Inga Rumpf wird 75, unterstützt „Play out loud“ und präsentiert ihr neues Album
Mit dem Kultursommer Hamburg feiert die Hansestadt den Neustart der Kultur. Unter dem Motto „Play out loud“ wird in der ganzen Stadt die Vielfalt und Lebendigkeit der Kultur erlebbar: eine Stadt im Kulturrausch. Über alle sieben Bezirke verteilt, findet mit mehr als 100 Veranstaltungsformaten teils über mehrere Tage ein vielfältiges Programm statt – zumeist unter freiem Himmel.
Foto Oben: Inga Rumpf: „Wenn ich in die Stadt hineinfahre, frage ich mich: Bin ich in der richtigen Straße? Seitdem ich auf dem Land wohne und ganz viel Platz habe, erscheint mir Hamburg so eng.“ © Jim Rakete
Dies reicht von einem mehrtägigen Kunstfestival und Musik-Events sämtlicher Genres über Kino, Theater oder Lesungen bis zu Angeboten für Kinder, Jugendliche und Familien. Die Vielzahl der Spielorte erstreckt sich dabei vom Rathausmarkt bis zum Garten einer Kirchengemeinde – öffentliche Plätze und Parks werden genauso bespielt wie ungewöhnliche Orte, darunter Alsterdampfer, Pontons auf dem Fleet oder Schaufenster. Ein berauschender Sommer voller Live-Kultur steht bevor.
Inga Rumpf hat einiges zu feiern. Am 2. August wird die gebürtige Hamburgerin 75, ihre Autobiografie „Darf ich was vorsingen? Eine autobiografische Zeitreise“ erscheint ebenfalls im August, ihr Doppelalbum „Universe of Dreams & Hidden Tracks“ hat sie gerade veröffentlicht. Auf dem ersten Teil finden sich überwiegend Neukompositionen, die zwischen Blues, Gospel und Rock changieren. Der zweite Teil bietet ältere Aufnahmen – teilweise mit Keith Richards und Ron Wood.
Wie es sich angefühlt hat, die Rolling-Stones-Mitglieder zu treffen, erzählt die Musikerin im Zoom-Interview mit der HafenCity Zeitung. Sie ist daheim in ihrem Haus in der südlichen Wesermarsch, hinter ihr hängen Bilder mit Schiffen. Ihr Vater, ein Seemann, hat sie gemalt.
Frau Rumpf, in Ihrem Song „Back to the Roots“ sprechen Sie über Sex, Drogen und Rock’n’Roll. Wie intensiv haben Sie dieses Klischee gelebt? Wenn man jung ist, macht man alles Mögliche, ohne großartig darüber nachzudenken. Ich habe verschiedene Drogen ausprobiert. Sobald ich allerdings merkte, dass sie meiner Stimme schadeten, habe ich sie nicht mehr genommen.
Sie waren also nicht so exzessiv wie Amy Winehouse? Ich bin eine impulsive, genussfreudige Löwin. Von daher hätte ich vielleicht einen anderen Weg einschlagen können. Zum Glück hatte ich noch meine Mutter, die ich sehr respektiert habe. Sie befürchtete von Anfang an, dass ich unter die Räder kommen könnte. Darum wollte ich ihr beweisen, dass sie sich irrt. Letztlich war sie stolz auf mich, sie hat immer zu mir gestanden.
Hat Ihre Mutter Sie geerdet? Absolut. Meine Mutter war Ostpreußin. Von ihr habe ich meine Bodenständigkeit geerbt. Mein Vater war ein völlig anderer Mensch. Als Seemann hat er sich in die Ferne gesehnt. Genauso ging es mir, als ich jung war. Es hätte mich durchaus gereizt, Funkerin zu werden und auch zur See zu fahren. Im Alter werde ich jedoch meiner Mutter zusehends ähnlicher. Ich bin aufs Land gezogen und arbeite gern im Garten – das erdet mich.
