»Einfach mal die Schnauze halten!«

Vorschau. HCZ-Autorin Dagmar Leischow sprach mit Max Giesinger vor seinem Auftritt am 25. November in der Inselpark Arena über Kloster-Erfahrungen und sein neues Album

Ein Industriekomplex in Ottensen. Dort hat das Management von Max Giesinger seine Büroräume. Der Sänger, geboren 1988 in Waldbronn bei Karlsruhe, holt sich vor dem Interview noch rasch einen Schokoriegel, dann nimmt er auf einem Sofa Platz. Wenn der Wahlhamburger redet, hört man fast gar nicht, dass er ursprünglich aus Baden-Württemberg kommt. Nur als er von seiner Oma erzählt, fällt er kurzzeitig ins Badische zurück. Ihr hat der einstige „The Voice of Germany“-Teilnehmer ein Lied auf seinem neuen Langspieler „Glück auf den Straßen“ gewidmet, der erwartungsgemäß mit eingängigen Popsongs gespickt ist.
Foto oben: Wonach sehnt sich Max Giesinger?„Ich will mit mir im Reinen sein. Ich wünsche mir ein entspanntes Leben mit den richtigen Leuten an meiner Seite – an einem guten Ort, ohne Stress.“ © Christoph Köstlin

Herr Gieisinger, Ihr Album heißt „Glück auf den Straßen“. Sind Sie ein leidenschaftlicher Globetrotter? Ich ziehe extrem viel daraus, unterwegs zu sein – egal, ob ich toure oder privat irgendwelche Trips mache. Vor einem Jahr hatte ich mal eine Phase, in der ich das Gefühl hatte: Ich muss mehr zu Hause sein. Jetzt bin ich aber wieder im Wohlfühlmodus, wenn ich neue Orte auschecken kann. Ich komme gerade aus dem Urlaub, ich war auf Elba und Korsika. Nach Korsika will ich auf jeden Fall bald wieder fahren, mit einem Camper. 

Wenn man den Plattentitel nicht aufs Reisen bezieht, könnte er auch eine metaphorische Bedeutung haben: Der Weg ist das Ziel. Genau. Wir arbeiten alle dauernd auf irgendein Ziel hin und glauben: Sobald ich das erreicht habe, ist alles gut. Doch es ist ein Trugschluss, dass man dann für immer happy ist. Bei mir hält die Euphorie so zwei, drei Tage, manchmal denke ich sogar nur einen halben Tag lang: Geil, dass ich das geschafft habe! Eigentlich müsste man den Weg zum Ziel mit all seinen Hindernissen viel mehr genießen, weil man dann stärker im Hier und Jetzt wäre. 

Buddhistische Klostererfahrung von Max Giesinger: „Da ­niemand geredet hat, gab es keinen Druck, performen zu ­müssen. Man konnte total bei sich sein.“ © Christoph Köstlin

Heißt das denn, dass Glück im Grunde genommen einfach nur ein flüchtiger Moment ist? Ja. Wir Menschen können nicht ein Jahr lang die ganze Zeit superglücklich umherlaufen – so funktionieren wir einfach nicht. Weil sich irgendwann Probleme einstellen, möchte man wieder etwas verändern. 

Warum schleicht sich bei uns allen trotz Erfolg im Job und einem stabilen Umfeld gelegentlich Unzufriedenheit ein? Weil man genau in diesen Momenten total vergisst, was man eigentlich hat und sich auf den Mangel konzentriert, der gerade innerlich vorherrscht. So­cial Media können das ganz gut pushen, gerade was Vergleiche anbelangt. 

Die sozialen Medien vermitteln zuweilen den Eindruck, dass einige Menschen ein perfektes Leben führen, oder? Sagen wir so: Sie stellen einen tollen Moment so zur Schau, als wäre das ihr gesamtes Leben. Doch Social Media sind nicht die reale Welt. Wenn ein Influencer Fotos von sich beim Joggen postet, ist er vielleicht nur kurz in Sportklamotten um den Block gelaufen. Dennoch fragen sich die Follower: Warum kriege ich es nicht auf die Reihe, morgens Sport zu machen? 

Sie selbst haben vor einigen Monaten einen Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster in Frankreich einem Aktivurlaub vorgezogen. Wie war es für Sie, zwölf Stunden pro Tag zu schweigen? Ich hatte ein bisschen Schiss davor, dass sich ein Gedankenkarussell in Gange setzen würde. Wider Erwarten war es aber eine sehr befreiende Erfahrung. Ich war mit 80 Leuten in einem Künstler-Retreat. Normalerweise hätte man sich an einen Tisch gesetzt und sich vorher gefragt: Wo passe ich hin? Da wäre direkt diese Spirale losgerattert: Wer bin ich in diesem gesellschaftlichen Konstrukt? Da niemand geredet hat, gab es keinen Druck, performen zu müssen. Man konnte total bei sich sein. Beim Frühstück habe ich in den wunderschönen Garten geguckt, und alles war in Ordnung. 

Was haben Sie für sich aus dieser Erfahrung gezogen? Dass Kommunikation etwas Besonderes ist. Ich war früher nicht gut darin, Stille auszuhalten, und hab dann lieber irgendwas geplappert, anstatt die Ruhe zu genießen. Im Kloster habe ich gelernt: Wenn man nichts Gehaltvolles vorzubringen hat, kann man auch einfach mal die Schnauze halten. 

Wenn Sie auf sich zurückgeworfen werden, scheinen Sie sich aber mitunter verloren zu fühlen. In dem Lied „4000 Wochen“ singen Sie: „Stehe auf Bali im Winter, wo ich wieder nicht finde, was ich eigentlich suche.“ Wonach sehnen Sie sich? Offen gestanden weiß ich das gar nicht so genau. Vermutlich strebe ich nach Zufriedenheit, ich will mit mir im Reinen sein. Ich wünsche mir ein entspanntes Leben mit den richtigen Leuten an meiner Seite – an einem guten Ort, ohne Stress.
Interview: Dagmar Leischow

Info
Max Giesinger tritt Montag, 25. November, 19.30 Uhr, in der Inselpark Arena auf. Karten und weitere Informa­tionen unter www.kj.de

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen