Skip to content
HafenCity-Fest I: Interview mit Marianne Wellershoff

»10 Fragen an …« Marianne Wellershoff, 1. Vorsitzende des Netzwerks HafenCity e. V. und Musikerin bei Hansagold, über das 5. Nachbarschaftsfest, ihr Klimaengagement und das Quartier HafenCity

1
Frau Wellershoff, Sie leben mit Ihrer Familie in der HafenCity und engagieren sich ehrenamtlich im Netzwerk HafenCity e. V. (NWHC). Was bedeutet Ihnen als Anwohnerin wie auch als NWHC-Mitglied das große Nachbarschaftsfest der HafenCity 2025 im Lohsepark? Hier treffe ich Freunde, Nachbarn, lerne neue Menschen kennen und sehe die große Vielfalt des Quartiers – von der Schulband bis zum Bierbrauer. Es gibt ja leider hartnäckige Vorurteile gegenüber der HafenCity, zum Beispiel, dass es kein Quartiersleben gebe oder hier nur die Reichen wohnen. Das Fest widerlegt das. Die vielen Aktivitäten für Kinder zeigen, dass es ein Stadtteil für Familien ist. Es gibt Stände von Engagierten, die sich mit Stadtnatur beschäftigen, beim Bühnenprogramm treten Chöre und Bands von Jazz bis Rock auf. Vor allem aber ist es ein Fest von Nachbarn für Nachbarn – schon das macht klar, dass hier Menschen leben, die ein lebendiges Quartier gestalten. 
Foto oben: Marianne Wellershoff: „Das wichtigste Thema für die HafenCity in den kommenden fünf Jahre ist das Baakenhöft. Es ist die letzte Möglichkeit, einen weiteren Park entstehen zu lassen, den das Quartier dringend braucht.“ © Juno Wellershoff

2
Was hat sich seit der Premiere des Festes 2020 in der Coronazeit, außer das von anfänglich mehreren 100 Besuchern zuletzt über 1.000 Gäste da waren, für Sie bis heute verändert? Ich denke, unser Nachbarschaftsfest ist zum festen Bestandteil des Sommers in der HafenCity geworden. Die ersten Anfänge waren kleine Kinderfeste der Graswurzelinitiative Freunde des Lohseparks, die ich 2016 mit anderen Nachbarn gegründet hatte und die heute Teil der AG Grün des Netzwerks HafenCity ist. Inzwischen kommen nicht nur viel mehr Gäste, sondern es tragen auch viel mehr Menschen, Initiativen, Vereine mit Aktivitäten zu unserem Nachbarschaftsfest bei. Wir selbst können bei der Organisation inzwischen auf viele Erfahrungen zurückgreifen, das erleichtert einiges – aber weil das Fest gleichzeitig wächst, bleibt der Aufwand trotzdem immens. Man darf nicht vergessen: Alle im Netzwerk HafenCity arbeiten ehrenamtlich, also in ihrer Freizeit.  

3
Was können Feste für einen Stadtteil leisten, was andere Begegnungsformen oder Hausgemeinschaften und Nachbarschaften offenbar nicht können? Zum einen ist es die organisierte Zufälligkeit von Begegnungen. Es ist klar, dass man hier viele Menschen treffen wird, die man kennt, gute Freunde, lockere Bekannte und Menschen, mit denen man mal beim Sport oder bei der letzten Demo einige Worte gewechselt hat. Die fröhliche, offene Atmosphäre macht es dann leicht, ins Gespräch zu kommen. Zum anderen zeigen viele, was sie können und lieben, zum Beispiel in einer Band spielen – es läuft ja keiner mit der Gitarre um den Hals durch den Edeka. Das ist auch ein Anknüpfungspunkt für Gespräche: „Ach, du machst Musik? Wusste ich gar nicht.“ 

4
Die HafenCity setzt sich aus verschiedenen Quartieren zusammen: die Gegend rund um den Kaiserkai und Dalmannkai, das Zentrum mit dem Überseeboulevard, der Ostteil mit Hongkongstraße, Shanghaiallee und Lohsepark sowie dem Baakenhafen und nun auch das neue südliche Überseequartier. Sie sind 1. Vorsitzende des NWHC und kennen den Stadtteil. Was verbindet oder trennt die Quartiere? Es gibt beides. Die HafenCity wächst gefühlt in Abschnitten, und dann gibt es das Wasser, das etwas Trennendes hat, den Magdeburger Hafen und den Baakenhafen. Viele, die vor 20 Jahren in den Kaiserkai gezogen sind, definieren sich immer noch als Pioniere. Neu Zugezogene im Baakenhafen werden eher den Eindruck haben, sie erweitern etwas schon Bestehendes. 

Die großen Themen des Quartiers aber verbinden alle: Die mehrspurigen Straßen mit den Automassen sind eine Bedrohung für Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität. Der Anteil an Grünflächen in der HafenCity ist für Hamburg weit unterdurchschnittlich, was parallel zur wachsenden Bewohner:innen-Zahl zunehmend dramatisch ist. Bei großen Entscheidungen wie der, das Baakenhöft der Kühne-Oper zur Verfügung zu stellen statt dem Quartier, werden die Menschen aus der HafenCity übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. 

5
Das Netzwerk HafenCity e. V. besteht aus Menschen und Familien aus dem Stadtteil sowie Gewerbetreibenden, die in der IGH im Netzwerk organisiert sind. Engagieren sich Menschen anders als Unternehmen? Die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, ist bei Menschen wie bei Unternehmen individuell sehr unterschiedlich. Ich bin auch im Vorstand des gemeinnützigen Vereins Spielhaus HafenCity, der seit Jahren die Bolzplätze in der HafenCity baut und betreibt. Das ist nur möglich, weil es großzügige private Spender und großzügige Unternehmen gibt, die auch jetzt wieder den Neubau der Bolzplätze im Oberhafen finanziert haben, und viele Nachbarn, die in ihrer Freizeit den alten Kunstrasen mit Teppichmessern klein geschnitten und entsorgt haben.  

6
Sie machen in verschiedenen Netzwerk-AGs mit und sind Sprecherin der AG Grün. Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Stadtteilthema für die kommenden fünf Jahre? Das Baakenhöft. Es ist die letzte Möglichkeit, einen weiteren Park entstehen zu lassen, den das Quartier dringend braucht. Erstens, weil die HafenCity das heißeste Wohnquartier Hamburgs ist, wie eine BUKEA-Studie gezeigt hat, und nur durch mehr Grünflächen abgekühlt werden kann. Und zweitens, weil es sehr viele Orte in der HafenCity gibt, an denen man sich nur begegnen kann, wenn man dort auch konsumiert – und sehr wenige, an denen man zusammensein oder aktiv sein kann, ohne Geld auszugeben. Ein Park ist die demokratischste Aufenthaltsmöglichkeit: Hier auf einer Parkbank zu sitzen, Badminton zu spielen oder auf einer Decke zu liegen, kann sich jeder leisten. Im Gegensatz zu einem Opernticket.  

7
Das Nachbarschaftsfest hat wieder ein umfangreiches Live-Bühnenprogramm mit Bands aus dem Stadtteil. Sie selbst sind Bassistin in der Band Hansagold, die eher softe Rockballaden mit dem Gesangsduo Philip und Silja spielen. Warum spielen Frauen so oft Bass? Ist das die Tiefe des Sounds gegen die Oberflächlichkeit des Alltags?Nun ja, ich empfinde meinen Alltag überhaupt nicht als oberflächlich. Ich habe angefangen, Bass zu spielen, als ich vor vielen Jahren mit Freunden eine Band gegründet habe. Vorbedingung war, ein neues Instrument zu lernen, damit wir auch auf gleichem Niveau starteten. Da dachte ich, dass die vier Saiten des Basses übersichtlicher sind als die sechs Seiten der Gitarre.

8
Sie leben mit Ihrem Mann Martin und den zwei Töchtern am Lohsepark. Was zeichnet für Sie die HafenCity aus? Warum leben Sie nach neun Jahren immer noch in diesem Quartier? Nicht langweilig? Seit unsere Töchter 2009 in die Krippe der Kita St. Katharinen kamen, fühle ich mich mit der HafenCity verbunden. 2010 sind wir in eine Baugemeinschaft eingestiegen, da war dort, wo jetzt unser Haus steht, nur ein großes, sandiges Loch. Inzwischen sind wir Teil eines sehr lebendigen Wohnprojekts, haben auch über Kita und Grundschule viele Freunde gefunden, und ich finde es spannend und bereichernd, mich für das wachsende Quartier zu engagieren, selbst wenn das oft mühsam ist. Langweilig ist hier gar nichts.  

9
Wann ist für Sie das Nachbarschaftsfest 2025 ein Erfolg? Wenn alle, die mitgemacht haben oder als Gäste gekommen sind, einen schönen Tag hatten und nächstes Jahr wieder dabei sein wollen.  

10
Was muss passieren, dass Sie hier wegziehen? Wenn die HafenCity durch den Klimawandel überschwemmt ist und nicht mehr bewohnbar sein sollte. Bis dahin würde ich gerne bleiben. Fragen: Wolfgang Timpe

________________________________________________________________
Marianne Wellershoff, 62, ist Journalistin, 1. Vorsitzende des Netzwerks HafenCity e. V. und lebt seit 2016 mit ihrem Mann Martin und ihren beiden Töchern am Lohsepark.

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen

»Was für ein Hundeleben!«

Tierreport. Egal, ob süßer Corgi oder majestätischer Australian Shepherd, ob Yorkshireterrier oder Labrador-Mix, ob Bolonka Zwetna