Kein klarer Corona-Fall: Trotz Publikumserfolg und Teekultur-Marketingerfolg hat das Meßmer Momentum am Kaiserkai dichtgemacht. Der Inhaber, die Ostfriesische Teegesellschaft (OTG), schickt 21 Mitarbeiter*innen in eine ungewisse Zukunft
In der Tat werden in der Corona-Krise zum emotionalen Ausgleich mehr Heißgetränke gebraut, Bücher gelesen und Filme gestreamt, als in der Zeit zuvor. Zum Monatsende wird die beliebte Tea-lounge Meßmer Momentum als einzigartige Location ihrer Art auf 700 qm „Am Kaiserkai 10“ an den Vermieter „entkernt“, also im Rohbau, zurückgegeben. Neben dieser Vernichtung von Werten – der Neuausbau der Gastronomie ist erst viereinhalb Jahre her – haben jetzt 21 freundliche Mitarbeiter ihren Job verloren und ein großes Stück zwölfjähriger Begegnungs- und Genusskultur geht der HafenCity schlagartig verloren. Für Marketingexperten gilt die Corona-Krise nur als vorgeschobener Grund für die von der Ostfriesischen Tee Gesellschaft (OTG) in Seevetal beschlossene schnelle und stille Abwicklung.
Foto oben: Szenen einer Vergangenheit: Teeschulung mit dem Meßmer-Momentum-Geschäftsführer Peter Nimpsch. © Meßmer MOMENTUM | www.Architekturfotografie-Bach.de
Es gibt nur wenige Marketinginstrumente, die ein Produkt oder eine Marke so glaubwürdig und nah am Konsumenten inszenieren können. Teeschulungen, ein kleines Teemuseum und neben der gemütlichen Gastronomie mit Blick auf den Traditionsschiffhafen gab es auch einen florierenden Teeshop. Bis zu 180.000 Besucher im Jahr zeigen die hohe Akzeptanz dieses HafenCity-Pioniers. Diverse Kooperationen mit benachbarten Unternehmen und Kulturschaffenden aus der Speicherstadt sowie der Elbphilharmonie begleiteten diesen Weg.
Es fanden regelmäßig kulturelle Abende wie etwa eine Modenschau mit teebeutelbesetzten Kleidern, Lesungen, Bildvorträge und Chanson-Abende statt. Die Teeindustrie wird von Fachleuten eher als einer der Pandemie-Gewinner betrachtet, so berichten Branchenkenner anhand bilanzieller Kennzahlen. Die Leute bleiben seit März 2020 Zuhause und versuchen gerade in den kalten Monaten, das Beste aus dieser Zeit zu machen. Dazu gehört auch eine Tasse guter Tee.
Viele uns bekannte Anwohner und Gewerbetreibende der HafenCity sind entsetzt, weil ihnen ein Baustein einer lebenswerten HafenCity abhanden kommt. Es wurden stets neue Ideen entwickelt, um diesen Standort und die Marke Meßmer attraktiv zu halten. Die endgültige Abwicklung zeigt kühles Kostendenken eines großen Konzerns und zeugt von geringer Wertschätzung für diesen Bereich des Markenaufbaus. Schließlich zierte das Interieur des Teehauses in großen Lettern der Satz: „Zeit für eine Tasse Gelassenheit“.
Wie viele wissen: Vor Corona war es dort nie leer, weil Teetrinker diesen Bereich als glaubwürdig geplanten, entspannenden Rückzugsort empfanden. Zumal erst vor kurzem das Konzept neu geplant und umgebaut wurde, um es funktionaler zu machen und mehr Gäste platzieren zu können. Die Ostfriesische Tee Gesellschaft spricht selbst von einem „inspirierenden Ort des einzigartigen Tee-Erlebnisses, des besonderen Genusses und des gemeinsamen Austauschs“. Offenbar ist trotz Kurzarbeit und anderer Überbrückungshilfen dieser einzigartige Ort der Muttergesellschaft einen Fortbestand nicht wert.
Peter Nimpsch, der Leiter und kreative Kopf des Meßmer Momentums sagte zu uns: „Die Schließung macht uns alle sehr traurig, da damit auch eine lange, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu Ende geht, in der sehr freundschaftliche Verhältnisse mit Partnern, Nachbarn, dem Netzwerk und der IG Gewerbe gewachsen sind.“
Den Mitarbeitern des Meßmer Momentums wünscht man viel Kraft, mit der Situation umzugehen und ein gutes Händchen bei der Gestaltung ihrer Zukunft in diesen schwierigen Zeiten zu haben. Für die Bewohner, Arbeitnehmer und das touristische Bild der HafenCity geht ein wertvolles kulturelles Refugium verloren, das nicht so schnell zu ersetzen sein wird. Götz Weisener