Harbour Front Literaturfestival. Warum Moderatorin und Autorin Linda Zervakis wieder in die Stadt gezogen ist
Linda Zervakis ist mit dem Fahrrad zum vereinbarten Treffpunkt gekommen: einem Café in Winderhude. Eine überzeugte Radfahrerin war die Moderatorin schon, bevor sie sich in Schleswig-Holstein ein Haus auf dem Land gekauft hat. In ihrem Buch „Landgang – Berichte von außerhalb der Stadt“ erzählt sie von ihren Erfahrungen in der Provinz – sei es in der Dorfkneipe oder beim Renovieren. Allerdings gibt es in ihrer Geschichte ein paar Abweichungen von der Realität, sie ist in ihrem Buch nicht mit ihrer Familie umgezogen, sondern mit einer Freundin. Im Endeffekt ist das aber auf dasselbe hinausgelaufen: Die 48-Jährige kehrte doch wieder nach Hamburg zurück.
Foto oben: Autorin Linda Zervakis: „Wenn ich auf dem Land bin, fühlt es sich so an, als hätte jemand den Stecker gezogen. Ich höre vielleicht Vögel, manchmal höre ich nichts.“ © Elissavet Patrikiou
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Haus auf dem Land zu kaufen? Das hatte wohl etwas mit dem Älterwerden zu tun. In den Medien zu arbeiten ist ja ziemlich hektisch. Ich dachte mir: Ich brauche ein bisschen Ruhe und muss zwischendurch mal abschalten können. Das funktioniert auf dem Land tatsächlich sehr gut. Wenn ich dort bin, fühlt es sich so an, als hätte jemand den Stecker gezogen. Ich höre vielleicht Vögel, manchmal höre ich nichts.
Was hat Ihr enges Umfeld von Ihren Umzugsplänen gehalten? Meine Mutter hat gelacht und meinte: „Alles klar, bis bald.“ Das Schmunzeln einiger Freund:innen hat ebenfalls eine deutliche Sprache gesprochen. Doch ich sagte mir: Ich werde es euch allen zeigen.
In Ihrem Buch „Landgang“ bekennen Sie, dass Sie inzwischen wieder in Hamburg wohnen. Wie lange haben Sie dem Provinzalltag eine Chance gegeben? Mehrere Monate. Bis ich mir eingestanden habe: Ich bin ein Stadtmensch, der gewisse Infrastrukturen braucht – sei es zum Einkaufen oder um irgendwohin zu reisen. Von Hamburg aus komme ich einfach schneller von A nach B. Trotzdem habe ich mein Haus behalten, ich verbringe jetzt die Wochenenden auf dem Land.
Haben Sie Ihre Stadtwohnung nie aufgegeben? Nein. Ganz aufs Land zu ziehen, das wäre für mich ein zu großes Wagnis gewesen. Als Hamburger:in macht man ge rade im Sommer gern Ausflüge an die Ostsee oder die Nordsee. Sicher ist es dort schön, zwei Tage reichen aber meistens. Für immer auf dem Dorf zu leben, davor hätte ich zu viel Respekt und Schiss.
Waren allein die Renovierungsarbeiten nicht wahnsinnig anstrengend? Das Haus war anfangs wirklich eine Ruine, in die sehr viel Schweiß, Tränen und Geld geflossen sind. Die Idee war: Wenn wir uns hier wohlfühlen wollen, müssen wir anpacken. Nicht halbherzig, sondern richtig. Einiges ist in Eigenleistung entstanden, aber von Leitungen, Elektrik oder sanitären Anlagen verstehe ich nichts. Für solche Dinge habe ich Fachleute beauftragt.
Haben Sie manchmal Hilfe aus der Nachbarschaft bekommen? Natürlich hatten wir erst mal den Status Städter. Da wird zunächst geguckt, wie die so sind. Das Klischee der besserwissenden Städter muss ja irgendwann mal entstanden sein. Weil wir uns auf das Dorfleben eingelassen haben, wurden wir jedoch recht schnell akzeptiert. Wir haben eine unglaubliche Hilfsbereitschaft erfahren, die ich sonst eher aus Griechenland kenne. Wenn man sich irgendwo einen Bohrer geliehen hat, ist man direkt ins Gespräch gekommen und hat viel über sein Gegenüber erfahren. So etwas gibt es in der Stadt kaum noch. Durch das Internet und Instagram lebt jeder für sich in seinem Mikrokosmos. Man sagt sich Hallo, das war es. Bis heute kostet es mich in Hamburg Überwindung, Nachbar:innen um etwas zu bitten. Ich versichere sofort: „Ich bezahle das oder bringe es dir wieder.“ Auf dem Land ist so etwas viel unkomplizierter.
Obgleich die Menschen Sie aus dem Fernsehen kennen? Klar hieß es: „Habt ihr gehört? Die Zervakis ist hier im Dorf.“ Andererseits sehe ich auf dem Land nicht so aus wie im Fernsehen. Ich glaube, ungeschminkt, mit Gummistiefeln und abgewetzter Jeans haben mich einige auf den ersten Blick überhaupt nicht erkannt. Es hat die Leute vermutlich überrascht zu sehen: So viel Glamour hat die gar nicht. Sie hat keine lackierten Nägel, sie legt sogar selber Hand an. In Gesprächen kristallisierte sich später heraus, dass manche sich zunächst nicht getraut haben, mich anzusprechen. Weil ich für sie die Frau aus dem Fernsehen war. Zum Glück haben sie bald gemerkt: Die Zervakis ist auch nur ein Mensch. Das ist für mich das größte Kompliment, das mir jemand machen kann.
Gab es nach dieser Annäherung für Sie im Dorfkrug Lütt un Lütt? Wer sagt: „Ich trinke keinen Alkohol“, wird Probleme haben, mit der Dorfgemeinschaft ins Gespräch zu kommen. Korn ist nicht gerade mein Lieblingsgetränk. Aber wenn ich ihn abgelehnt hätte, wäre das eine Beleidigung gewesen. Also habe ich ihn getrunken – obwohl er ordentlich im Rachen gezündet hat. Interview: Dagmar Leischow
Info
Linda Zervakis tritt beim Harbour Front Literaturfestival mit Jan Georg Schütte am Fr, 22. September, 20 Uhr, im Deutschen Schauspielhaus auf. Karten und Informationen unter www.harbour-hamburg.com
Das Buch. Linda Zervakis: „Landgang – Berichte von außerhalb der Stadt“, Ullstein Extra, 224 Seiten, 17,99 Euro, ISBN: 9783864932359. © Ullstein Extra