»Lasst unsere HafenCity auch mal laut sein!«

Gastkommentar. Antonio Fabrizi, Inhaber des Club 20457 und Vorsitzender
der Werbegemeinschaft Überseeboulevard e. V., wehrt sich gegen klagende HafenCity-Kritiker und liebt das lebendige Großstadtleben mit Kita-Lärm und Party-Schiffen

Es ist ein sonniger Tag im Oktober. Mit meinem Hund an der Leine gehe ich auf der Vancouver Straße an der Westfield-Baustelle vorbei. Auf dem eh schon beengten Gehweg versuche ich schon seit Minuten erfolglos eine Gruppe zu überholen. Es handelt sich offensichtlich um Touristen, die in aller Seelenruhe schlendern, die Baustelle beobachten und auch immer wieder abrupt stehen bleiben und diese kommentieren. Eine Frau aus der Gruppe sagt schließlich: „Da wohn’ ich lieber auf dem Dorf und hab’ meine Ruhe!“ Wer jetzt vermutet, dass ich mich ärgere oder „unseren“ Stadtteil rechtfertige, irrt sich. Die Dame hat eine klare Meinung und eine gute Einstellung. Sie besucht diesen Ort, der zu einer der größten Sehenswürdigkeiten Hamburgs gehört, macht sich ein Bild und geht in ihr Leben zurück und ist hoffentlich mit sich und der Welt zufrieden.
Foto oben: HafenCity-Bewohner Antonio Fabrizi steht zu Großstadt-Nachteilen: „Kann man ernsthaft über Folgendes diskutieren: Du ziehst neben eine Kita und beschwerst dich über Kinderlärm?“ © Catrin-Anja Eichinger

Es gibt Begegnungen, die zunächst belanglos erscheinen und trotzdem Gedankenspiele auslösen: Was wäre, wenn diese Geschichte eine andere Wendung nimmt? Was, wenn die erwähnte Dame zwar wahrnimmt, auf einer der größten Baustellen Europas zu spazieren, aber gleichzeitig den Drang verspürt, in einem modernen Stadtteil mit maritimem Flair zu wohnen?

„Da wohn’ ich lieber auf dem Dorf und hab’ meine Ruhe!“ Wer jetzt vermutet, dass ich mich ärgere oder „unseren“ Stadtteil rechtfertige, irrt sich.

Was, wenn es konkreter wird und tatsächlich eine Wohnungssuche mit anschließender Besichtigung stattfindet? Wer eine Neubauwohnung in der HafenCity betritt, weiß, wie groß die Verführung ist: gut geschnitten, barrierefrei, Fußbodenheizung und mit Glück auch Wasserblick. Keine Abstandszahlungen für vorhandene Ausstattungen und jetzt der Clou: Das ganze ist auch bezahlbar! Ja, entgegen der allgemeinen Meinung über dieses „Bonzenviertel“ und „Super-Reichen-Ghetto“ gibt es durchaus bezahlbaren Wohnraum. Natürlich gibt es, wie in ganz Hamburg auch, hier Rekordmieten, aber auch, wie es in jedem Neubaugebiet vorgeschrieben ist, bezahlbaren Wohnraum. 

Es ist übrigens egal, ob sich das Folgende in der HafenCity, auf der Schanze oder auf St. Pauli abspielt. Was passiert, wenn die erwähnte Dame zwar in der Innenstadt wohnen möchte, aber nicht akzeptiert, dass auch gleichzeitig Leben vor ihrer Tür stattfindet? Ob Kneipe, Kinder oder Baustellen: „Wer in eine Metropole zieht, kann keinen stillen Wald erwarten“, sagte schon Verwaltungsrechtler Sven Richwin.

„Wer in eine Metropole zieht, kann keinen stillen Wald erwarten“, sagte schon Verwaltungsrechtler Sven Richwin. © Catrin-Anja Eichinger

Kann man ernsthaft über Folgendes diskutieren: Du ziehst neben eine Kita und beschwerst dich über Kinderlärm? Vor Kurzem trat in Berlin als erstem Ort in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das Kinderlärm schützt. Im Immissionsschutzgesetz wird Kinderkrach nun für „sozial adäquat und zumutbar“ erklärt. Es braucht scheinbar immer ein Gesetz, um den gesunden Menschenverstand zu verteidigen, und selbst dann gehen Beschwerden einfach weiter:

Du ziehst auf eine der größten Innenstadt-Baustellen Europas und beschwerst dich über Baulärm? Du möchtest Wasserblick, aber bitte keine vorbeifahrenden Barkassen oder Kreuzfahrtschiffe? Die Gastro mit Außenbestuhlung in deiner Straße hast du schon bei deiner Wohnungsbesichtigung gesehen, aber jetzt stört dich die Geräuschkulisse der Gäste? Du bist selber als Besucher durch diesen Stadtteil gelaufen, aber jetzt wetterst du öffentlich über Touristen? 

Natürlich werden Menschen, die sich Gehör durch Beschwerden verschaffen, immer stärker wahrgenommen. Medienschlagzeilen zeigen es eindrucksvoll: „Anwohner der HafenCity klagen gegen Milliar­denprojekt“ oder „,MS Stubnitz‘: Lärmbeschwerden von Anwohnern der HafenCity“. Erstaunlich, wenn eine Handvoll Menschen es schaffen, Bauarbeiten zu verzögern und teilweise lahmzulegen, die von vielen Anwohner:innen und auch der Stadt ausdrücklich erwünscht sind. Es verstärkt den eh schon herrschenden Eindruck, als würden alle Anwohner der HafenCity lieber in einer spießigen Kleinstadt leben wollen, in der Leben nicht erwünscht ist. Zumindest nicht vor der eigenen Haustür.

Du ziehst auf eine der größten Innenstadt-Baustellen Europas und beschwerst dich über Baulärm? Du möchtest Wasserblick, aber bitte keine vorbeifahrenden Barkassen oder Kreuzfahrtschiffe? Die Gastro mit Außenbestuhlung hast du schon bei der Wohnungsbesichtigung gesehen, aber jetzt stört dich die Geräuschkulisse der Gäste?

Doch dieses Gesamtbild der HafenCity-Bewohner stimmt nicht! Die Mehrheit der Nachbarn haben sich bewusst für diesen Wohnort entschieden und leben hier seit Jahren gern. Und dann gibt es eben diese eine, kleine lautstarke Gruppe, und von dieser möchte ich nicht als „Anwohner der HafenCity“ repräsentiert werden. Natürlich heißt das nicht, jede Beschwerde gleich vom Tisch zu wischen: Die HafenCity ist nie als Party-Quartier geplant worden und wird sicher nie ein Vergnügungsviertel werden. Und nicht jedes Bauvorhaben darf beliebig verändert werden, weil Investoren Vorrang haben. Aber die Befindlichkeiten von wenigen dürfen nicht als Stimme aller Anwohner zählen.

Lasst unsere HafenCity – wie jeden anderen Stadtteil auch – mal laut, dreckig, voll und anstrengend sein. Das mag durchaus mal nerven, aber ist absolut kein Grund zum Klagen. Das alles gehört genauso hierhin wie die große Weltoffenheit, die Hamburg ausmacht! Antonio Fabrizi

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Antonio Fabrizi (53) ist ­Inhaber und Betreiber des Club 20457 in der Osaka­allee und Vorsitzender der ­Werbegemeinschaft Überseeboulevard e. V.

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