, entschied das Nachrichtenmagazin die Wahl zugunsten des SPD-Kandidaten Björn Engholm. Barschel wurde vorgeworfen, eine Schmutzkampagne gegen seinen Widersacher initiiert zu haben. Einen Tag bevor er im Untersuchungsausschuss des Landtags aussagen sollte, endete sein Leben tragisch in einer Schweizer Badewanne. 

Es scheint, als wolle Manfred Ertel all die Geschehnisse, die er damals nicht zutage fördern konnte, nun mit seinen Vorstellungen von den Ereignissen zwischen den belegten Tatsachen ausmalen. So oder so könnten die Gespräche des MP in der DDR abgelaufen sein. Ertel bringt noch eine Liebesgeschichte mit ins Spiel, und die Leser:innen nehmen an: „Ja, macht Sinn. So könnte es gewesen sein.“ Romanautoren ziehen sich gerne auf die künstlerische Freiheit zurück. Gerade hier in „Akte B“ funktioniert das einfach perfide gut. Matthias Schinck

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