Leser-Echo. HafenCity-Bewohner Henrik Moritz hat auf das HCZ-Interview des HafenCity-Chefs Dr. Andreas Kleinau reagiert – zur fehlenden Nutzung des Oberhafens in der HafenCity. Was den ehrenamtlich Engagierten wundert und warum er sich ärgert
Im Exklusivgespräch mit der HafenCity Zeitung (April-Ausgabe; https://hafencityzeitung.com/der-oberhafen-ist-teil-der-hafencity/) vertritt Andreas Kleinau, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH (HCH), die Meinung, dass die HCH „in der HafenCity so viele Räume kreiert“ habe, „dass es für die Bedarfe vieler Anwohnenden … einfach“ ausreiche, und ruft im gleichen Atemzug zu einer Debatte darüber auf. Ich möchte dazu einige Schlaglichter aus meiner persönlichen Erfahrung als engagierter HafenCityzen beitragen.
Foto oben: Blütenpracht Oberhafen. Die hochwertig angelegten Blumenwiesen wurden jahrelang leider nicht oder falsch gemäht, sodass heute nur noch wenige von den schönen Blüten zu sehen sind. Henrik Moritz
Der Oberhafen-Garten
Zunächst würde ich zustimmen: Quantitativ betrachtet, wurden viele öffentlich nutzbare Räume in der HafenCity geschaffen. Schaut man aber auf die Qualität dieser Räume, ergibt sich im Großen wie im Kleinen ein differenzierteres Bild. Im Oberhafenquartier sehe ich zum Beispiel einen Raum mit erheblich mehr Potenzial. Andreas Kleinau sagt, dass Engagierte aus den anderen Quartieren der HafenCity hier weniger präsent wären. Das kann ich teilen, obwohl ich selbst ein Gegenbeispiel bin. Ich engagiere mich seit 2021 sowohl in der HafenCity ganz allgemein als auch im Oberhafen und hier insbesondere im Oberhafen-Garten.
Der Oberhafen-Garten direkt am Oberhafen-Kanal wird auf rund 6.000 Quadratmetern echter Grünfläche mit einigen Bäumen, hochwertigen regionalen Blühwiesen und Zisternen, die Regenwasser auffangen, von der HCH und Pächtern von vergebenen Nutzungsflächen gepflegt. Ist doch alles perfekt, könnte man in die Lobeshymne auf die eigene Arbeit von Andreas Kleinau und der HCH mit einstimmen?
Nein, auch hier muss man differenzieren. Die jetzige Ausgestaltung der Grünfläche mit Blühwiesen, Zisternen, Obstbäumen und Urban-Gardening-Möglichkeiten gibt es nur dank des frühzeitigen Engagements der Nutzenden-Gemeinschaft Der Oberhafen 5+1 e. V. im Oberhafenquartier, die eine offene Garten AG gegründet hatte, um die Entwicklung der Grünfläche zu gestalten. Nach der Fertigstellung der Flächen durch die HCH wurde seitens der Garten AG unter Mithilfe vieler Akteure sowie der Loki Schmidt Stiftung, des BUND e. V. und Neuntöter e. V. ein naturnahes Entwicklungskonzept für den Garten erarbeitet.
»Man rodete alle Hecken, Bäume und Futterpflanzen im Umkreis von hundert Metern ohne Vorwarnung.«
Die Garten AG bestand zu diesem Zeitpunkt aus etwa einem Dutzend Personen, die sich ehrenamtlich für die Umsetzung des Konzepts einsetzen wollten. Es wurde eine Nutzungsvereinbarung mit der HCH angestrebt und an weiteren Ideen gearbeitet. Leider kehrte schnell Ernüchterung ein, denn es dauerte Monate (!), bis der Entwurf einer Nutzungsvereinbarung seitens der HCH vorlag. Der Vertrag war sehr komplex, beinhaltete teilweise nicht leistbare Punkte und ignorierte komplett das eingereichte Konzept. Es wurde weder im Vertrag selbst noch in einer begleitenden Kommunikation ein einziges Wort zu unseren Ideen und konkreten Vorschlägen gesagt. Leider keine Augenhöhe von der HCH mit ehrenamtlich engagierten Menschen im Quartier.
Apropos Kommunikation der HCH. Zu den aktuell auch noch andauernden Bauarbeiten im Oberhafen gab es keine Informationen. Nachdem zum Beispiel ein kleines Projekt der Garten AG für 20 Nistkästen zusammen mit Neuntöter e. V. genehmigt wurde, rodete man im Auftrag der HCH wenige Monate später alle Hecken, Bäume und Futterpflanzen im Umkreis von hundert Metern ohne Vorwarnung. Die hochwertig angelegten Blumenwiesen wurden jahrelang leider nicht oder falsch gemäht, sodass heute nur noch wenige von den schönen Blüten zu sehen sind. Auch hier haben wir gegenüber der HCH vergeblich darauf hinzuweisen versucht, dass professionell angelegte Wiesen doch bitte auch professionell gepflegt werden sollten. Davon unabhängig schlugen wir Konzepte vor, wie wir das als Garten AG übernehmen könnten – doch auch hierzu keine Reaktion.
Die fehlende Kommunikation
Ein trauriger Höhepunkt war erreicht, als ein ranghoher Vertreter der HCH im Rahmen des Dialogverfahrens für mehr Biodiversität (vgl. Drucksache 22/6447 von Bürgerschaft und HCH) mit einer Gruppe von Experten und Engagierten den Oberhafen besuchte. Auf dem Weg dorthin passierten wir das Urban-Gardening-Projekt am Bolzplatz. Der Mann schaute süffisant auf die Hochbeete und merkte an, dass es hier auch schon mal besser gelaufen sei mit all den vertrockneten Pflanzen – das die HCH monatelang einen zugesagten Wasseranschluss zur Bewässerung nicht bereitgestellt hatte, unterschlug er leider.
