Exklusiv-Gespräch. Timo Herzberg, CEO des Projektentwicklers Signa Real Estate, der den Elbtower baut, über Eleganz, Städteplanung und: Glück
Ein Call dauerte etwas länger, Krisenbewältigung musste auf den Weg gebracht werden und ein Folgetermin abends in Stockholm wartete auch schon auf ihn: Timo Herzberg, CEO von Signa Real Estate, dem Bauherrn des Elbtowers. Der Projektentwickler und Manager mit einem Immobilien-Portfolio von 30 Milliarden Euro hat einen supereng getakteten Terminkalender – und trotzdem bringt ihn nichts aus der Ruhe: entspannte freundliche Begrüßung und ein charmantes Lächeln für die Fotografin ist auch noch drin. Lesen Sie mal, worauf sich „die Hamburger:innen freuen können“.
Foto oben: Der ikonische Schwung der Architektur des Elbtowers fasziniert Timo Herzberg, hier mit dem beleuchteten Modell in der Niederlassung von Signa Real Estate im Kaufmannshaus an der Bleichenbrücke: „Wir leben den Anspruch, hier das modernste Gebäude der Welt zu realisieren, und stellen auch höchste Anforderungen an die energetischen Voraussetzungen und Eigenschaften des Gebäudes. Der Elbtower wird im Betrieb CO₂-frei sein.“ © Catrin-Anja Eichinger
Herr Herzberg, Sie verleihen mit der Fertigstellung des Elbtowers am Stadteingang Elbbrücken der 1,8-Millionen-Metropole Hamburg ein neues Hochhaus-Image und dem jungen Stadtteil HafenCity einen städtebaulichen Abschluss im Osten. Wie fühlen Sie sich als privater Städtebauentwickler der Freien und Hansestadt Hamburg? Ich bin der Stadt Hamburg schon seit langer Zeit verbunden, denn ich mache seit über 20 Jahren Projektentwicklung in Hamburg, habe mal mit einer Einzelhandelsentwicklungen begonnen und dann immer mehr in der Innenstadt gemacht. Hamburg ist für mich gefühlt eine zweite Heimat. Die Stadt hat mich immer in besonderem Maße fasziniert und so war das natürlich für mich und für uns als Signa Real Estate mit einem besonderen Interesse verbunden, dass wir uns als Investoren an dem Wettbewerb um den Elbtower beteiligen konnten. Ich glaube jedoch nicht, dass der Elbtower die Einleitung einer Hochhaus-Perspektive für Hamburg bedeutet. Wir verbinden mit dem Elbtower den Abschluss oder den Beginn, je nachdem, wie Sie die Perspektive wählen, dieser fantastischen Entwicklung der Hafencity, die mich immer begeistert hat und deren Kuratierung und Nutzung ein Musterbeispiel dafür ist, wie man moderne europäische Stadt stadtplanerisch und städtebaulich aktuell denken kann. Die HafenCity bildet ein imposantestes Beispiel für Stadtentwicklung im europäischen Kontext. Und mit dem Elbtower verbindet die Stadt den Wunsch nach einer städtebaulichen Dominante in dem sonst doch eher horizontal geprägten Hamburger Stadtbild. Er wird eine Ausnahme bleiben und ein ganz besonderes neues Wahrzeichen werden.
Warum kann der Elbtower für Sie ein Wahrzeichen werden? Die Idee dieser städtebaulichen Skulptur, die David Chipperfield mit diesem Elbtower-Entwurf vorgeschlagen hat, ist auch an die Gestaltung der Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron angelehnt und hat zu seinem architektonischen Schwung geführt. Der Elbtower ist als städtebaulich markantes Gebäude an diesem speziellen Ort darauf angelegt, ein architektonisches Wahrzeichen für die Stadt zu schaffen. Einerseits erfüllt dies die aufwändige schwungvolle Fassade mit ihrer skulpturellen konkaven Gestaltung wie auch mit der Drehung des Turms, die mit zu seiner Eleganz beiträgt. Und zweitens zeichnet ein Wahrzeichen auch seine öffentliche Erreichbarkeit und Nutzung aus. Die öffentliche Aussichtsplattform in zirka 220 Meter Höhe im 55. Geschoss ist für alle da, für die Mieter, die Hamburger:innen und die Besucher:innen.
