Exklusiv Geschäftsführerin Brigitte Engler vom City Management übers neue Überseequartier, Innenstadtidentität und neue Verbindungswege zwischen City und HafenCity
Ob in ihrem strengeren königsblauen Zweireihermantel bein Fotoshooting oder im roséfarbenen Lässiglook bei der Eröffnung des Weihnachtsmarkts HafenCity: Brigitte Engler, seit 17 Jahren Geschäftsführerin des City Managements, trägt nicht nur, sondern verkörpert selbst Stil. Ihr hanseatisch geschultes Understatement endet jedoch, wenn man auf die Versäumnisse der Politik bei den Laufwegen zwischen City und HafenCity zu sprechen kommt. Dann zählt nur Offensive: „Hier muss jetzt dringend was passieren!“
Foto oben: City-Managerin Brigitte Engler zur Innenstadt: „Sie bietet den Blick auf die Binnenalster und die zahlreichen Fleete. Das Stadtbild der Hamburger KernCity ist historisch gewachsen und damit einzigartig. Die KernCity ist der Mittelpunkt der Metropolregion, der Ort, an dem die Politik ihren Sitz hat und fast alle großen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen.“ © Catrin-Anja Eichinger
Frau Engler, im April 2024 will das Westfield Hamburg-Überseequartier mit über 100.000 Quadratmetern Einzelhandel und über 200 Gastronomien eröffnen. Wie ist Ihre aktuelle Stimmungslage? Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich grundsätzlich ein positiver und optimistischer Mensch bin. Das gilt im Privatleben, und so gehe ich auch an Herausforderungen im Job heran. Die bevorstehende Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers wirft für uns Akteure in der KernCity natürlich einige Unsicherheiten und Fragen auf. Wie hoch wird die Umverteilung der Umsätze sein? Wie werden sich Frequenzen und Laufwege verändern? Aber auch: Wie groß wird die Sogwirkung des neuen Quartiers für die Bewohnerinnen und Bewohner der Metropolregion und für die Touristen insgesamt sein, und wie profitiert die KernCity von dieser Anziehungswirkung? Seit Anbeginn der Planung haben wir den Senat darauf hingewiesen, dass in dem Quartier auch eine große Chance für Hamburg liegt – jedoch müssen die Verbindungsachsen zum Zeitpunkt der Eröffnung attraktiv gestaltet sein. Hier muss jetzt dringend etwas passieren.
»Wenn ich Erste Bürgermeisterin wäre, würde ich kurzfristig den Vorschlag der Kaufmannschaft aufgreifen, eine Ringlinie einzurichten, die die innerstädtischen Quartiere – einschließlich der HafenCity – miteinander verbindet. Diese sollte für Hamburg identitätsstiftend wie die Cablecars aus San Francisco, zukunftsorientiert, nachhaltig und unverwechselbar sein.«
Brigitte Engler zur Verbindung von Innenstadt-Quartieren
Im jüngsten Gespräch mit der HafenCity Zeitung waren Sie optimistisch, dass sich die Innenstadt gut für den neuen Wettbewerb aufstellen wird. Ist die City fit für die neue Konkurrenz in der HafenCity? Die KernCity kann sich dem Wettbewerb selbstbewusst stellen. Natürlich gibt es Herausforderungen – aber vieles ist auf einem guten Weg! Mit dem Rathausquartier wird gerade ein weiterer Bereich unserer Innenstadt im Rahmen eines BID durch die Grundeigentümer attraktiver und zukunftssicher gestaltet. Diese umfangreichen finanziellen Investitionen durch die Grundeigentümer zeigen, dass die handelnden Personen an die Zukunft unserer Hamburger Innenstadt glauben. Neue Konzepte wie Cinnamood oder wrstbhvr (Worst Behavior) sprechen eine junge Zielgruppe an, C&A ist in die Mö zurückgekehrt, der Rock Shop des Hard Rock Cafes eröffnet in Kürze, im Bereich Gastronomie ergänzen Konzepte wie Grill Royal oder 60 Seconds to Napoli das Angebot, und im Alten Wall eröffnet in Kürze ein Jazzclub. Dieses sind Entwicklungen, die einerseits für die Belebung in den Abendstunden sorgen, aber auch unseren Optimismus rechtfertigen, dass die Innenstadt insgesamt gut gerüstet ist.
