Premium-Kinounternehmer Hans-Joachim „Achim“ Flebbe von der Astor Film Lounge in der HafenCity zeigt klare Kante beim Coronavirus Covid-19
Den Grundstein für seine Kinokarriere legte Hans-Joachim Flebbe 1973 in Hannover, damals gestaltete er das Filmprogramm des Apollo-Kinos im Stadtteil Linden, eines der ersten Programmkinos in Deutschland. 1989 gründete er die Cinemaxx-Gesellschaft, heute betreibt der gebürtige Hannoveraner, der seit gut 30 Jahren in Hamburg lebt, Premium-Kinos in mehreren Städten wie Berlin, Köln, Frankfurt oder München. 2018 eröffnete der 68-Jährige die Astor Film Lounge in der HafenCity.
Foto oben: Premium-Kinounternehmer Hans-Joachim „Achim“ Flebbe: „In einer Stadt wie Hamburg mit fast zwei Millionen Einwohnern gibt es an einem Tag inzwischen nur bis zu 21 Neuinfektionen. Dass dafür die gesamte Wirtschaft ruiniert wird, finde ich unglaublich.“ © Flebbe Filmtheater / M. van Kann
Herr Flebbe, was war Ihr erster Gedanke, als der Lockdown offiziell wurde und Sie Ihre Kinos schließen mussten? Das war ja ein schleichender Prozess, der nicht von heute auf morgen kam. Es gab bereits vorher Einschränkungen im Spielbetrieb. Dennoch konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen würde, eine Kinopause zu machen. Normalerweise sind unsere Lichtspielhäuser 365 Tage im Jahr geöffnet. Selbst an Weihnachten.
Vor dem Lockdown haben Sie Ihre Mitarbeiter am 15. März zu einer Vorstellung von Guy Richies „The Gentlemen“ in die Astor Film Lounge in die HafenCity eingeladen. Zum einen musste ich die Einstellung des Kinobetriebs verkünden, zum anderen wollte ich mir mit allen noch mal in aller Ruhe einen Film angucken. Obwohl 80 Leute im Saal saßen, hat sich dabei keiner mit Covid-19 infiziert. Trotzdem war uns bewusst: Das wird jetzt ein Abschied auf unbestimmte Zeit.
In einer Stadt wie Hamburg mit fast zwei Millionen Einwohnern gibt es an einem Tag inzwischen nur bis zu 21 Neuinfektionen. Dass dafür die gesamte Wirtschaft ruiniert wird, finde ich unglaublich.“
Hans-Joachim „Achim“ Flebbe, Premium-Kinountenehmer
Könnte man nicht in näherer Zukunft wieder Filme zeigen, wenn man im Kino den Sicherheitsabstand von 1,50 Meter einhalten würde? Darauf wird es wohl nach einer Lockerung hinauslaufen. Ich denke, zunächst muss jeder zweite Platz frei bleiben. Man darf nur eine bestimmte Anzahl an Gästen in den Saal lassen. So oder so: Ich halte die ganzen Aktionen der Politik für maßlos übertrieben. Insbesondere wenn ich höre, dass es in einer Stadt wie Hamburg mit fast zwei Millionen Einwohnern an einem Tag inzwischen nur bis zu 21 Neuinfektionen gibt. Dass dafür die gesamte Wirtschaft ruiniert wird, finde ich unglaublich. Mein Held ist der Rechtsmediziner Dr. Klaus Püschel aus dem UKE, der die Hamburger Corona-Toten obduziert hat. Dabei kam er zu dem Ergebnis: Das Durchschnittsalter liegt bei 80, zudem hatten diese Menschen jede Menge Vorerkrankungen. Für den größten Teil der Bevölkerung ist Covid-19 nicht lebensbedrohlich.
Was wünschen Sie sich nun als Kinobetreiber von den Politikern und der Stadt Hamburg? Grundsätzlich halte ich die Regelungen zur Kurzarbeit und die Darlehen, die durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau verbürgt sind, für erste gute Schritte. Allerdings müssen die KfW-Mittel bei der Hausbank beantragt werden, was relativ lange dauert. Zudem kriegt man sie nicht geschenkt, sondern muss diesen Kredit innerhalb von zwei bis fünf Jahren zurückzahlen. Insofern wäre es hilfreich, wenn der Senat für Kulturinstitute Subventionen freigeben würde. Denn Kinos und Theater werden zu den Letzten gehören, die während der Corona-Krise wieder völlig selbstbestimmt agieren können.
Die Astor Film Lounge wird auf jeden Fall überleben. Was die Auslastung betrifft, waren wir vor der Corona-Krise eines der erfolgreichsten deutschen Kinos. Fast alle Vorstellungen waren ausverkauft.“
Hans-Joachim „Achim“ Flebbe, Premium-Kinountenehmer
Rechnen Sie danach mit ausverkauften Sälen? Eher nicht. Da die gesamte Produktionskette in der Filmindustrie unterbrochen ist, wissen wir im Moment überhaupt nicht, welche Filme uns zur Wiedereröffnung zur Verfügung stehen werden. Vermutlich nur ein paar kleinere Produktionen. Blockbuster werden wohl so schnell nicht nach Europa kommen. Einfach weil gegenwärtig auch in Hollywood, wo viele der großen Hits entstehen, nicht gedreht wird.