Das Aussichtsplateau hat die Bürgerschaft im Nachhinein initiiert. Ärgert sich ein Investor über die Politik, weil das Geld kostet und sich Pläne ändern? Wir befinden uns immer gerne in einem konstruktiven Austausch mit politischen Fraktionen. Außerdem war die Frage der öffentlichen Nutzung des Gebäudes, schon ein wesentlicher Bestandteil der Ausschreibung. Es ist auch erforderlich, dass Projekte in solch einer Maßstäblichkeit immer einen öffentlichen Mehrwert bringen sollten. Davon sind wir zutiefst überzeugt. Dass man solche Orte der Wichtigkeit für das Stadtbild nicht exklusiv, sondern immer offen und für möglichst viele erreichbar gestaltet. Deswegen war uns die Idee einer öffentlichen Nutzung des Hauses nie fremd. Und die sogenannten publikumsbezogenen Flächen machen mit rund 15.000 Quadratmeter ja über zehn Prozent der Nutzfläche des Elbtowers aus.
Haben Sie als CEO von Signa Real Estate schon ein Gefühl fürs Gebäude? Absolut. Das ist nichts Geringeres als eine kleine Sensation. Ich stand gestern schon im Haus auf der Baustelle in Etage acht und von dort haben sie schon einen fantastischen Blick über die Stadt. Und wenn Sie sich dann vorstellen, dass da noch einmal 50 Etagen draufkommen, also: Das wird für Hamburg wirklich einzigartig sein. Da können sich die Hamburger wirklich freuen.
Das Gebäude polarisiert, weil es ein Hochhaus ist. Seitdem der Elbtower aus dem Boden wächst, ist man positiv neugieriger, und es erklären mehr Menschen öffentlich, dass sie Fans des Projekts und auf das fertige Gebäude gespannt sind. Wie sehen Sie das? Für mich ist das erklärbar. Solche großmaßstäblichen Projekte bedeuten ja auch Veränderungen im Stadtbild, Veränderungen in der Wahrnehmung und im Selbstverständnis einer Stadt und natürlich somit auch die Einstellung der Bürger zu ihrer Stadt. Man muss sich mit Veränderungen arrangieren und das ist für die menschliche Psyche immer eine Herausforderung. Da macht es die Sache einfacher, dass man inzwischen den Elbtower aus dem Boden kommen sieht, nun schon sogar den Schwung des Baukörpers erkennen kann. Er wird einfach Realität. Das gilt für Investoren und Mieter gleichermaßen. Die Anzahl der Menschen, die uns ansprechen und sich für Flächen interessieren, wird zunehmend größer. Und das ist auch erklärbar. Je näher man an die Fertigstellung rückt, desto mehr Zustimmung gewinnt so ein Projekt. Ich bin mir sicher, dass der Elbtower die Hamburger begeistern wird, wenn das Bauwerk fertig ist.
VITA. Timo Herzberg ist Chief Executive Officer (CEO) der Signa Real Estate, die in Hamburg den 245 Meter hohen Elbtower von David Chipperfield Architects verantwortet. Der 47-Jährige hat in Berlin an der Freien Universität Betriebswirtschaft studiert, war dann ab 2008 acht Jahre lang Chief Operations Officer/COO) des Investors Signature Capital Limited und ist dann 2016 als COO zur Signa Prime Selection AG gewechselt und verantwortet heute als CEO die Signa Real Estate, die als Projektentwickler und als Immobilienmanagement-Unternehmen ein Portfolio von rund 30 Milliarden Euro betreut.
Der Signa-Hauptgesellschafter, der österreichische Investor René Benko, u. a. Inhaber der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, gilt in Hamburg als schillernde Businessfigur. Trotz Inflation, Baumaterialkosten-Steigerungen und Lieferkettenproblemen konntenman bislang alle Bauauflagen und Finanzierungen sowie Vermietungsbedingungen der Bürgerschaft und des Senats für den Elbtower erfüllen.
