Vorschau. Jane Birkin füllt am 24. März den Großen Saal der Elbphilharmonie mit ihrer Persönlichkeit
Jane Birkin ist in Hamburg nicht etwa in irgendeinem durchgestylten Designerhotel abgestiegen, sondern im alteingesessenen Vier Jahreszeiten an der Binnenalster. In einer Suite sitzt sie an einem langen Tisch. Noch immer hat die 76-Jährige einen Pony – so wie früher als junge Frau. Ihre Haare glättet sie allerdings nicht mehr, sanft gewellt fallen ihr einzelne Strähnen über die Schulter. Die gebürtige Engländerin, die seit Ende der Sechzigerjahre in Frankreich lebt, trägt einen dunklen Blazer über einem Pullover, sie ist kaum geschminkt. Obwohl sie schon ein paar Interviews gegeben hat und etwas erschöpft wirkt, ist ihr Redefluss kaum zu stoppen. Sie hält bei jeder Frage Blickkontakt. Manchmal blitzen ihre blauen Augen hinter ihrer runden Brille auf. Etwa, wenn sie sich über den Brexit ereifert. Er sei ein trauriges Ereignis gewesen, ein Desaster.
Foto oben: Konzert-Tournee-Fan Jane Birkin: „Ich genieße es, unterwegs zu sein, in andere Länder zu reisen und Menschen zu treffen. Das ist mein Leben.“ © Nathaniel Goldberg
Dabei verteidigt sie ihre Landsleute normalerweise. Genauso springt sie für die Französinnen und Franzosen in die Bresche, wenn es nötig ist. „In Frankreich fühle ich mich englisch, in England französisch“, resümiert Jane Birkin. „Es gefällt mir, nirgends so richtig dazuzugehören. Ich bin gern eine Fremde.“
Ein wenig verblüfft diese Aussage. Schließlich haben die Französinnen und Franzosen Jane Birkin längst als eine Art Nationalheilige vereinnahmt, seitdem sie mit Serge Gainsbourg liiert war. Ihr Duett „Je t’aime … moi non plus“ aus dem Jahr 1969 sorgte seinerzeit für einen handfesten Skandal. In dem gleichnamigen Film spielte Jane Birkin, die vor ihrer Beziehung mit Serge Gainsbourg mit dem Filmkomponisten John Barry verheiratet war, ebenfalls mit: „Serge hat mich in diesem Streifen jungenhaft inszeniert. Manchmal sah er eben doch mehr als eine hübsche Puppe in mir.“ Natürlich schrieb er auch Lieder für seine Partnerin, von denen Jane Birkin allerdings heute sagt: „Die Songs wirkten zwar, als wären sie für mich gewesen. In Wirklichkeit hat Serge aber das, was ihn beschäftigte, in diese Stücke gelegt.“
Erst nach ihrer Trennung von Serge Gainsbourg fand Jane Birkin endlich zu sich selbst. Mit fast 40 schnitt sie sich die Haare ab, sie drehte mit ihrem neuen Lebensgefährten Jacques Doillon den Film „Kleines Luder“, für den Jane Birkin ungeschminkt vor der Kamera stand. All das ebnete den Weg für ihre künstlerische Emanzipation: „Ich brauchte lange, um mich von den Erwartungen anderer zu lösen.“ Inzwischen hat sie in mehr als 60 Filmen vor der Kamera gestanden, sie führte Regie, sie spielte Theater, mit „Oh! Pardon tu dormais …“ schrieb sie vor über 20 Jahren ein eigenes Theaterstück. Es lieferte das Fundament für das gleichnamige Album, das 2020 erschienen ist. Zum Teil wurde Passagen aus dem ursprünglichen Skript vertont, teilweise kamen auch neue Texte dazu. Einige Stücke hat Jane Birkin ihrer Tochter Kate Barry gewidmet. Die Fotografin stürzte 2013 aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung und starb: „Kates Tod war für mich ein Albtraum.“
Trotzdem wird sie Stücke wie „Catch Me If You Can“ oder „Cigarettes“, das musikalisch an Kurt Weill erinnert, während ihrer Tournee singen. Nachdem sie 2021 einen Schlaganfall hatte, musste sie zwar einige Termine absagen. Jetzt steht Jane Birkin aber schon eine Weile wieder auf der Bühne: „Ich genieße es, unterwegs zu sein, in andere Länder zu reisen und Menschen zu treffen. Das ist mein Leben.“
Denn ihre Töchter, die Schauspielerinnen und Sängerinnen Charlotte Gainsbourg und Lou Doillon, gehen längst eigene Wege. Manchmal führen sie sie allerdings beruflich mit ihrer Mutter zusammen. 2021 drehte Charlotte Gainsbourg die Dokumentation „Jane by Charlotte“, mit diesem Film debütierte sie als Regisseurin. „Ich hatte erwartet, dass Charlotte sich mit meiner beruflichen Laufbahn vor ihrer Geburt beschäftigen würde“, gesteht Jane Birkin. „Doch letztlich hat sie einen sehr persönlichen Film gedreht.“ Charlotte Gainsbourg nähert sich vor allem der Privatperson an – aus der Sicht einer Mutter, die selber drei Kinder hat.
Indes interessieren nicht nur ihre Familie und ihre Karriere Jane Birkin. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten für Menschenrechte. In Kriegs- und Krisenzeiten war sie in Ruanda, Bosnien oder Tschetschenien. Sie hat sich für die birmanische Politikerin Aung San Suu Kyi eingesetzt, aus Solidarität mit den Protesten im Iran schnitt sie sich eine Haarsträhne ab: „Ich bin immer für Frauen aufgestanden, die Probleme haben. Es ist mir wichtig, mich mit ihnen zu solidarisieren.“ Dagmar Leischow
INFO
Jane Birkin tritt Freitag, 24. März, 20 Uhr, im Großen Saal der Elbphilharmonie auf. Karten und weitere Informationen unter www.elbphilharmonie.de
Tipps der HafenCity Zeitung für den Januar 2023:
• Best of Poetry Slam: 5. Januar, 14, 18 und 22 Uhr, Großer Saal
• Rebekka Bakken, 14. Januar, 20.30 Uhr, Kleiner Saal
• Aris Quartett: 23. Januar, 20.30 Uhr, Kleiner Saal