Inga Rumpf wurde am 2. August 1946 in Hamburg geboren. Anfang der 60er Jahre hatte sie ihre ersten Auftritte in einem Jugendheim auf St. Pauli. 1965 wurde sie Sängerin der Folk-Rock-Band Die City Preachers, 1968 nahm sie als Solistin mit dem Lied „Schade um die Tränen“ am ersten Deutschen Schlager-Wettbewerb teil. 1970 benannten sich Die City Preachers in Frumpy um, zwei Jahre später ging aus Frumpy die Formation Atlantis hervor, die sich 1976 auflöste.
Anfang der 1980er tourte die Musikerin mit ihrer Band Reality. 1994 machte sie Projekte mit Joja Wendt und der NDR Bigband. Ende der 1990er wandte sie sich verstärkt dem Gospel zu und trat in Kirchen auf. Ihr Doppelalbum „Universe of Dreams & Hidden Tracks“ ist gerade erschienen. Sa, 14. August, 20 Uhr, tritt sie in der Hamburger Fabrik auf.
In dem Lied „All in good Time“ schwärmen Sie vom Landleben. Macht es Sie glücklich? Unbedingt. Mein Umzug passierte Schritt für Schritt. Ich habe mein Haus vor 20 Jahren ausbauen lassen. Bis 2017 hatte ich noch eine Wohnung in Hamburg und bin gependelt. Aber irgendwann habe ich immer mehr Zeit auf dem Land verbracht. Es war somit eine logische Konsequenz, meine Stadtwohnung aufzugeben. Hier auf dem Land habe ich alles, was ich brauche: nette Nachbarn, ein beschauliches Leben.
Vermissen Sie Hamburg nicht trotzdem manchmal? Keinen Parkplatz zu kriegen, das fehlt mir bestimmt nicht.
Wie fühlt es sich heute für Sie an, nach Hamburg zu kommen? Wenn ich in die Stadt hineinfahre, frage ich mich: Bin ich wirklich in der richtigen Straße? Es hat sich so viel geändert. Seitdem ich auf dem Land wohne und ganz viel Platz habe, erscheint mir Hamburg so eng. Besonders die Wohnungen. Mir geht es wie meinem Vater, der mich nach seinem Umzug nach Bayern manchmal in Hamburg besuchte. Wir fuhren dann durch die Stadt, und er sagte jedes Mal: „Ich erkenne mein Hamburg gar nicht wieder.“
Das erzählen Sie in Ihrer Autobiografie „Darf ich was vorsingen?“, in der Sie sehr offen sind. Das Schreiben war wie ein vorgezogenes Fegefeuer. Ich stand nackt vor mir selbst und musste ehrlich sein – sonst hätte eine Autobiografie überhaupt keinen Sinn gemacht. Das Erinnern fiel mir nicht leicht: Ich wurde mit dem Tod meines zweiten Mannes konfrontiert, meine Eltern sind gestorben. Viele dieser Geschichten mussten aber einfach heraus.
Sind Sie sich durch diese Verluste Ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst geworden? Sicher. Ich habe auf einmal gemerkt, dass Glück und Trauer nah beieinanderliegen. Von einer Minute auf die nächste kann alles vorbei sein.
Genießen Sie mit dieser Erkenntnis Ihren 75. Geburtstag umso mehr? Offen gestanden kann ich überhaupt nicht fassen, wie schnell die Zeit vergangen ist. So ging es mir bereits, als ich 65 wurde. Damals habe ich einen Blues geschrieben, der erste Satz lautete: „I woke up this morning“. Denn in meinem Alter ist es schon mal viel wert, wenn man morgens aufwacht.
Wie feiern Sie Ihren Geburtstag? Ich lade ein paar Freunde und Nachbarn ein. Die eigentliche Feier findet dann hoffentlich im August mit meinem Publikum in der Fabrik statt. Ich denke über eine musikalische Lesung nach. Vielleicht werden wir im Trio oder im Quartett etwas Musik machen. Interview: Dagmar Leischow