Exklusiv-Gespräch. Ralf Neubauer, Bezirkschef von Hamburg-Mitte und seinen 19 Stadtteilen, über faule Kompromisse, soziale Infrastruktur und ehrliche Dialoge
Herr Neubauer, Sie sind seit einem Jahr Bezirkschef von Hamburg-Mitte. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus? Es war ein herausforderndes erstes Jahr, das mitten in der fünften Corona-Welle begann, dann schloss sich direkt das Thema des Kriegs in der Ukraine mit den hohen Flüchtlingszahlen an, dann kamen noch die Energie- und Gaskrise dazu. Diese Krisen haben auch das Bezirksamt in Atem gehalten, zum Beispiel bei der Unterbringung von Geflüchteten oder der Bewältigung der Pandemie. Für mich war es eine echte Herausforderung, in dieser Zeit das Haus mit seinen insgesamt 1.700 Mitarbeitern, dazu auch viele neue Themen und Akteure aus dem Bezirk kennenzulernen – häufig, ohne sich begegnen zu können. Mittlerweile bin ich nach meinem Eindruck aber gut angekommen und habe die Entscheidung auch noch keine Sekunde ernsthaft bereut.
Foto oben: Ralf Neubauer über seine wichtigste Aufgabe als Bezirkschef Mitte: „In der Prioritätenliste in Hamburg-Mitte steht unsere soziale Infrastruktur immer weit vorn. Wir leben in einem Bezirk, in dem es nicht allen Menschen wirtschaftlich gut geht, und das hat sich jetzt in 2022 auch noch einmal weiter verschärft.“ © Catrin-Anja Eichinger
Was waren die nachhaltig positivsten und negativsten Erlebnisse in 2022? Dass am 24. Februar Russland die Ukraine überfallen hat und wir seit fast einem Jahr wieder Krieg in Europa erleben, war sicherlich für uns alle eines der schwierigsten Ereignisse im vergangenen Jahr. Das beunruhigt mich auch heute noch. Weil erstens kein Ende des Kriegs abzusehen ist und wir zweitens nach der Pandemie und dem Ukraine-Krieg mit der hohen Inflation und den extrem steigenden Energie- und Gaskosten von einer Krise in die nächste rutschen. Richtige Freude hatte ich, als ich hier endlich durch das Haus in der Caffamacherreihe streifen durfte, um meine damals noch neuen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Das war am Anfang unter Corona-Bedingungen und viel Homeoffice-Arbeit nicht so einfach, aber inzwischen hat sich das ja entspannt, ich besuche nach und nach alle Dienststellen, und wir haben dieses Jahr zum ersten Mal auch wieder mit allen ein Weihnachtspunsch-Treffen im Innenhof des Bezirksamtes veranstaltet. Ein schöner Moment für alle in schwierigen Zeiten.
Die Bezirksversammlung, quasi Ihre Volksvertretung, die Sie auch gewählt hat, wird von einer rot-schwarz-gelben Bezirksregierung geführt. Kommt was voran, oder ist es ein Festival fauler Kompromisse? Nein, im Gegenteil. Da kommt gut was voran. Faule Kompromisse sind keine, gute Kompromisse sind erfolgreiche Politik. Dabei habe ich den Eindruck, dass die Koalitionsfraktionen schon sehr eng beieinander sind und bei vielen wichtigen Themen oftmals gar keine Kompromisse nötig waren. Und wir stimmen uns zwischen Bezirksverwaltung und Bezirkspolitik bei Beschlüssen eng ab, was dazu führt, dass die Dinge dann auch gut umgesetzt werden können.
Was war für Sie das wichtigste Vorhaben in Hamburg-Mitte? Aus meiner Sicht war ein wesentlicher Beschluss jetzt Anfang Dezember, als die Bezirkspolitik noch mal ganz klar einen Schwerpunkt im Bereich obdachloser Menschen gesetzt und Wohnungslosenhilfe zugesagt hat. Wir werden zusätzlich in der Neustadt ein Modellprojekt starten, um Menschen, die in besonders prekären Lebenslagen unterwegs sind, besser unterstützen zu können – auch um damit die Situation im öffentlichen Raum zu verbessern.
Was ist der Kern des Projektes? Wir haben ungefähr 20 bis 30 wohnungslose Menschen in der Neustadt, die sich dort vorrangig im öffentlichen Raum aufhalten und dabei durch Verhaltensweisen auffallen, die wir und die Anwohner:innen und Gewerbetreibenden teilweise wirklich nicht akzeptabel finden. Wir wollen hier aber nicht repressiv vorgehen, sondern uns ganz gezielt um sie kümmern, sie einzeln aufsuchen, um ihre Bedarfe festzustellen und zu schauen, wie man ihnen nachhaltig helfen kann. Das Thema ist bekanntlich nicht auf die Neustadt beschränkt und beschäftigt uns vor allem auch am Hauptbahnhof, in St. Georg und auf St. Pauli, aber auch in anderen Stadtteilen. Mein Eindruck ist: Wir müssen uns alle noch viel mehr anstrengen, um das erklärte Ziel der Europäischen Union zu erreichen, bis zum Jahr 2030 Obdachlosigkeit insgesamt zu überwinden. Das ist für mich eine wichtige soziale und gesellschaftspolitische Aufgabe, auch als Bezirk.
Freuen sich denn Obdachlose, wenn sie „an die Hand“ genommen werden? Das ist unterschiedlich. Es gibt auch obdachlose Menschen, die Vorbehalte gegenüber staatlichen Strukturen haben, weil sie möglicherweise schlechte Erfahrungen machen mussten. Da müssen wir dann besonders überzeugend sein.
Sie sind für sechs Jahre gewählt worden und haben noch fünf vor sich. Was wollen Sie schaffen? Die Aufgaben sind tatsächlich immer noch die gleichen wie am Anfang. In der Prioritätenliste in Hamburg-Mitte steht unsere soziale Infrastruktur immer weit vorn. Wir leben in einem Bezirk, in dem es nicht allen Menschen wirtschaftlich gut geht, und das hat sich jetzt in 2022 auch noch einmal weiter verschärft. Und da gucken wir natürlich hin, ob unsere Angebote passen, von Horn und Billstedt über Rothenburgsort, Wilhelmsburg und die Veddel bis nach Finkenwerder. Wir überprüfen, ob unsere Angebote in den Stadtteilen, etwa mit Häusern der Jugend und Seniorentreffs oder anderen sozialen Angeboten, noch die richtigen sind. Und wir legen besonderen Wert darauf, dass die Sport-Infrastrukturen passen und angepasst und wo nötig verbessert werden, auch mit dem Modellvorhaben „Mitte machen“, bei dem viel Geld in die soziale und sportliche In-frastruktur im Hamburger Osten investiert wird. Man muss dabei immer im Blick haben, dass man sich nur vornimmt, was wir im Bezirk Mitte auch personell schaffen können. Da habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit.
Apropos Sport: Da haben Sie jetzt aber Glück, dass der Vorsitzende des Sportvereins Störtebeker SV, Manfred „Jogi“ Jürgensen, hier nicht beim Gespräch dabei ist. Der findet, dass sich um den Sport in der HafenCity und den direkten Nachbarschaften von der Politik nicht wirklich gekümmert wird und die HafenCity zum Beispiel nach wie vor keine wettkampftaugliche Sportanlage hat. Dabei ist für Herrn Jürgensen „Sport die beste und erfolgreichste Sozialarbeit“, wie er immer betont. Warum stoßen Sie ehrenamtliche Sportaktive vor den Kopf? Das tun wir nicht. Sicher ist, gelinde gesagt, in den vergangenen Jahren der politische und stadtplanerische Prozess für eine wettkampftaugliche Sportstätte in bzw. für die HafenCity nicht optimal gelaufen.
Man hat es bei der Stadtplanung für den neuen jungen Familienstadtteil einfach vergessen. Das mag sein, bekanntlich war es auch nicht der Bezirk, der die HafenCity geplant hat. Da hilft jetzt aber nur noch der Blick nach vorn. Andreas Kleinau, der Chef der HafenCity Hamburg GmbH, und ich sind ja beide noch recht neu in unseren Ämtern und haben das Thema gleich im Frühjahr zur Chefsache erklärt. Es war schon seit einigen Jahren angedacht, für die HafenCity die Oskar-Keßler-Sportanlage am Berliner Tor zu modernisieren und zu ertüchtigen. Das gehen wir nun zügig an. Wir haben vereinbart, dass das Vorhaben durch die HafenCity Hamburg GmbH (HCH) finanziert und vom Bezirk umgesetzt werden soll. Diese Umsetzung erfolgt bezüglich des Sportplatzes mit Umbau von einem Tennenplatz zu Kunstrasen in den kommenden zwei Jahren, für ein neues Sportfunktionsgebäude müssen wir leider noch die Vorweggenehmigungsreife des neuen Bebauungsplans abwarten. Das ist zwar nicht in der HafenCity, aber erstens sind dort keine Wohnungen durch Lärmbelästigungen des Sports betroffen, und zweitens ist der Ort mit den ÖPNV-Verbindungen nahezu perfekt angeschlossen.
Wann wird der Baubeginn genau sein? Im Jahr 2024.
Warum so spät und nicht sofort, alle warten darauf? Weil unser Fachamt Bezirklicher Sportstättenbau im Bezirksamt Hamburg-Mitte für alle 104 Hamburger Stadtteile in den sieben Hamburger Bezirken zuständig ist und natürlich längst ein Arbeitsprogramm hat. Das heißt, wir schauen von heute, Anfang Januar 2023, auf das Jahr 2024, das ist aus unserer Sicht schon ziemlich schnell.
Warum? Weil die Maßnahmen für den Sportstättenbau für 2023 schon längst alle beschlossen und festgelegt sind, auch für die Jahre 2024 und 2025 gibt es ein Arbeitsprogramm. Da stand der Oskar-Keßlau-Platz bislang nicht drin. Wenn wir jetzt aber in 2023 planen, können wir auch in 2024 bauen. Schneller bekommen wir es faktisch nicht hin. Und ich finde, das ist angesichts der Tatsache, dass natürlich auch alle anderen Stadtteile für ihre Sportstätten Modernisierungen oder den Neubau von Anlagen einfordern, schon ein guter, ein großer Schritt.
Mit einem Augenzwinkern. Ich weiß, dass das Ergebnis und der Baustart nicht alle gleich zufrieden stellen, aber es war ein ganz schöner Kraftakt, das jetzt einmal so hinzukriegen. Wenn wir den normalen Weg gegangen wären, hätte sich das Vorhaben hinten einreihen müssen, und es wäre vielleicht 2025 geplant und 2026 gebaut worden. Jetzt planen wir 2023 und bauen 2024, das ist relativ schnell, und ich finde das gut.
VITA Ralf Neubauer leitet am 10. Januar 2023 seit einem Jahr das Bezirksamt Hamburg-Mitte. Der 40-Jährige wurde in Crailsheim in Baden-Württemberg geboren und wohnt auf Finkenwerder. Der von ihm geführte Bezirk Hamburg-Mitte hat stadtweit 1.700 Mitarbeiter und erwirtschaftet unter anderem mit seinen Industrieunternehmen den größten Bruttoumsatz pro Jahr aller Bezirke und ist so eine tragende Finanzsäule des Stadtstaats.
Der Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht war bereits von 2008 bis 2014 Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Seit 2017 war Ralf Neubauer Vorsitzender des Regionalausschusses Finkenwerder. Von Februar 2020 bis zu seiner Ernennung zum neuen Bezirksamtsleiter war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und engagierte sich dort in den Ausschüssen Gesundheit und Verkehr sowie Verfassung und Bezirke. Ralf Neubauer ist verheiratet mit Nadine Neubauer (41) und lebt mit ihr, dem gemeinsamen Sohn (4) und einem weiteren Sohn (18) aus einer früheren Beziehung seiner Frau in Finkenwerder.
Welche wichtigen Projekte wollen Sie in den kommenden Monaten für die HafenCity mit auf den Weg bringen? Aus meiner Sicht, aus der Sicht des Bezirks Mitte, gibt es mehrere Big Points. Für eine funktionierende Infrastruktur des Stadtteils und als neue Attraktion mittelbar auch für die Innenstadt ist sicher die Vollendung des Westfield Hamburg-Überseequartiers und die geplante Eröffnung im Frühjahr 2024 das Groß-ereignis im Quartier – auch wenn sich viele Einzelhändler in der Innenstadt große Sorgen machen. Es wird für die gesamte Innenstadt mit Alt- und Neustadt sowie der HafenCity neue Akzente setzen und hoffentlich angenommen werden. Dann haben in Mitte alle etwas davon. In einer anderen Liga, aber für die alltägliche Lebensqualität der Anwohner:innen und der dort Arbeitenden im Stadtteil sind die neuen Gemeinschaftshäuser im Baakenpark und im Grasbrookpark sowie die in einem Beteiligungsformat erarbeiteten neuen Maßnahmen für mehr Grün und mehr Biodiversität in der HafenCity sehr wichtig. Wir wollen das Thema biologische Vielfalt gerne mit vorantreiben.
In der Vergangenheit hat der Bezirk eher gebremst, wenn er Grünflächen und Plätze unterhalten sollte. Der Bezirk hat nicht gebremst, sondern wir sagen nur immer auch frühzeitig, dass wir nur verantwortlich unterhalten und pflegen können, was wir auch finanziert bekommen. Was nicht funktionieren wird: dass wir als Bezirk dann in ein paar Jahren Grünanlagen oder öffentliche Flächen übernehmen, für die wir keine Unterhaltungsmittel haben, weil der Standard höher ist als anderswo, nicht aber die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
Machen Sie sich einen schlanken grünen Fuß? Nein. Ich kann verstehen, dass manche immer noch finden, dass die HafenCity nicht grün genug sei. Aber bei allem, was man da jetzt an biodiversen Maßnahmen auch schon im kommenden Jahr plant, muss man wirklich darauf achten, dass es hinterher auch vom Bezirk unterhalten werden kann. Sonst macht das in ein paar Jahren keinen Spaß. Und wenn bestimmte Dinge für die HafenCity gewollt sind, für die wir – auch im Gerechtigkeitssinn aller 19 Mitte-Stadtteile – einfach keinen Etat haben, dann können Senat und Bürgerschaft das gerne beschließen, aber sie müssen es dann auch fortgesetzt finanzieren wollen. Also: Der Bezirk macht sich keinen schlanken Fuß, sondern steht zu seiner Verantwortung.
Ist dann Bürgerbeteiligung wie jetzt bei dem Dialogformat »Mehr Grün in der HafenCity« nur ein Feigenblatt? Bürgerbeteiligung kann nur erfolgreich sein und lebendig gelebt werden, wenn wir nicht vorher etwas versprechen, was wir hinterher nicht halten können. Deswegen dränge ich auch beim Thema biologische Diversität in der Hafen-City darauf, dass wir nur Dinge miteinander entwickeln und zusagen, die hinterher auch dauerhaft umgesetzt werden können und die wir unterhalten bekommen. Sonst, finde ich, geht Bürgerbeteiligung nach hinten los.
Der Westen, die sogenannte alte HafenCity, das Quartier zwischen Elbphilharmonie, Am Sandtorkai und Am Sandtorpark, hat der Bezirk schon übernommen. Die Bewohner:innen sind total unzufrieden, seit die HCH nicht mehr zuständig ist. Die öffentlichen Flächen wie zum Beispiel der Vasco-da-Gama-Platz vermoosen vor sich hin, Unkraut wuchert, und – vor allem an den Hafenpromenaden – Papierkörbe quillen über und werden nicht geleert. „Der Bezirk tut nix“ ist das geflügelte Wort in der HafenCity-West. Was tun Sie gegen das Image? Das werde ich mir gerne mit den Anwohner:innen bei einem Ortstermin im ersten Quartal 2023 einmal anschauen und mir ein eigenes Bild machen. Der eigene Eindruck ist ja meistens durch nichts zu ersetzen. Nicht für alle Themen ist der Bezirk zuständig, die Entsorgung von Müll ist beispielsweise Aufgabe der Stadtreinigung. Man nimmt uns zwar in Haftung, Stichwort: Image, aber wir haben das nicht als Aufgabe für den Bezirk. Das ist das Schicksal eines Bezirksamtsleiters in der öffentlichen Wahrnehmung und quält mich auch nicht, aber Verantwortlichkeiten klarzustellen gehört auch zum Job. Nun weiß ich aus anderen Stadtteilen, dass die Beschwerde-App der Stadtreinigung wunderbar funktioniert. Vielleicht sollten wir die gezielt für die HafenCity mal kommunizieren. Die Kolleginnen und Kollegen sind eigentlich sehr fix, und das sollte in ein bis zwei Tagen nach Meldung beseitigt sein. Wie gesagt, bin ich immer dankbar für Hinweise und komme auch gerne zu einem Ortstermin.
Eine weitere Klage von Anwohner:innen kann ich Ihnen nicht ersparen. In diesem langen heißen Sommer sind zum Beispiel die begrünten Mittelstreifen von Straßen und Straßenbäume zum Teil vertrocknet, unter anderem am Großen Grasbrook. Im Lohsepark, zuständig ist die HCH, wird gesprengt und gewässert, in der HafenCity-West nicht. Warum? Der Bezirk wässert grundsätzlich nur, wenn neu gepflanzt wurde, danach wird nicht mehr gewässert. Das machen wir mangels Ressourcen im gesamten Bezirk Hamburg-Mitte nicht. Wobei der sehr heiße Sommer uns schon vor die Frage gestellt hat, ob das in Zeiten des Klimawandels nicht anders werden muss.
Was hat die HCH, was der Bezirk nicht hat? Erstens den Auftrag und zweitens das Geld. Das ist das, was ich nicht nur Ihnen und anderen und hier auch gerne Ihren Leser:innen sage und vorhin schon beim Thema mehr Grün gesagt habe: Wir sind nicht gerne die Spielverderber, aber für höhere Standards braucht man auch mehr Geld. Lassen Sie mich das deutlich sagen: Ich finde es wenig klug, etwas für einen Stadtteil zu planen und zu entwickeln, was man zunächst aus dem Sondervermögen Stadt und Hafen finanziert, und wenn es dann in den regulären städtischen Unterhalt durch den Bezirk geht und von uns übernommen wird, kann man es nicht mehr unterhalten.
Das hat eine Logik, aber für die, die dort leben, ist das natürlich zynisch. Ich bin nicht zynisch, aber ich kann schlicht nur das Geld ausgeben, das ich habe. Ich senke nicht den Standard in der Grünunterhaltung in Billstedt ab, damit es in der HafenCity einen höheren geben kann. Übrigens beschäftigt sich der Senat mit dem sogenannten Erhaltungsmanagement Grün sehr intensiv mit der Frage, wie viel Geld in der Grünunterhaltung tatsächlich dauerhaft benötigt wird. Ein Ergebnis steht fest: Es wird mehr Geld brauchen.
Wie wollen Sie dem Wildwuchs mit den E-Scootern, die überall abgestellt werden und auf Fußwegen herumliegen, begegnen? Das sind doch öffentliche Flächen! Wir haben aktuell leider keine Möglichkeit als Stadt Hamburg, den Anbietern von -E-Scootern vorzuschreiben, dass sie feste Abstellflächen festlegen müssen. Das würden wir gerne, dürfen es aber nicht, weil das der Bund regeln muss. Deswegen hat die Bürgerschaft auch eine Bundesratsinitiative gestartet, die das Bundesrecht entsprechend ändern soll. Die Hamburger Gerichte ordnen das Abstellen von Scootern als sogenannten Gemeingebrauch ein. Und der ist nicht genehmigungspflichtig.
Was ist „Gemeingebrauch“? Der juristische Begriff Gemeingebrauch besagt, dass Sie auf einer öffentlichen Fläche etwas ohne Genehmigung machen dürfen. Das ist ein gemeiner, ein allgemeiner Gebrauch durch die Öffentlichkeit. Dazu gehört zum Beispiel auch das Betteln, solange es nicht aggressiv und belästigend ist. Wir haben ja inzwischen mit den Anbietern eine freiwillige Vereinbarung abgeschlossen, dass sie selbst entsprechende Abstellflächen festlegen. Das ist im digitalen Zeitalter grundsätzlich auch ganz einfach, indem der Anbieter Abstellzonen definiert und bei Verstößen der Kunde weiterzahlen muss. Doch wir sind hier auf die Kooperation der Anbieter angewiesen und können das nicht erzwingen, weil wir jedenfalls derzeit noch keine rechtliche Handhabe haben.
Im Sommer wird wohl das erste Gemeinschaftshaus im Baakenpark eröffnet, was Sie unterstützen. Warum? Weil ich glaube, dass man auch in der HafenCity Treffpunkte für die Nachbarschaften braucht. Es gibt Umfragen, die belegen, dass in Großstädten der Wunsch nach Begegnung in den Quartieren deutlich zunimmt. In der Studie eines Projektentwicklers in der HafenCity führte das zur Schlagzeile „Mehr Dorf in der Stadt“. Das finde ich, auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten, enorm wichtig und richtig.
Dadurch, dass Gruner + Jahr seinen Hauptsitz im nördlichen Lohsepark nicht mehr baut, ist dort die Möglichkeit entstanden, eine große neue Grünfläche auf den Baufeldern 74–76 zu entwickeln. Jetzt wurde bekannt, dass dort die städtische Hafengesellschaft HPA ihren neuen Firmensitz bauen will. Wie stehen Sie dazu? Die Überlegungen scheinen mir noch am Anfang zu stehen. Vielleicht bekommt man auf dem Areal ja auch beides hin, also auch mehr Grün für die HafenCity.
Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis und hat Sie in dieses Amt gebracht, Ihre Hartnäckigkeit, gute Kompromisse zu zimmern? Richtig ist wahrscheinlich, dass ich es mag, unterschiedlichste Interessen zusammenzuführen, die auf den ersten Blick vollkommen gegensätzlich erscheinen. Für ein Gemeinwesen ist das eine wichtige und auch schöne Aufgabe.
Gegenüber der HafenCity entsteht der neue Stadtteil Grasbrook. Für die weiterführende Schule im Lohsepark, aber auch für eine direkte Nachbarschaftsverbindung ist dort immer eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Elbe geplant gewesen. Die hat der Finanzsenator Andreas Dressel auch aus finanziellen Gründen in die Wiedervorlage geschoben. Da bleiben manche Projekte ewig. Wie finden Sie das? Die Brücke ist die zwingende Voraussetzung dafür, dass die nachbarschaftliche Entwicklung in diesem Bereich gut gelingt. Und das ist aus meiner Sicht auch nicht verhandelbar.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe