E-Lifestyle. HCZ-Autor Thomas Geiger stellt das Facelift des Porsche 911 vor und beruhigt die Fangemeinde, die bei Änderungen am 911 hypersensibel reagiert
Sie verehren ihn wie den Heiligen Gral und sind entsprechend empfindlich: Wann immer Porsche was am 911 ändert, ist die Fangemeinde in Alarmbereitschaft versetzt. Und diesmal sind sie besonders alarmiert. Denn wenn die Schwaben unter dem internen Code 992.2 schrittweise das Facelift für den Sportwagen ausrollen, gibt’s eben nicht nur ein bisschen frische Schminke, eine neu sortierte Ausstattung und ein bisschen mehr Leistung für das jetzt 394 PS starke Basismodell, das künftig für 128.700 Euro als Coupé oder 142.800 Euro als Cabrio beim Händler steht. Sondern mit dem neuen GTS macht der Elfer einen ersten großen Schritt hin zum Elektroauto und bekommt einen Hybridantrieb. Kein Wunder, dass die gusseisernen Petrolheads da ein bisschen nervös werden.
Foto oben: Der Heilige Gral 911: Mit dem neuen GTS macht der Elfer einen ersten Schritt hin zum Elektroauto und bekommt einen Hybridantrieb. Kein Wunder, dass die gusseisernen Petrolheads da ein bisschen nervös werden. © Porsche Deutschland
Aber die Sorge ist unbegründet. Denn Baureihenleiter Frank Moser weiß um die Befindlichkeiten der Glaubensgemeinde und stellt Emotion deshalb über Emission und Effizienz. Und vor allem gibt er nicht viel auf Hybrid-Tugenden wie die Ruhe beim Anfahren oder das elektrische Cruisen. Als einer der ganz wenigen Doppelherz-Antriebe ist sein T-Hybrid nicht mal ein Teil- oder Kurzzeitstromer, sondern überlässt die Traktion immer dem Turbo-Boxer, der im Heck sein fröhliches Lied von der Lust an der Leistung brüllt.
Denn der Zeitgeist ist Moser und seinen Mannen herzlich egal. Wenn es ihm um Zeiten geht, dann allein um die auf der Nordschleife. Und die spricht eine deutliche Sprache: Eine Ewigkeit von neun Sekunden nimmt der Hybrid-GTS dem Vorgänger auf der Nordschleife des Nürburgrings ab.

Dafür haben sie einen großen Aufwand getrieben: Sie schrauben deshalb nicht nur wie bei Cayman oder Panamera eine E-Maschine mit 41 kW und 150 Nm ins achtstufige Doppelkupplungsgetriebe und klemmen eine besonders leichte und mit 1,9 kWh vergleichsweise kleine Batterie in den Bug, die – ebenfalls anders als bei den großen Baureihen – auch nicht an der Steckdose geladen werden kann. Sondern sie installieren zudem noch einen elektrischen Turbolader, der beim Anfahren sofort Druck macht und unter Last auch als Generator funktioniert. Und zu guter Letzt gibt es auch noch einen nagelneuen, großvolumigen Sechszylinder-Boxer, der von 3,0 auf 3,6 Liter wächst und schon alleine 485 PS leistet. Zusammen mit der E-Maschine klettert die Systemleistung auf 541 PS und übertrifft den letzten GTS um mehr als zehn Prozent.
Schon auf dem Prüfstand beschleunigt der GTS, den es wie immer auch als Cabrio oder als Targa und auch mit Allrad geben wird, deutlich besser, und er nimmt dem Vorgänger mit einem Sprintwert von 3,0 Sekunden bis Tempo 100 vier Zehntel ab.
Aber in der Praxis machen sich der elektrische Kick und das vereinte Drehmoment von 610 Nm noch stärker bemerkbar: Das Gefühl beim Kickdown oder beim Herausbeschleunigen aus der Kurve ist wie im elektrischen Taycan – fast explosionsartig schnellt der Sportwagen nach vorn. Nur dass die Raserei hier von einem leidenschaftlichen Sound begleitet wird, statt steril und still wie auf der Playstation mit Noice-Cancellation. So wird selbst Elektromobilität emotional. Oder zumindest das, was ein Sportwagen-Entwickler für Elektromobilität hält.

Noch etwas, das man zumindest auf dem Papier vergessen kann bei diesem Hybrid-Konzept, ist ein Verbrauchsvorteil, wie die Antriebsentwickler einräumen müssen müssen. „Wir bieten zwar mehr Leistung und eine bessere Performance als der Vorgänger, kommen aber auf dem Prüfstand auf nahezu denselben Verbrauch.“ In der Praxis sei das allerdings anders, sagen die Schwaben: Auf der Rennstrecke schafft er mit einem Tank jetzt ein, zwei Runden mehr, und auf der Autobahn kommt er eine Ausfahrt weiter.
Ja, Porsche hat sich viel Mühe mit dem neuen Motor gegeben. Aber Porsche wäre nicht Porsche, wenn sich die Schwaben das nicht teuer bezahlen lassen würden. Wo der GTS bislang für 155.337 Euro verkauft wurde, steht er jetzt mit 170.600 Euro in der Liste. Was allerdings auch an serienmäßigen Dreingaben wie der Hinterachslenkung liegt oder am neuen, ins Hochvoltsystem des Hybrids integrierten Wankausgleich.
Und keine Sorge: Auch wenn die meiste Energie in den GTS geflossen ist, haben sie die anderen Modellvarianten nicht vergessen. Und sie haben natürlich auch ein bisschen am Design gefeilt und endlich ein voll digitales Display anstelle des antiquierten, weil analogen Drehzahlmessers eingebaut. Und wer genau hinschaut, der entdeckt noch eine kleine Revolution beim Facelift: Das Zündschloss ist Geschichte, und auch den 911 erweckt jetzt ein Startknopf zum Leben. Der ist vielleicht nicht ganz so sinnlich, und auch kein Designhighlight. Aber er sitzt – so viel zum Thema Heiliger Gral – natürlich auch weiterhin links vom Lenkrad. Thomas Geiger
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