»Immer mehr Mitglieder waren demotiviert und kamen nicht mehr zu den Treffen.«
Regelmäßig besuchen uns Bewohner:innen aus anderen HafenCity-Quartieren im Oberhafen-Garten und bekunden Interesse mitzumachen. Wenn sie jedoch davon hörten, dass es aktuell keinen unterzeichneten Nutzungsvertrag gibt, verloren sie ihr Interesse recht schnell – da die Arbeit ja vergeblich sein könnte. Danach traf es leider auch den aktiven Kern der Gruppe, denn immer mehr Mitglieder waren demotiviert und kamen nicht mehr zu den Treffen.
Aus familiären Gründen pausiere ich ebenfalls aktuell mit meinem dortigen Engagement. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass im Oberhafen-Garten ein großes Potenzial ruht: Ein großzügiges naturnahes und qualitativ hochwertiges Grün von Nachbarn für Nachbarn zur Naherholung ist dort ebenso möglich wie ein Ort für soziale Kontakte für Anwohner:innen und Naturbildung, Ernährungsbildung und auch Kinderbildung für alle in der HafenCity. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen kann ich am Beispiel Oberhafen-Garten verstehen, warum sich relativ wenige inzwischen dort engagieren. Ich befürchte, dass den neuen Gärtner:innen vom Netzwerk HafenCity e. V., die gerade mit ihrem Urban Gardening vom Bolzplatz im Lohseplatz aufgrund des Angebots der HCH in den Oberhafen ziehen, ähnliche Enttäuschungen bevorstehen.
Vieles in der HafenCity ist sehr lebenswert, zum Beispiel die Promenaden – wobei: Einzig der breite Kirchenpauerkai an der Norderelbe deutet mit seinen Grünanlagen und Bepflanzungen das wahre Grün-Potenzial der HafenCity an und bietet ein gutes Raumgefühl, kurze Wege und eine gute ÖPNV-Anbindung. Angesichts des formulierten Leitspruchs der HCH auf ihrer Website, „Modell für die neue nachhaltige europäische City am Wasser“, kombiniert mit den Erfahrungen aus unserem Alltag vor Ort, weiß man, dass vieles heute schon besser sein könnte. Für mich liegt es eben genau nicht daran, dass es „zu viele“ gestaltete Räume durch die HCH gebe, so Andreas Kleinau im Interview mit der HCZ, die für ihn nicht ausreichend durch die Bewohner:innen angenommen würden. Für mich liegt es an der mangelnden Kommunikation der HCH, und ich habe den Eindruck, dass die HCH eine partnerschaftliche ehrenamtliche Arbeit auf Augenhöhe nicht wirklich ernst nimmt.
Die Quartierszukunft
Hamburg und die HafenCity wollen kulturell mit europäischen Metropolen mithalten und bauen dafür einen Wolkenkratzer, ein Konzerthaus und offenbar auch eine neue Oper in den Stadtteil. Warum halten wir in der Stadtentwicklung perspektivisch nicht mit den Metropolen Europas wie Barcelona, Kopenhagen oder Paris mit? Hierzu könnte ehrenamtliches Engagement einen Beitrag leisten – wenn es denn wirklich gewollt wäre.
»Einfach das Grün in der HafenCity wieder mit einfachen Mitteln heilen.«
Herrn Kleinau und anderen Verantwortlichen rufe ich zu: Es entsteht der Eindruck, dass unser Engagement lästig für Ihre Organisation ist. Nach außen hin beteuern Sie stets, wie wichtig Ihnen Bürgerbeteiligung ist, und machen Marketing fürs trendige Urban Gardening im hippen Oberhafen. In der Realität hat unser ehrenamtliches Engagement für Sie jedoch offenbar die niedrigste Priorität. Viele Räume herzurichten, ist aber nur die Hälfte einer Stadt. Die andere Hälfte wird durch die Menschen ausgemacht, die diese Räume entdecken, sie nutzen und, ja!, auch ihren Erkenntnissen und Interessen entsprechend anpassen wollen. Die HafenCity ist ein Jahrhundert-Projekt, und ihre öffentlichen Räume müssen meines Erachtens umgehend mit den gewonnenen Erkenntnissen aus der Nutzung der Kümmerer neu kalibriert werden.
Was das heißt? Man könnte als HCH zum Beispiel kurzfristig das Grün wieder anpflanzen, das für den ursprünglich geplanten Bau des dritten Gemeinschaftshauses am Spielplatz im Lohsepark voreilig entfernt wurde. Einfach das Grün in der HafenCity wieder mit einfachen Mitteln heilen.
Und Ihnen und euch allen Engagierten möchte ich hier mal für die ehrenamtliche Arbeit danken und zurufen: Macht weiter Fässer auf– für weniger Versiegelung und mehr Grün, für ein gutes Verkehrskonzept und weniger Emissionen, für ein gutes Klima und für weitere, neue öffentliche Räume für Kunst, Kultur, Spiel und Sport – für alle, für Groß und Klein. Ich lasse mich nicht demotivieren und setze auf ein nachhaltigeres Quartier und eine gute, ehrenamtlich tätige Nachbarschaft! Henrik Moritz
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Henrik Moritz, 37, ist Wirtschaftsingenieur, wohnt mit seiner Familie am Lohsepark in der HafenCity und engagiert sich unter anderem im Oberhafen-Quartier und im Netzwerk HafenCity e. V.