Elbphilharmonie: Das Miteinander feiern!

Elbphilharmonie. Pianist Igor Levit weckt mit dem Konzert »Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus« und Künstlern wie Tocotronic-Sänger Dirk Lowtzow oder Rednern wie Michel Friedman kollektiven Zusammenhalt

Dieses Konzert wird nicht die Welt retten“, sagt Igor Levit. Der Pianist hat eine dreieinhalbstündige Veranstaltung „Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus“ im Großen Saal der Elbphilharmonie organisiert. Mit dem Ziel, dass man sich nicht allein fühlt, sondern das Miteinander feiert. Deshalb hat sich der Wahlberliner zahlreiche Gäste eingeladen.
Foto oben: Publizist Michel Friedman im Großen Saal der Elbphilharmonie: „Ich habe noch nie Angst vor der Vielfalt des Menschen gehabt. Wenn, dann vor seiner Einfalt.“ © Daniel Dittus

Bevor er sie auf die Bühne holt, spielt er eine Chopin-Nocturne. „Dieser Abend wird nicht mit dem fröhlichsten Klavierstück eröffnet“, räumt er ein. Dennoch passt es zum Thema. Seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel nimmt in Deutschland Judenfeindlichkeit, sogar Judenhass, zu. Dagegen stemmen sich Musiker:innen, Publizist:innen und auch der Koch Tim Mälzer mit Wortbeiträgen oder Songs. Thees Uhlmann textet sein Lied „17 Worte“ ein bisschen um. Aus der Zeile „Und ein Fußballteam zu supporten“ macht er ganz am Schluss: „Und Igor Levit zu supporten“.

Dirk von Lowtzow singt „Ich tauche auf“, ein Stück seiner Band Tocotronic, solo. Der Pianist und Rapper Chilly Gonzales interpretiert seine Nummer „F*ck Wagner“, um der Frage nachzugehen: Sollten wir Kunst vom Künstler trennen? Liedermacher Wolf Biermann begleitet sich bei seinem Titel „Blutmond über Banyuls sur mer“ selber am Klavier. 

Igor Levit übernimmt sowohl für die Sängerin Efrat Alony als auch für den Sänger Malakoff Kowalski und die Antilopen Gang die Klavierbegleitung. Das Rapper-Trio spürt in seinem Track „Oktober in Europa“ der Stimmung nach dem 7. Oktober nach. Erstaunlich ist, dass es nicht nur Kanzler Scholz Kontra gibt, sondern von allem der linken Szene, der die Musiker immer nahegestanden haben. Allein Danger Dans Part „Im September hab ich vor der Roten Flora noch Klavier gespielt / Siebentausend Antifas machen ein’n auf Wir-Gefühl / Trän’n fließen bei dem Lied ,Mein Vater wird gesucht‘ / Und einen Monat später waren alle seltsam ruhig“ hat jede Menge Zündstoff geliefert und für Kontroversen gesorgt. In der Elbphilharmonie bekommt dieser Song aber vor allem eins: großen Applaus.

Noch mehr als die Musik berühren oftmals die Wortbeiträge. Die Aktivistin Düzen Tekkal predigt: „Liebe ist stärker als Hass.“ „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erinnert sich an sein Igor-Levit-Interview, das er am 16. November geführt hat. Igor Levit habe sein Herz geöffnet, erzählt er. Mit Aussagen wie „Ich fühle mich sehr allein, so allein wie noch nie“. Danach zitiert der Journalist aus einigen Leser:innenbriefen, die die Redaktion erreicht haben.

Am bewegendsten ist der Beitrag des Publizisten Michel Friedman. „Die schlechteste Demokratie ist mir lieber als die beste Diktatur“, stellt er klar. Auch dieser Satz hallt nach: „Ich habe noch nie Angst vor der Vielfalt des Menschen gehabt. Wenn, dann vor seiner Einfalt.“ Aber nicht nur die Worte beeindrucken. Alle Akteur:innen verzichteten auf Gagen, sämtliche Einnahmen werden gespendet. Ein Teil geht an die Stiftung Bornplatz Synagoge, die sich für den Neubau des Gotteshauses im Grindelviertel einsetzt. Weiteres Geld fließt dem Verein OFEK zu, um die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung zu stärken. Dagmar Leischow

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