Diskussion. Netzwerk HafenCity e. V. lud SPD, Grüne, CDU und Die Linke aus der Bürgerschaft zur Diskussion in die Campus-Schule HafenCity ein. Das Thema: „Bürger:innen-Beteiligung: Chance oder Show?“ Und die Schulkantine war voll besetzt
Was eigentlich ist Bürger:innen-Beteiligung? Wenn Anwohner:innen bei Veranstaltungen im Kesselhaus über Planungen informiert werden? Wenn sie bei Workshops Vorschläge zu Planungen machen können? Oder wenn sie über Planungen mitentscheiden dürfen?
Diesen Fragen stellten sich bei der vom Netzwerk HafenCity veranstalteten Diskussion die Bürgerschaftsabgeordneten Dirk Kienscherf (SPD), Farid Müller (Grüne), Anke Frieling (CDU) und Heike Sudmann (Linke). Schon die einführende Präsentation des Netzwerks HafenCity zeigte: SPD, Grüne, CDU und Linke haben in ihren Programmen für die Bürgerschaftswahl 2020 die Bedeutung der Beteiligung herausgestrichen.
Foto oben: Marianne Wellershoff, stellv. Vorsitzende des Netzwerks HafenCity e. V. und Sprecherin der AG Grün im Netzwerk: „Wir erwarten, dass jetzt auch wirklich etwas geschieht und die Maßnahmen aus dem Biodiversitäts-Verfahren umgesetzt werden – und zwar mit uns gemeinsam. Ich bin guter Hoffnung, dass sich SPD und Grüne dafür erfolgreich engagieren, das heißt nach dem Diskussionsabend vor allem, dass sie offenbar ihrer Verwaltung Beine machen müssen.“ © Sebastian Vollmert
Aber die Analyse verschiedener Beteiligungsverfahren, von Bebauungsplänen über das „Dialogverfahren Biodiversität“ bis zu Workshops, ergab ein ganz anderes Bild. Auf der „Leiter der Partizipation“, die vor mehr als 50 Jahren in den USA entwickelt wurde, schafften diese Verfahren es gerade mal auf die Höhe von symbolischer Beteiligung. „Mehr als eine Ratgeber-Funktion wurde den Bürger:innen nicht zugestanden“, so Marianne Wellershoff vom Netzwerk HafenCity. Echte Beteiligung beginne aber erst ab der Stufe des Mitentscheidens.
„Ich würde nie versprechen, dass wir Entscheidungen nur gemeinsam treffen“, entgegnete der SPD-Mann Kienscherf und lobte den rot-grünen Senat dafür, dass inzwischen frühzeitig informiert werde. „Heute funktioniert es nicht, dass man Projekte geheim hält, weil man dann umso mehr Protest erntet.“ Den gab es dann umgehend in der voll besetzten Kantine des Campus HafenCity vom Elternrat der weiterführenden Schule: Dass die temporären Schulcontainer an die Elbbrücken verfrachtet werden sollten, wenn der Schulneubau entsteht, hatten die Behörden lange geheim gehalten. Für diese Nicht-Information der Eltern hatte es in der Netzwerk-Präsentation auch ein Kreuz unterhalb der „Leiter der Partizipation“ gegeben.
Der Elternrat forderte von den Bürgerschaftsabgeordneten nun Klarheit über die Pläne, direkt neben der temporären Schule am Lohsepark auf Baufeld 76 (BF) eine neue Zentrale für die Hamburg Port Authority (HPA) zu errichten. Doch eine klare Antwort war von den beiden Vertretern der Regierungsfraktionen nicht zu bekommen. Farid Müller bestand darauf, dass die bereits in der Speicherstadt residierende HPA einen Hauptsitz in der HafenCity bekommen solle, und Dirk Kienscherf versicherte, die Bauarbeiten würden bald beginnen oder vielleicht auch nicht, der Lärm dürfe ja „nicht das Lernen in der Schule beeinträchtigen“. „In Sachen Transparenz ist das Glas hierbei vollkommen leer“, lautete das Fazit des HafenCity-Zeitung-Chefredakteurs Wolfgang Timpe, der die Diskussion moderierte.
Ebenso unbefriedigend sei das „Dialogverfahren Biodiversität“ verlaufen, so die energische Kritik aus dem Publikum: Keine der mit den Bürger:innen entwickelten Maßnahmen sei in den vergangenen neun Monaten umgesetzt worden, und die Entscheidung, welche Maßnahmen irgendwann realisiert werden, werde hinter verschlossenen Türen getroffen. Dazu werde es noch eine Drucksache der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen geben, kündigte der SPD-Mann Kienscherf an. „Noch eine Drucksache!“, rief daraufhin der Moderator Timpe, „das macht uns ja so nervös!“
Heike Sudmann von der Linken erklärte: „Bei den Bürger:innen gibt es wahnsinnig viel Wissen, und das sollten wir nutzen.“ Sie habe sich die Vorschläge aus dem „Dialogverfahren Biodiversität“ angeschaut und frage sich: „Das sind sehr gute Maßnahmen, und sie sind im Konsens von Behörden und Bürger:innen entwickelt worden. Warum also setzen wir die nicht um?“
Im Dialog mit Bürger:innen lerne man dazu, ergänzte Anke Frieling, CDU. Es sei wichtig, Dinge auch mal ganz neu zu denken. Wie zum Beispiel die Fläche BF 74-76 am Lohsepark: Statt 20 Jahre alte Büroplanungen abzuarbeiten, sagte Pastor Frank Engelbrecht, solle jetzt die Chance für ein „Reset“ ergriffen werden. Denn dann könne man herausfinden, was für diesen Ort in der HafenCity die beste Idee sei. „Gemeinsam selbstverständlich!“, rief er hinterher. Jens Fischer