VITA Brigitte Engler
ist seit 2006 Geschäftsführerin des City Managements Hamburg, der Dachorganisation der Interessengemeinschaften der Innenstadt und der HafenCity. Mit der Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers im Frühjahr 2024 entstehen neue Herausforderungen für die klassische Innenstadt wie auch für das City Management, das unter anderem auch für die HafenCity mitverantwortlich zeichnet.
Das Kerngeschäft des City Managements ist die Interessenvertretung der Innenstadt-Unternehmen und der Ausbau und die Pflege des Kommunikationsnetzwerks innerhalb der Mitgliedsunternehmen und zu Medien, Politik, Behörden und Polizei. Brigitte Engler vertritt ferner die Interessen der City im Vorstand des Tourismusverbands Hamburg, im Aufsichtsrat der Hamburg Tourismus GmbH, der Hamburg Messe und der Alstertouristik und arbeitet im Vorstand des Vereins Lebendiger Jungfernstieg mit.
Das City Management hat über 800 direkte und indirekte Mitglieder, sowohl aus dem Einzelhandel wie auch Projektentwickler, Verbände, Hotellerie, Gastronomie. Sie ist Diplom-Betriebswirtin und zog als gebürtige Münsteranerin 1988 nach Hamburg. Sie arbeitete in verschiedenen Positionen bei Peek & Cloppenburg (P&C) und war hierüber in den Interessengemeinschaften Spitalerstraße und Mönckebergstraße aktiv. Brigitte Engler hat eine Tochter und einen Sohn, und in der Freizeit trifft man sie beim Joggen im Wandsbeker Gehölz.
In der vergangenen Ausgabe der HafenCity Zeitung hat Geschäftsführer Henning Ricken vom Mode- und Lifestyle-Haus Breuninger das Miteinander seines digitalen Shopsystems und die Exklusivität des Multi-Departement-Stores mit Erlebnisevents für Breuninger-Karteninhaber:innen erläutert. Ist die Innenstadt heute digital genug aufgestellt? Bei fast allen Unternehmen haben die Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, über verschiedene gut vernetzte Kanäle einzukaufen. Die Bindung der Kunden über Erlebnisevents und eine auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Kommunikation sind heute selbstverständlich. Aber wir sehen auch Entwicklungspotenzial für die City und wünschen uns zum Beispiel eine Erweiterung der digitalen Buchungsmöglichkeiten von Parkplätzen.
Als Geschäftsführerin des City Managements vertreten Sie sowohl die klassische Innenstadt wie auch die HafenCity, weil die Stadt das Quartier zwischen Alster und Elbe mit dem neuen Cruise Terminal HafenCity als wassernahe Innenstadtlage begreift. Wie ist es für Sie, auf zwei Hochzeiten zu tanzen? Ich empfinde es nicht so, als würde ich mich zerreißen müssen. Ich schaue einer spannenden Zeit entgegen, die unsere Kreativität, unsere Kommunikation und unser Geschick erfordert.
»Die KernCity kann sich dem Wettbewerb selbstbewusst stellen. Natürlich gibt es Herausforderungen – aber vieles ist auf einem guten Weg! Mit dem Rathausquartier wird gerade ein weiterer Bereich unserer Innenstadt im Rahmen eines BID durch die Grundeigentümer attraktiver und zukunftssicher gestaltet. Diese umfangreichen finanziellen Investitionen durch die Grundeigentümer zeigen, dass die handelnden Personen an die Zukunft unserer Hamburger Innenstadt glauben.«
Brigitte Engler, Geschäftsführerin City Management
Ihr Kerngeschäft sind die Kommunikation für die Grundeigentümer und Händler der Innenstadt und die Organisation von kulturellen Veranstaltungen wie zuletzt die Präsentation der zwölf überdimensionalen Affenskulpturen auf der Mönckebergstraße. Was planen Sie als City Management fürs Frühjahr 2024, wenn das Überseequartier als Wettbewerber dazukommt?
Wir entwickeln gerade ein Konzept, welches inhaltlich an die erfolgreiche Skulpturenausstellung anknüpft und es zudem schafft, die verschiedenen Quartiere miteinander zu verbinden.
Was bietet die HafenCity, was die historische Innenstadt nicht bieten kann? Den Blick auf die Elbe und ein charmantes Hafenfeeling. Das Management des Westfield Hamburg-Überseequartiers aus einer Hand ermöglicht hohe Standards im Bereich des Außenauftritts und der öffentlichen Flächen, einheitliche Öffnungszeiten und übergreifende gemeinsame Aktivitäten.
Was hat die City, was die HafenCity nicht bieten kann? Den Blick auf die Binnenalster und die zahlreichen Fleete. Das Stadtbild der Hamburger KernCity ist historisch gewachsen und damit einzigartig. Die KernCity ist die Wiege der gesamten Stadt, Mittelpunkt der Metropolregion, der Ort, an dem die Politik ihren Sitz hat und fast alle großen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen.
Was fehlt Ihrer Meinung nach der Innenstadt an modernen Angeboten, damit sie mit dem neuen Überseequartier an der Elbe konkurrieren kann? Die beiden Quartiere sind unverwechselbar und ergänzen sich perfekt.
Vor ein paar Tagen stellten der Erste Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und seine zuständigen Senatsmitsglieder die Ergebnisse eines „Werkstattverfahrens Domachse“ vor, in dem fünf Planungsbüros aus Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten den Fuß- und Radweg vom Rathausmarkt in der City zum Überseequartier in der HafenCity aufwerten sollen. Sind Sie mit den Ergebnissen des großen runden Tisches aus Politikern, Grundeigentümern und Händlern aus City und HafenCity zufrieden? Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass der Senat eine funktionierende Verbindungsachse als ebenso wichtig erachtet, wie wir das tun. Aus unserer Sicht hätten wir dieses Engagement bereits vor zehn Jahren benötigt. Nun laufen wir Gefahr, dass die Baumaßnahmen der Verbindungsachse die Flaniermeile in die HafenCity eher beeinträchtigen.
Helfen die Aufwertung des Domplatzes mit der Herausnahme des Verkehrs und eine neue Attraktivität der Erdgeschossnutzungen entlang der Domachse dem Umsatz der Innenstadtakteure und dem lebendigen Hin- und Herflanieren zwischen City und HafenCity? Eine Herausnahme des Individualverkehrs sehen wir vor dem Hintergrund der Umwidmung eines Teils der Steinstraße als Kommunaltrasse eher kritisch. Wir müssen auch für Autofahrer erreichbar bleiben. Attraktive Erdgeschossnutzungen sind die Voraussetzung einer funktionierenden Verbindungsachse.
Es sind zur Eröffnung kurzfristige stadtplanerische Optimierungen und Event-Maßnahmen geplant, zu denen der runde Tisch jedoch noch keine Informationen geben wollte. Ist das nicht auch für Sie unbefriedigend? Wir haben wahrgenommen, dass unsere Ideen für Aktionen willkommen sind und ein erhebliches Budget für Ad-hoc-Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden kann. Wir entwickeln derzeit verschiedene Konzepte zur Eröffnung des neuen Quartiers, die wir kurzfristig mit allen Beteiligten abstimmen werden.