Heißt das, womöglich bringt erst der neue James-Bond-Streifen im November die Branche richtig in Schwung? Er wird mit Sicherheit ein Kassenschlager. Allerdings ist noch gar nicht in Stein gemeißelt, ob es bei dem Starttermin im November bleiben wird. Eine zweite Lockdown-Welle könnte auch alles noch einmal verzögern. Ich hoffe, die Politik entwickelt irgendwann ein Augenmaß dafür, wie weit man die Lage strapazieren kann. In der Kinowelt haben wir uns auf eine dreimonatige Schließung eingerichtet, darauf sind unsere Kredite ausgelegt. Sollte sich die Frist plötzlich auf ein halbes Jahr verlängern, dann wird es überall sehr eng.
Auch für die Astor Film Lounge in der HafenCity? Sie wird auf jeden Fall überleben. Was die Auslastung betrifft, waren wir vor der Corona-Krise eines der erfolgreichsten deutschen Kinos. Fast alle Vorstellungen waren ausverkauft. Aber nicht jedes Kino wird die gegenwärtige Durststrecke durchstehen. Branchenintern rechnet man damit, dass zehn bis zwanzig Prozent Insolvenz anmelden müssen. Das hängt natürlich davon ab, wann es Lockerungsmöglichkeiten gibt. Kommen sie im Juni oder Juli, so erhöht das die Überlebenschancen vieler Kinos. Müssen die Lichtspielhäuser dagegen bis August oder September durchhalten, dann wird einigen die Puste ausgehen.
Eine neue Einnahmequelle für Kinobetreiber soll jetzt das Revival der Autokinos bringen. Wir eröffnen unsere ersten beiden Autokinos voraussichtlich am 8. Mai in Braunschweig und Hannover. In Berlin und Hamburg warten wir noch auf eine Genehmigung. Obwohl wir kein Atomkraftwerk bauen, sondern Parkplatzflächen begrenzt nutzen wollen, ist die Zusammenarbeit mit den Behörden recht zäh. Diese Erfahrung macht auch gerade ein Unternehmen, das in Bahrenfeld ein Autokino betreiben möchte. Es hat Probleme, weil die Toilettenfrage nicht geklärt ist. Das ist so aberwitzig, darüber kann ich nur lachen.
Kommt für Sie ein Standort in der HafenCity infrage? Dazu möchte ich nichts sagen. Sonst fühlen sich bloß irgendwelche Leute unter Druck gesetzt, was für uns negative Konsequenzen haben könnte. Ich denke aber, es wird demnächst zwei Autokinos in Hamburg geben – eins von uns, eins von einem anderen Anbieter.
Ist Kino on Demand parallel dazu für Sie eine weitere Verdienstmöglichkeit? Daran beteiligen wir uns nicht, weil die wirtschaftliche Auswirkung gegen Null geht. Man hat uns sogar schon geraten, Popcorn zu verkaufen. Damit bei Netflix-Zuschauern zuhause ein Kinogefühl aufkommt. Die Erlöse, die wir damit erzielen würden, wäre nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Stichwort Netflix: Sind Streaming-Dienste eine ernsthafte Konkurrenz fürs Kino? Ja. Derzeit schießen die Abonnentenzahlen in die Höhe, daran wird sich nach der Corona-Krise nichts ändern. Wenn sich die Menschen an das große Angebot von Netlix, Amazon oder Apple gewöhnt haben, bleiben sie wahrscheinlich langfristig lieber auf dem Sofa sitzen, statt ins Kino zu gehen. Wir hoffen allerdings, dass es nach der Wiedereröffnung zunächst eine Phase geben wird, in der sich einige noch einmal zum Kino bekennen werden – allein wegen des guten Bildes und des hochwertigen Tons.
So schnell werden die HafenCity-Anwohner wohl keine Vorstellung in der Astor Film Lounge besuchen dürfen. Was können sie alternativ tun, um Sie zu unterstützen? Einen Gutschein annehmen. Leider ist aktuell von Solidarität nicht viel zu spüren. Täglich rufen bei uns Leute an, die das Geld für Karten, die sie im Vorverkauf erstanden haben, zurückhaben wollen. Wenn es nicht innerhalb von zwei Tagen auf ihrem Konto eingeht, reagieren sie zum Teil ziemlich ungehalten. Ich kann nur sagen: So eine Rückabwicklung ist extrem arbeitsaufwändig. Eine Mitarbeiterin beschäftigt sich mit nichts anderem, als Tickets zu identifizieren und Rücküberweisungen in die Wege zu leiten. Das dauert eben seine Zeit.
Das Gespräch führte Dagmar Leischow