Essay. Dirk Hünerbein, Director Development Austria & Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield, prüft, was Hamburg zukunftsfähig macht – als Architekt, Projektentwickler, Vater und als Hamburger
Du bist toll und Du kannst noch so viel mehr!“, das rufe ich Dir, mein Hamburg, zu. Klar, wir können sagen, Hamburg ist die schönste Stadt der Welt und einige internationale Rankings geben uns dabei recht. Doch eine solche Aussage birgt die große Gefahr der Saturiertheit. In unserem Wohlgefallen könnten wir aufhören, uns weiterzuentwickeln.
Foto oben: Hünerbein: „Ich habe drei Töchter und wünsche mir für die Zukunft unserer Kinder eine lebenswerte Welt, die am besten besser wird, als die, in der wir aufgewachsen sind.“ © Thomas Hampel | Elbe&Flut
Doch ist die Betrachtung der schönsten Stadt der Welt sowohl subjektiv als auch immer nur eine Momentaufnahme, eher sogar eine Vergangenheitsbetrachtung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Städtevergleichs kann die tatsächliche Wahrnehmung der Menschen schon eine andere sein. Und bei Vergleichen werden nur ganz bestimmte Kriterien bewertet, die unter Umständen für ein Hamburg der Zukunft gar nicht von Bedeutung sind. Die aktuelle Situation mit einer Pandemie, dramatischer Klimaveränderung und einem gewaltigen gesellschaftlichen Wandel erfordert Fähigkeiten und Eigenschaften, die Hamburg in großem Maße hat und die bisher zu häufig hinter bunten Containern, Kaffeesäcken und glänzenden Gebäuden verborgen waren: großes Know-how, stabile Werte, ein eiserner Wille und Resilienz. Diese Potenziale müssen wir jetzt gemeinsam ganz ohne hanseatische Bescheidenheit stärken, transformieren und revolutionieren.
Ich habe drei Töchter und wünsche mir, wie sicher die meisten von uns, für die Zukunft unserer Kinder eine lebenswerte Welt, die am besten besser wird, als die, in der wir aufgewachsen sind. Im Moment sind die Zweifel groß, ob das zu erreichen ist. Unsere Kinder gehen freitags auf die Straße und fordern nicht mehr und nicht weniger von uns, den Entscheider:innen und Macher:innen, als für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage zu sorgen und die Erde vor der weiteren Zerstörung durch Menschenhand zu schützen. Ihre Demonstrationen sind das Zeichen dafür, wie sehr wir gemeinschaftlich womöglich den Antrieb verloren haben, in unserer Zufriedenheit die Dinge, die wir tun, zu hinterfragen.
Der Satz ,Hamburg ist die schönste Stadt der Welt‘ birgt die große Gefahr der Saturiertheit. In unserem Wohlgefallen könnten wir aufhören, uns weiterzuentwickeln.“
Dirk Hünerbein
Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass wir schlicht vergessen haben, an ihre Zukunft zu denken, dass wir das Potenzial neuer Strategien und Technologien zwar für das Wachstum unseres momentanen Wohlstands genutzt haben, jedoch nicht ausreichend für den langfristigen Schutz der Erde ausgeschöpft haben. Dabei gibt es in Hamburg – und überall auf der Welt – gute Ideen, Start-ups mit Lösungsansätzen und neuen Technologien. Wir haben mit unserer Erfahrung und den digitalen Möglichkeiten alles in der Hand, um das Gemeinwohl grenzüberschreitend zu organisieren und den Gemeinwillen global zu moderieren. Unser Mut, unser Unternehmer- und Unternehmensgeist brauchen nur ein wenig Training, um die eingefahrenen Wege verlassen zu können.
Es ist kein Zufall, dass sich Unibail-Rodamco-Westfield (URW) als international agierendes Unternehmen neben New York, Los Angeles, Paris und London ausgerechnet Hamburg für eine Projektentwicklung dieser Größenordnung ausgesucht hat. URW hat in Hamburg mehr gesehen als die schöne Stadt an der Elbe, nämlich einen Zukunftsort mit Dynamik, einen Vibrating-Place, einen pulsierenden, vibrierenden Ort. Es wurde das Hamburg gesehen, welches wir Hanseaten mit unserem Understatement zu oft nicht wahrnehmen und welches wir heute so dringend brauchen.
Mit der HafenCity haben die Visionär:innen unserer Stadt ein städtebauliches Mega-Projekt auf den Weg gebracht, was seinesgleichen auf der Welt sucht. Die Macher:innen haben schon früh erkannt, dass das Geschäftsmodell des Stückgutes im Hafen ein Auslaufmodell ist. Sie haben erkannt, dass man dieses Stück Konversionsfläche zu einem wertschöpfenden Teil der Stadt und zu einer neu definierten Innenstadterweiterung gemacht werden muss. Sie haben groß gedacht, sie haben die wachsende Stadt vor ihrem geistigen Auge gesehen.
Es ist meine tiefste Überzeugung, dass nur Innenstädte mit einer bunten Mischung von individuellen Quartieren mit unterschiedlichsten Nutzungen und vielfältigen Bewohner:innen sowie Besucher:innen auch in Zukunft nachhaltig und lebendig sein können.
Es ist meine tiefste Überzeugung, dass nur Innenstädte mit einer bunten Mischung von individuellen Quartieren mit unterschiedlichsten Nutzungen und vielfältigen Bewohner:innen sowie Besucher:innen auch in Zukunft nachhaltig und lebendig sein können.“
Dirk Hünerbein
Was kann, was muss Hamburg tun, um erfolgreich ins Jahr 2025 zu gehen und dabei auch das Fundament für die nächsten Jahrzehnte zu legen? Hamburg entsteht überhaupt erst durch die Menschen, die in der Stadt leben – Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Industrie, Forschung, Bildung und Sozialwesen, Medien oder Kultur. Ob jung oder alt: Für alle gilt, dass wir etwas tun müssen.
„Es ist meine tiefste Überzeugung, dass nur Innenstädte mit einer bunten Mischung von individuellen Quartieren mit unterschiedlichsten Nutzungen und vielfältigen Bewohner:innen sowie Besucher:innen auch in Zukunft nachhaltig und lebendig sein können.“
Wir dürfen nicht aufhören zu lernen, wir müssen selbstkritisch sein, wir müssen uns ständig verändern und anpassen, wir müssen vor allem miteinander reden. Lasst uns die Herausforderungen, vor denen wir stehen, gemeinsam angehen. Lasst uns die Chancen nutzen, die sich immer wieder anbieten. Lasst uns gemeinsam Lösungen entwickeln, die für alle einen Nutzen bringen. Lasst uns ein Hamburg schaffen, auf das wir vor unseren Kindern stolz sein können. Dirk Hünerbein