Der Bau des Hochhauses liegt im Zeitplan und ragt nun an der Stadteinfahrt Hamburgs schon 75 Meter aus dem Boden heraus. Die Fertigstellung ist für Ende 2025 geplant. Timo Herzberg ist verheiratet und hat eine 13-jährige Tochter und einen 18-jährigen Sohn und lebt in Berlin-Mitte.
Wie kommen Sie mit Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing klar, der kein Freund von Hochhäusern ist? Sehr gut. Herr Höing hat sich immer sehr konstruktiv in das Thema Elbtower eingebracht. Ich kenne ihn schon von der Zusammenarbeit während seiner Zeit in Köln. Er tut Hamburg und der Stadtentwicklung gut. Er ist für uns jederzeit ein konstruktiver und hochintelligenter Sparringspartner gewesen – unter anderem bei allen Fragen, die wir rund um die Gestaltung, die Kuratierung des Elbtowers mit der Verwaltung diskutiert haben. Herr Höing hat ganz maßgeblich die Gestaltung des Turms mit beeinflusst. Und ich glaube, auch der Rat, den er uns und den Architekten hinsichtlich der Proportionierung des Gebäudes gegeben hat, war im Nachhinein richtig. Der ursprüngliche Entwurf hat sich über die letzten Jahre seit dem Gewinn des Wettbewerbs ständig weiterentwickelt, und dazu hat Herr Höing einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Immer einvernehmlich? Natürlich war es uns nicht immer recht, dass er einiges anders als wir sah. Doch am Ende, so ehrlich bin ich, hat der Entwurf dadurch gewonnen und das Ergebnis ist besser geworden als der Wettbewerbsbeitrag seiner Zeit. Und insofern freue ich mich über die gute Zusammenarbeit mit ihm.
Der Elbtower wird technisch das modernste Gebäud Hamburgs für Sie. Warum? Wir leben den Anspruch, hier das modernste Gebäude der Welt zu realisieren und haben stellen wir auch höchste Anforderungen an die energetischen Voraussetzungen und Eigenschaften des Gebäudes. Der Elbtower wird im Betrieb CO₂-frei sein. Insbesondere Hochhäuser stehen oft in der Kritik, dass sie energetisch besonders ineffizient seien. Und wir werden hier in Hamburg ein positives Beispiel dafür errichten, dass auf der Welt seinesgleichen sucht. Wir werden ein im späteren Betrieb CO₂-neutrales Hochhaus von 245 Metern eröffnen. Und das ist nichts weniger als eine kleine Sensation.
Kein Greenwashing? Nein. Das Gebäude wird im Betrieb CO₂-neutral durch eine Kombination von energetischen Voraussetzungen. Wir nutzen eine Kombination aus CO₂-neutraler Fernwärme, Energiegewinnung mittels Abwasserwärmetauscher (Abwasser aus einem der größten Abwasserdüker der Stadt) und hocheffizienten Wärmepumpen, Energiepufferung mittels Speicherung in den drei großen Sprinklertanks und konsequente Präsenzsteuerung der Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung im Gebäude. Durch die Kombination dieser verschiedenen Module wird es uns gelingen, den Betrieb des Gebäudes CO₂-frei abzubilden. Für das Gebäude wird ausschließlich zertifizierter grüner Strom eingekauft, die Energie, die zum Heizen und Kühlen des Gebäudes notwendig ist, wird das Haus aus regenerativen Quellen gewinnen beziehungsweise aus Abwärme, die der HafenCity zur Verfügung steht. Und die Mieter werden aufgrund unseres sogenannten Win-win-Konzepts ausschließlich auch auf regenerative Energieformen wie auf fossilfreien Strom zurückgreifen. Der Elbtower wird sich, hinsichtlich dessen energetischer Effizienz, noch einmal ganz deutlich abheben vom Durchschnitt der Gebäude in der HafenCity. Und das ist natürlich auch für die Vermarktung des Gebäudes, für die Attraktivität seiner Nutzer von ganz besonderer Relevanz.
Zurzeit sind die bekanntesten Mieter großer Flächen die Hamburg Commercial Bank und die Nobu-Hotelgruppe, bei der der Hollywood-Schauspieler Robert de Niro Mitgesellschafter ist. Wie ist der Vermietungsstand? Im Moment liegen wir bei 50 Prozent und gehen für Ende 2023, zwei Jahre vor dem Fertigstellungstermin, von rund 70 Prozent aus.
Sind Sie ein übermächtiger Wettbewerber für andere Büroflächenanbieter in der HafenCity? Wir haben den Tower nie als verdrängenden Wettbewerb für den Büromarkt in Hamburg gesehen. Er bietet schlicht und ergreifend eine neue Dimension von Qualität für den Hamburger Büromarkt. Wir sind ergänzend zu sehen und das zeigt sich auch in der Ansiedlung der Unternehmen im Elbtower. Das sind natürlich Blue-Chip-Konzerne, die im Tower mieten und die wie die Nobu-Hotelgruppe ein internationales Hotelkonzept neu in Hamburg etablieren werden. Sie werden ihr erstes Hotel in Deutschland, in Hamburg eröffnen. Und auch in so einer Lage, die, glaube ich, für ein Fünf-Sterne-Lifestyle- Hotel den Hamburgern lange nicht möglich schien. Und genau hier, an diesem dynamischen Ort, der geprägt ist von dem Leben im Hafen und nicht so aalglatt, eher ruppig ist, entsteht der größte Anziehungspunkt für internationale Top-Unternehmen.
Gleichwohl ist der Büromarkt in der Krise. Natürlich wird sich der Büromarkt weiter konsolidieren. Wir nennen das „Flight to Quality“, wo sich natürlich viel Nachfrage weg von peripheren Lagen und energetisch schlechten Gebäuden hin zu zentralen gut angebundenen Lagen und energetisch sauberen und – wie in diesem Fall – CO₂-frei betriebenen Gebäuden hin entwickelt.
Was kostet der Elbtower? Wir werden rund 950 Millionen Euro in das Gebäude investieren. Das ist dann inklusive aller Baukosten, der Anschaffungskosten für das Grundstück, der Planungs- und Vermarktungskosten wie auch insbesondere der Finanzierungskosten für das Bauvorhaben.
Sehen Sie das Westfield Hamburg-Überseequartier als Wettbewerber um Mieter an? Für uns ist das neue Überseequartier ein wichtiger Meilenstein und Teil der Erfolgsstory der HafenCity. Wir begrüßen die Initiative in der Nachbarschaft zum Erfolg des ganzen Quartiers. Das sind Synergien, die für uns dort entstehen und kein Wettbewerb. Also je mehr vom Guten, desto besser natürlich auch für uns, um diese exponierte Lage HafenCity weiter herauszuarbeiten und den Erfolg der HafenCity zu unterstützen. Mich fasziniert die Dynamik des Quartiers in Kombination mit dem industriellen Hafenkomplex. Und überall die Kombination mit Wasser, was mich als Berliner Landmensch natürlich fasziniert.
Sie managen als CEO von Signa Real Estate ein Immobilienportfolio von 30 Milliarden Euro, und der Terminkalender diktiert das Leben. Wie halten Sie den Stress aus? Ich fühle mich nicht gestresst. Das passiert eher, wenn es einen großen Konflikt gibt aus dem, was man machen muss, mit dem, was man eigentlich machen möchte. Ich hingegen empfinde es als großes Glück, das machen zu dürfen, was ich täglich tue. Solange Begeisterung und Spaß bei der Sache sind, und der ist bei mir sehr ausgeprägt, schätze ich das Risiko, daran zu erschöpfen, als gering ein.
Was bedeutet Ihnen Glück? Der gute Erfolg für mich ist, die Interessen des Unternehmens weiterzuentwickeln. Die sind nicht größer, weiter, schneller, sondern Erfolg ist für mich einen maximalen Grad an Qualität zu erreichen. Damit meine ich nicht nur meine persönliche Leistung, sondern insbesondere auch die des Unternehmens. Das ist für mich dann gleichermaßen Glück. Ich empfinde es nicht als Konflikt, ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen zu führen und dabei auch sinnvolle gesellschaftliche Beiträge zu leisten. Das ist für mich eigentlich die Kombination aus Erfolg und auch Glück – im unternehmerischen Sinne.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe