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Grünes Paradies – oder was?

Debatte II. Die nichtöffentliche Entscheidung des rot-grünen Senats, dass Hamburg eine neue Oper auf dem Baakenhöft bekommen soll, findet Anhänger und Gegner – besonders im betroffenen Stadtteil HafenCity. Macht nichts, kann man ja danach darüber reden und Ideen austauschen. Denkt man, passiert aber bislang nicht. Warum?

Ja, wie jetzt, ist der zum dritten Mal wiedergewählte rot-grüne Senat der Hamburgischen Bürgerschaft auf dem Weg in die Abschottung? L’état c’est moi? Nein, das nun nicht, aber dass die ersten 100 Tage der wiedergewählten Stadtregierung (siehe Gastkommentar Seite 18) jede Menge kommunikativen Mehltau anhäufen? Ja. 
Foto oben: Eine KI-Visualisierung des Baakenhöft mit neuer Oper. Die Stadt Hamburg und die Kühne-Stiftung haben in der „Auslobung“ für die ausgewählten fünf Architektenbüros, die ihre Entwürfe zur neuen Oper bis Ende September einreichen sollen, folgendes festgelegt: Es soll „ein offenes, einladendes, schwellenloses und helles ,beschwingtes’ Haus frei von Pomp und Pathos“ sein. Und: „Inwieweit die neue Oper in einem Park steht oder aber die Oper Teil des Parks ist, bleibt den teilnehmenden Büros überlassen.“ Hier mal der KI-Entwurf der HafenCity Zeitung mit dem Opernhaus Oslo, entworfen vom norwegischen Architekturbüro Snøhetta, das unter anderen auch für den Architekten-Wettbewerb für die neue Oper auf dem Baakenhöft ausgewählt wurde.© Fotos {M}: Picture Aliance/dpa | Dimitrios Valkanis (Baakenhöft), Jens Passoth/Snøhetta (Opernhaus Oslo); Visualisierung erstellt mit KI von Open AI (Chat GPT); Grafische Umsetzung Jan Sievers, www.freischwimmer.io

Da teilt erstens Ende Juli die Ham­burger Hochbahn AG Ordre-mufti lapidar per Pressemitteilung mit, dass das geplante 160-Millionen-Euro-Projekt eines neuen zentralen Bus-Betriebshofs für 160 E-Busse- und Infrastrukturprojekt mit Supermarkt und Ärzten auf der Veddel zu teuer werde und nicht kommt. Mit nieman­dem vorher besprochen? Wirklich? Verkehrssenator und Senat jedenfalls bloßgestellt. Bezirkschef und Lokalpolitiker voll auf dem Baum. Transparente Information von Partnern und Öffentlichkeit? Nein. 

Das heutige Baakenhöft mit Schuppen 29 und „Lighthouse“-Musterwohnturm. Quartiersinitiativen, HafenCity Uni und Studierende sowie die Hamburger Architektenkammer wünschen sich eine öffentliche Debatte, wie man das Gelände sinnvoll für Stadt und Stadtteil nutzen kann. Ein Ideenwettbewerb statt Opern-Anordnung. © Picture Aliance/dpa | Dimitrios Valkanis

Da bekommt zweitens die HHLA-CEO Angela Titzrath nach dem Einstieg der weltgrößten Reederei MSC mit 49,9 Prozent einen neuen mehrjährigen Chefvertrag – obwohl sie kein MSC-Fan war. Und wenige Monate später, Ende Juni, trennt man sich mit lautem Abfindungsknall von ihr – offenbar auf Drängen des Neugesellschafters MSC, der die verkündete HHLA-Rendite des Titzrath-Vorstands des jüngsten Geschäftsjahres zu hoch fand. Und das, ohne zuvor einen geeigneten Nachfolger organisiert zu haben. Kein Wunder, dass nun seit Wochen ständig Fragen zur Nachfolge gestellt werden. Hauruck-Aktion und unprofessionelles Management im Vorwege. Strategische städtische Unternehmensführung und Transparenz? Nein.

Da entscheiden drittens Hamburgs Erster Bürgermeister, Kultursenator und HafenCity-Chef und dann der Senat, dass Hamburg eine neue Oper, die inzwischen sogenannte „Kühne-Oper“ bekommen soll. Das neue Gebäude und der neue Standort der Hamburgischen Staatsoper samt Ballett wird im vertraulichsten Kreis zwischen den politischen Partnern sowie der geldgebenden Kühne-Stiftung vorbereitet und final in Verträge gegossen, um es nicht öffentlich zerreden zu lassen. So weit, so nachvollziehbar für solch ein Projekt. 

Dass man aber nach Bekanntgabe des Schenkungsprojekts Anfang februar jede öffentliche Debatte mit der Stadtgesellschaft, also der demokratischen Öffentlich­keitsbasis aus Architekten, Landschaftsplanern, Stadtplanern, öffentlichen Institutionen, Initiativen und engagierten Bürger:innen umgehtt, bleibt das Geheimnis der Opern-Macher. Sie wollen „eine Oper für alle“, aber reden nur exklusiv mit Einzel-Medien der Stadt uber ihre Sicht der Dinge. Eine Einbahnstraße. Öffentliche Debatte, transparenter Meinungsaustausch auf Augenhöhe? Nein. Quo vadis Kommunikation der Stadtregierung?

Erste öffentliche Operndebatte auf dem Baakenhöft im selbstgebauten Holzpavillon der Studierenden, in dem sie auf einem langen Tisch ihre Opern-Recherchergebnisse ausstellen: Im Gespräch mit Bürgerschaftsabgeordnetem Arne Platzbecker (SPD), Claas Gefroy von der Architektenkammer, Porf. Alessandro Gees von der HCU sowie Marianne Wellershoff vom Netzwerk HafenCity e. V. und HCU-Studierenden von (T)Raum e. V. © Catrin-Anja Eichinger

Warum, egal ob Hochbahn-Fall, HHLA-CEO-Trennung oder Kühne-Oper? Warum so öffentlichkeitsscheu? Etwa, weil der Spender des neuen Operngebäudes, Milliardär Klaus-Michael Kühne, das vielleicht übelnehmen könnte, wie man aus Regierungskreisen immer wieder geflüstert bekommt? Das haben Hamburg, die betroffene Innenstadt und die HafenCity mit ihrer Landzunge Baakenhöft, nicht verdient. 

Warum scheuen die Opern-Projektverantwortlichen eine gemeinsame öffentliche Debatte über den Standort wie über den Sinn einer neuen Oper? Das Geheimnis haben sie exklusiv; diskutiert wird dennoch. „Während ein Milliardär ein Opernhaus finanziert, bleiben Fragen aus der Nazi-Zeit über seine Firma unbeantwortet“, titelt die New York Times einen Bericht am 22. Juli aus Anlass der Kühne-Opernpläne. Das ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die das Firmenverhalten des Vaters von Klaus-Michael Kühne und das Entstehen des Firmenvermögens zur Nazizeit gerne unabhängig aufgearbeitet hätten. Und dass Miliardär Klaus-Michael Kühne mit dem Firmensitz Kühne + Nagel schon 1969 und er selbst dann 1974 in die steuersparende Schweiz übergesiedelt ist, findet Hamburg überhaupt nicht hanseatisch. Vorläufiges Ergebnis des Wegtauchens: Schweigen erhärtet Vorurteile, Reden schafft Augenhöhe und Klarheit.

Auch deshalb war der erste stadtweite Dialog-Workshop über die Kühne-Oper des studentischen Vereins (T)Raum e. V. im Rahmen des diesjährigen Headland-Festivals von Asta und HCU auf dem Baakenhöft so erfrischend. Die Studierenden haben zur Oper recherchiert vom legendären „Fitzcarraldo“-Film mit Klaus Kinski, der für eine Oper im Urwald ein Schiff über einen Berg wuchten lässt, bis zu diversen Nutzungsmöglichkeiten des Baakenhöft auf Grund der Historie und der räumlichen Beschaffenheit sowie Stadtteil- und HCU-Wünsche. Keine Anti-Veranstaltung, sondern eine kreative Ideensammlung – ausgebreitet auf einem zwölf Meter langen Tisch in einem selbstgezimmerten Holzpavillon ausgestellt und für alle einsehbar.

Dass dazu auch ein harter Disput wie zum Beispiel zwischen dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und Kulturausschussvorsitzenden Arne Platzbecker und dem Pressesprecher der Hamburger Architektenkammer, Claas Gefroi, gehörte, überraschte nicht. Dampf musste aus dem Kessel. Gefroi: „Wir, die Hamburgische Architektenkammer, begrüßen das Vorhaben, den Musikstandort Hamburg zu stärken. Wir bedauern jedoch, dass das Projekt Neubau Staatsoper hinter verschlossenen Türen entwickelt wurde und so vor Vertragsunterzeichnung keine fachliche Expertise eingeholt, keine Information der Öffentlichkeit erfolgte und keine öffentliche Diskussion der Ortswahl, der Planungen und des zugrunde liegenden Programms stattfand. Mehr Transparenz und Beteiligung wären der Bedeutung eines solchen Vorhabens angemessen.“ Dass Platzbecker, Kühne-Opern-Befürworter, vorschlug, dass die Architekten ihre Idden jetzt doch in den Prozess einbringen könnten, verschlug Architekt Gefroi die Sprache. „Das ist naiv“, antwortete er Platzbecker. Schließlich sei die offizielle „Auslobung“ des Projekts ja schon an fünf Architekturbüros gegangen. Einflussnahme nicht möglich und handwerklich auch nicht wünschenswert. Was nun Hamburg?

Wir, die HafenCity Zeitung, haben mal drei fachlich zuständige Bürgerschaftsabgeordnete, die später auch über die Kühne-Oper abstimmen müssen, acht gleichlautende Fragen zu Oper, Standort und HafenCity-Beteilgung gestellt (siehe Seite 13). Ihre Antworten von „Projekt kippen“ über „zu wenig Kommunikation“ bis zu „echter Gewinn“ lassen lebhafte Debatten im Parlament erwarten. 

Im Stadtteil veranstaltet am Mittwoch, 17. September, das Netzwerk HafenCity e. V. in der Campusschule im Lohsepark die „Einladung zum offenen Dialog: Kühne-Oper und Baakenhöft“ – mit Anwohner:innen und Bürgerschaftsabgeordneten auf dem Podium. Öffentliche Meinungsbildung bei so einem wichtigen Großprojekt ist gelebte Demokratie – zumal die Stimmung im Quartier eher Anti-Oper ist. Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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