Editorial von Wolfgang Timpe, Herausgeber und Chefredakteur der HCZ HafenCity Zeitung, in der Juni-Ausgabe 2025

„Kennen Sie das Gefühl, dass Sie sich einer Sache ganz sicher sind und sofort eine Wette abschließen wollen? So erging es mir mit dem Fahrrad-Parkhaus im neuen Westfield-Überseequartier. Zeigte der Investor doch nachhaltigen Weitblick und konzipierte wesentlich mehr Stellplätze für die wachsende Drahtesel-Gemeinde: insgesamt 3.500 Rad-Stellplätze, davon 1.200 im im Untergeschoss (UG), und 2.500 Stellplätze für Pkws. Macht doch Sinn, in Zeiten der Mobilitätswende und ersehnter grüner Lebensqualität – dachte ich, und hätte Wetten darauf abgeschlossen. Doch, Stand heute, rund acht Wochen nach der Eröffnung, bietet das Westfield-Vélo-UG gähnende Leere. Eventuell hat man den Müßiggänger Oscar Wilde ignoriert: „Pferdeverstand ist das, was Pferde davon abhält, auf künftiges Verhalten von Menschen zu wetten.“ Also zu früh zu grün am Hamburger Radfahrerleben vorbeigedacht? Ein Investoren-Irrtum? Eher nein.
Denn die europäischen Nachbarn machen es erfolgreich mit sauberen Innenstädten vor. In Utrecht nutzen täglich rund 12.000 Bürger:innen das Fahrrad-Parkhaus am Hauptbahnhof. Und in Paris sorgt die radikal von Pkws befreite Innenstadt mit deutlich gesenkten Lärm- und Schadstoffemissionen für wachsende Fahrradnutzung und grüne Lebensqualität in der urbanen Mitte rund um Notre-Dame. Sind die Utrechter und Pariser fortschrittlicher? Ach was, eher konsequenter. Während man zum Beispiel bei den Nachbarn in den Zentren auf Rad und E-Mobilität setzt, sorgen die deutschen PS-Lobbyisten in der EU für längere Laufzeiten von Verbrenner-Motoren. Eine Idee zur Fahrradleere im Westfield: Vielleicht hat man die Lust von Radfahrer:innen überschätzt, die null Bock auf Radfahren in den Keller haben, um später mit Shoppingtüten bepackt wieder bergauf ins Straßenleben zu strampeln? Also ein emotionaler Planungsfehler? Eher ja.
Und nun? „Die Lösung ist immer einfach, man muss sie nur finden“, heißt es lapidar. Das Parkhaus nach draußen verlegen? Unsinn. Womöglich mehr fürs Vélocenter werben, und man muss sich aktuell einfach in Geduld üben und hoffen, dass die grüne Fahrrad-Lernkurve langsam nach oben und die Parklust in den Keller fährt. Wird schon – irgendwie.“ Wolfgang Timpe
PS. Aufmacherfoto oben: Fahrradparkhaus Westfield Hamburg-Überseequartier. © URW