Wenn Sie Erste Bürgermeisterin wären und auf niemanden Rücksicht nehmen müssten, was wäre Ihre wichtigste Maßnahme zur Aufwertung des Fußweges zur Verbindung von Innenstadt zur HafenCity und umgekehrt? Wenn ich Erste Bürgermeisterin wäre, würde ich kurzfristig den Vorschlag der Kaufmannschaft aufgreifen, eine Ringlinie einzurichten, die die innerstädtischen Quartiere – einschließlich der HafenCity – miteinander verbindet. Diese sollte für Hamburg identitätsstiftend wie die Cablecars aus San Francisco, zukunftsorientiert, nachhaltig und unverwechselbar sein.
»Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass der Senat eine funktionierende Verbindungsachse als ebenso wichtig erachtet, wie wir das tun. Aus unserer Sicht hätten wir dieses Engagement bereits vor zehn Jahren benötigt. Nun laufen wir Gefahr, dass die Baumaßnahmen der Verbindungsachse die Flaniermeile in die HafenCity eher beeinträchtigen.«
Brigitte Engler zur Domachse
Was erwarten Sie persönlich vom Überseequartier in der HafenCity? Ich erwarte, dass wir mit den handelnden Personen weiterhin in einem konstruktiven Austausch bleiben, dass wir gemeinsam Aktionen entwickeln, die wir als Brückenschlag verstehen, dass wir das Miteinander auch tatsächlich leben, dass das Quartier eine attraktive Ergänzung zu dem Angebot der KernCity und eine weitere Attraktion für Hamburg-Besucher:innen ist, die auch eine Sogwirkung ausübt.
Warum braucht Hamburg so ein riesengroßes Einkaufs- und Erlebniszentrum mit Kreuzfahrtterminal? Diese Frage hätte sich der Senat vor Jahren stellen müssen.
Sie haben ein Berufsleben lang in der Innenstadt gearbeitet und sind nun auch schon seit 17 Jahren verantwortliche City-Managerin. Kämpfen Sie wie Don Quijote gegen die Windmühlen der Erneuerung in der City? Diesen Beruf habe ich bewusst gewählt, weil kein Tag wie der andere ist. Wir können notwendige Veränderungen aushandeln, gestalten und deren Umsetzung begleiten. Das empfinde ich nicht als Kampf gegen Windmühlen, sondern als Motivation.
Sorry, aber bei der Innenstadt denken viele an alte weiße Männer, Grundeigentümer, die ihr Geld eher zusammenhalten und anlegen als ausgeben. Wie kommen Sie als Frau mit einem solchen Typ von City-Management-Mitgliedern zurecht? Die Grundeigentümer haben seit 2006 bis heute über 100 Millionen Euro in den Stadtraum der KernCity investiert. Da können wir beim besten Willen nicht von „Geld zusammenhalten“ sprechen.
Was sind, wie man charmant sagt, die Waffen einer Frau in einem männerdominierten Meeting? Männerdominierte Meetings kennen wir gar nicht mehr.
Wovon träumen Sie persönlich? Das, was ich mir wünsche, ist mehr Achtsamkeit im Umgang der Menschen miteinander und mehr Respekt. Das muss ja kein Traum bleiben.
Möchten Sie noch mal was ganz Neues machen? Ich stehe Veränderungen grundsätzlich offen gegenüber. Und vielleicht kommt irgendwann eine Zeit, in der ich lieber etwas anderes machen möchte.
Was wünschen Sie sich vom Jahr 2024? Als City Managerin wünsche ich mir Erfolg für die Unternehmen in der KernCity und der HafenCity. Mit großem Stolz begehen wir im kommenden Jahr das 25-jährige Jubiläum des City Managements, das nach wie vor privatwirtschaftlich finanziert wird. Ich wünsche mir, dass die Mitglieder unseres Netzwerks weiterhin so engagiert zusammenstehen. Für mich persönlich wünsche mir, dass es meinen Lieben und mir gut geht. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe