Vorschau. Hollywood-Star Hans Zimmer hat unter anderem für „König der Löwen“ die Musik geschrieben. Am 28. Mai tritt der Komponist live in der Barclays Arena auf
Das Soho House in London liegt in einer kleinen Sackgasse in der Nähe der Oxford Street. Wenn man die Eingangshalle betritt, spürt man nichts mehr vom hektischen Treiben auf der beliebten Einkaufsstraße. Hier ist alles ruhig und gediegen. Mit dem Fahrstuhl geht es ein paar Stockwerke höher, ein verwinkelter Flur führt zu einem großen Raum mit einer Sitzecke nahe dem Fenster. Hans Zimmer, ein kräftiger Mann mit einem festen Händedruck, nimmt auf dem Sofa Platz. Obwohl der Filmkomponist 1957 in Frankfurt am Main geboren wurde und den Großteil seiner Kindheit in Kronberg im Taunus verbrachte, ist ihm seine Muttersprache gar nicht mehr so vertraut. „Ich spreche Kinderdeutsch“, sagt er im Interview. Kein Wunder: Mit zwölf kam er auf ein Internat in der Schweiz, sein Abitur machte er schließlich in England – nachdem er achtmal von der Schule geflogen war.
Foto oben: Komponist Hans Zimmer: „Manchmal erkenne ich meine eigenen Stücke gar nicht mehr wieder.“ © Frank Embacher
„In England war die deutsche Sprache nicht unbedingt populär“, erinnert er sich. „Darum habe ich sehr schnell auf Englisch umgeschaltet.“ Davon profitiert der Sohn eines Chemieunternehmers heute, weil er zwischen London und Los Angeles pendelt. Mit Remote Control Productions hat er sich 1989 im Stadtteil Santa Monica ein eigenes Imperium erschaffen. Mit einem Studio, nein, besser: einer Klangfabrik, mit zahlreichen Mitarbeitern. Dort geht es zu wie in einem Bienenstock, wenn an einem Soundtrack gearbeitet wird. Mehr als 100 Filme hat Hans Zimmer inzwischen mit Musik unterlegt. Für „Dune“ bekam er 2022 seinen zweiten Oscar, den ersten heimste er 1995 für „König der Löwen“ ein, neben einem Grammy. „Dieser Animationsfilm hat mir viel bedeutet, weil es um den Tod eines Vaters ging“, erzählt der 65-Jährige. „Auch ich habe meinen Vater verloren. Er starb, als ich sehr jung war.“
Heute hat Hans Zimmer, dessen beide Ehen nicht gehalten haben, selber Kinder: zwei Töchter und zwei Söhne. Max, der jüngere Sohn, hat seinen Vater während seiner letzten Tournee begleitet, um eine Dokumentation zu drehen. Ein Ausschnitt daraus, aus einer Show, wird einen Tag zuvor bei einer Pressekonferenz gezeigt. Man ist erstaunt, wie kraftvoll der Sound live ist. Das Publikum partizipiert an einem epischen Musikspektakel – mit einer 20-köpfigen Band, Sängern, dem Odessa Opera Orchestra und einem Chor. Dabei treffen klassische Arrangements auf elektronische Elemente oder Rock. Hans Zimmer hat seine Kompositionen neu abgemischt, damit sie auch auf der Bühne funktionieren. „Sie haben jetzt eine andere Energie“, analysiert er. „Manchmal erkenne ich meine eigenen Stücke gar nicht mehr wieder.“ Dabei beschäftigt er sich gerade sehr intensiv mit seinen Konzertmitschnitten, unterstützt vom Produzenten Stephen Lipson. Denn am 3. März soll sein Doppelalbum „Hans Zimmer live“ erscheinen.
Im Studio an seiner Musik zu tüfteln, das ist für den Künstler immer noch selbstverständlicher, als im Rampenlicht zu stehen. Er habe furchtbares Lampenfieber, gesteht er, nach wie vor: „Ich zittere, bin schlecht gelaunt und stelle dieselbe Frage 20-mal, ohne die Antwort zu hören. Manchmal übergebe ich mich sogar.“ Darum war Hans Zimmer zunächst wenig begeistert, als seine Freunde, die Musiker Johnny Marr und Pharrell Williams, ihm predigten: „Hans, du kannst dich nicht länger hinter der Leinwand verstecken. Du musst etwas in Echtzeit machen.“ Dennoch ließ er sich überreden, Johnny Marr bei seinem Grammy-Auftritt an der Gitarre zu begleiten. „Nur ein Idiot hätte das abgelehnt“, witzelt er. Also trat er auf einer großen Bühne vor das Grammy-Publikum und merkte: „Ich kann das überleben.“
2016 machte er mit einem 70-köpfigen Orchester seine erste große Tournee durch Europa. Er interpretierte seine Musik, ohne irgendwelche Filmausschnitte einzublenden: „Ich wollte schauen, ob meine Stücke tatsächlich auf ihren eigenen zwei Beinen stehen konnten.“ Seiner Ansicht nach funktioniert das bei Komposition aus „The Dark Knight“, „Inception“ oder „Gladiator“ ausgesprochen gut: „Ich denke, die Leute realisieren überhaupt nicht, dass wir ihnen keine Filmszenen zeigen.“
Wenn Hans Zimmer solche Sachen erzählt, spürt man, wie sehr er für seine Arbeit brennt. Ein Workaholic, stellt er klar, sei er aber nicht: „Das klingt mir zu negativ. Musik hat für mich etwas Spielerisches. Ich spiele mit ihr wie ein Kind.“ Damit kann er einfach nicht aufhören: „Ich will nicht ins Bett gehen, sondern immer weiterspielen.“ Dagmar Leischow
INFO
Hans Zimmer tritt am Sonntag, 28. Mai, 20 Uhr, in der Barclays Arena auf. Weitere Informationen und Tickets unter www.semmel.de