»Ich erstarre und zerbrech’ wie Porzellan!«

Albumstart. Die Sängerin Balbina aus Berlin begeisterte ihre Fans im Großen Saal der ­Elbphilharmonie, und am 16. Mai erscheint ihr neues Album »Infinity Tunes«

Balbina liebt den opulenten Auftritt. Als sie sich im Großen Saal der Elbphilharmonie zu ihren vier Musikern und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg gesellt, trägt die Sängerin ein extravagantes creme-pink-farbenes Kleid mit Riesenschleife an der Schulter. Diese legt sie aber ziemlich schnell ab, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Sie tanzt, sie breitet ihre Arme aus und wirft dem Publikum Kusshände zu. Mal baumelt ihr Oberkörper wie bei einer schlaffen Puppe nach unten, mal kauert sie auf dem Boden. So viel Theatralik könnte bei anderen Musiker:innen überzogen wirken, zu Balbina passen diese großen Gesten jedoch. Weil sie eins nie war: durchschnittlich. Als Künstlerin ist sie stets ihren eigenen Weg gegangen. In den Medien wurde sie für ihren Hang zum Experimentellen abseits ausgetretener Pfade zuweilen als „deutsche Björk“ gepriesen.
Foto oben: Die Sängerin Balbina präsentiert ihr neues Album „Infinity Tunes“ als Magazin mit mehr als 200 Seiten und einem QR-Code: „Jedes Wort hat eine eigene Welt bekommen.“ © Bella Lieberberg

Auf jeden Fall brennt die gebürtige Warschauerin, die Mitte der 80er-Jahre mit ihren Eltern nach Berlin gezogen ist, für Musik. Deshalb stellt sich für sie die Frage, wohin die Reise der Musikindustrie nun geht. „Die Zeiten haben sich geändert“, resümiert sie. „Was tun wir, wenn es keine Tonträger mehr gibt?“ Die 41-Jährige entwickelte eine im buchstäblichen Sinne hübsche Idee. Statt einer CD oder Vinyl veröffentlicht sie am 16. Mai ein Magazin mit mehr als 200 Seiten und einem QR-Code zur Musik ihres Albums „Infinity Tunes“: „Jedes Wort hat eine eigene Welt bekommen.“

Balbina im Großen Saal der Elbphilharmonie. Immer wieder demonstriert Balbina eindrucksvoll, was ihre Stimme alles kann: mächtig oder zerbrechlich sein, entrückt klingen, sprechsingen. © Anna Wegelin

Wer in diese Welten eintaucht, entdeckt eigenwillige Poesie. Balbina fängt Empfindungen auf eine ganz besondere Art ein – ehrlich, direkt, fassbar. „Ich erstarre und zerbrech’ wie Porzellan“, bekennt Balbina in dem Lied „Im Mai“. Als sie es in der Elbphilharmonie, wo sie bereits zum dritten Mal gastiert, neben „Samtvorhangstille“ oder „Das Gefühl ist tot“ vorträgt, kristallisiert sich heraus: Ihre neuen Songs sind leiser und introspektiver geworden. Sie beleuchten ihre Kindheit ebenso wie die Endlichkeit des Seins. Besonders unter die Haut geht das Stück „Vatertag“. Es handelt vom Tod ihres Vater, der nach der Scheidung ihrer Eltern in Balbinas Leben offenkundig nicht mehr präsent war. Das bringt sie in diesen Zeilen auf den Punkt: „Der Tag, an dem mein Vater starb, war der Tag, an dem es plötzlich einen Vater gab. Und ich versuch zu weinen, doch es tut nicht weh genug.“

Natürlich stehen an diesem Abend nicht bloß „Infinity Tunes“-Nummern auf dem Programm, sondern auch Klassiker wie „Nichtstun“ oder „Seife“. Sie vermitteln, wie facettenreich Balbinas musikalischer Kosmos ist. Ob Oper, Hip-Hop, Pop oder Kunstlied: Alles fließt irgendwie ein und ummantelt den expressiven Gesang. Immer wieder demonstriert Balbina eindrucksvoll, was ihre Stimme alles kann: mächtig oder zerbrechlich sein, entrückt klingen, sprechsingen. Schade nur, dass einige Sätze im Sound verschwimmen. Die Fans sehen galant über dieses Manko hinweg und verabschieden die Berlinerin trotzdem mit Standing Ovations. 
Dagmar Leischow

Info Balbinas Album „Infinity Tunes“ erscheint am 16. Mai. Weitere Informationen unter www.balbina.fm

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